Deutsche Redaktion

PiS-Politiker hetzen in der Kampagne vs. Sprache von Sowjet-Aggressoren

15.06.2020 12:38
Besonders hohe Wellen schlägt in den heutigen Zeitungsausgaben die Schlammschlacht zum Thema LGBT, zu der es Ende letzter Woche und am Wochenende zwischen den Präsidentschaftskandidaten der Regierungspartei und der Bürgerkoalition sowie prominenten Politikern beider Lager gekommen war. 
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Gazeta Wyborcza: PiS-Politiker hetzen in der Kampagne

Der neuesten Welle homophober Aussagen von Seiten der Regierenden habe am Samstag Przemysław Czarnek das i-Tüpfelchen versetzt, schreibt in ihrem heutigen Aufmacher die linksliberale Tageszeitung Gazeta Wyborcza. Czarnek - ein PiS-Abgeordneter, ein Verfassungs-Experte der katholischen Universität in Lublin und einer der Pfeiler des Wahlteams von Amtsinhaber Andrzej Duda - erinnert das Blatt, habe im nationalen Fernsehsender TVP eingeräumt: "Diese Menschen sind normalen Menschen nicht gleich. Lasst uns aufhören, dem Blödsinn über irgendwelche Menschenrechte oder irgendwelche Gleichheit, Gehör zu schenken". Auch Staatspräsident Andrzej Duda habe die LGBT-Ideologie am Samstag während eines Wählertreffens angegriffen und sie mit "Neobolschewismus" verglichen. Damit habe Duda einen anderen PiS-Politiker verteidigt, der einen Tag zuvor für seine Aussage im privaten Fernsehsender TVN24, laut der "LGBT keine Menschen" (sondern eine Ideologie) sind, aus dem Programm geflogen sei.

Die Welle von LGBT-feindlichen Aussagen kurz nach dem Einstieg des Warschauer Stadtpräsidenten Rafał Trzaskowski in das Rennen um den Präsidentenposten, so Gazeta Wyborcza, seien kein Zufall. Schließlich greife die Regierungspropaganda den wichtigsten Gegenkandidaten von Duda systematisch als Sympathiker von LGBT, Freiheitsmärschen und der Legalisierung von partnerschaftlichen Beziehungen an. Die Strategie erinnere an das Vorgehen der PiS vor den Wahlen 2015, als Flüchtlinge der Feind gewesen seien. In dieser Strategie hätte Dudas´ Team jedoch zwei wichtige Elemente vergessen: Dass Worte große Kraft besitzen und dass Menschen, die für sie verantwortlich seien, darunter die Gesichter der Kampagne, Blut auf den Händen haben werden, kommentiert die Aussagen der PiS-Politiker im Interview für die Gazeta Wyborcza Slava Melnyk von der Kampagne gegen Homophobie.

Gazeta Polska Codziennie: Sprache von Sowjet-Aggressoren

Die regierungsnahe Gazeta Polska Codziennie empört sich in der heutigen Ausgabe indes über den erwähnten Rauswurf des Politikers der Vereinigten Rechten aus dem Programm beim privaten Fernsehsender TVN. Wenn man dazu die aus dem Finger gesaugten Artikeln der "Gazeta Wyborcza", die Gesundheitsminister Łukasz Szumowski attackiert hinzunehme oder die skandalöse Publikation über den Tod eines der Opfer der Reprivatisierungsaffäre, in der Vize-Justizminister Sebastian Kaleta angegriffen worden sei, sei deutlich zu sehen, wie sich die linksliberalen Medien in die Wahlkampagne engagiert hätten und bereit seien, fast alles zu tun, um die Konservativen von der Macht zu verdrängen. 

Die Medien von Gazeta Wyborcza-Gründer Adam Michnik und die mit ihnen verbundenen Lager, so Gazeta Polska Codziennie, hätten die konservativen Politiker nie leiden können und stets versucht, alles zu tun, um einen Wahlerfolg ihrer Parteien zu verhindern. Der letzte Aussetzer von Journalistin Kolenda-Zaleska, die die Skype-Schalte mit dem Politiker der Vereinigten Rechten abgebrochen, ihn angegriffen und seine Aussagen dann aus dem Kontext gerissen habe, habe unter den Internetnutzern für allgemeine Empörung gesorgt, so das Blatt. Und es sei nicht ihr erster gewesen. Zuvor sei die Journalistin im Oktober 2010 unter anderem dadurch aufgefallen, dass sie Kaczyński Worte in den Mund geschoben habe, die er nie geäußert habe. Auch die Kollegen der TVN-Journalistin würden nur Konservativen gegenüber aggressiv sein. Interviews mit Politikern, mit denen sie sympathisieren, wie Donald Tusk oder Bronisław Komorowski, würden sie indes auf den Knien führen, um sie auf keinen Fall zu kränken.

Weiter zählt das Blatt im Detail die Publikationen der linksliberalen Presse auf, die gegen PiS-Chef Kaczyński, der die größte Gefahr für die linke Ideologie sei, Gesundheitsminister Szumowski, dem weiterhin 42,4 Prozent der Polen vertrauen, und Vize-Justizminister Sebastian Kaleta, der die Autoren des Texts verklagt habe, gerichtet gewesen sind.

Rzeczpospolita: Romantiker und Liberale

Mit dem Fortschritt der Kampagne würden sich immer genauer die zwei Visionen Polens abzeichnen, die bei diesen Wahlen gegeneinander antreten werden, schreibt in seinem Autorenkommentar für die Rzeczpospolita der Publizist Michał Szułdrzyński. In der Vision der Recht und Gerechtigkeit, lesen wir, soll Polen ein moderner Staat mit traditionalistischer Gesellschaft werden, deren Perspektive auf Themen wie Abtreibung, Euthanasie, gleichgeschlechtliche Beziehungen größtenteils von einer Moralität diktiert werden, die auf den Lehren der Kirche basiert. Wirtschaftswachstums soll durch internen Konsum angetrieben werden, der von Sozialtransfers stimuliert wird, sowie durch riesige öffentliche Investitionen in harte Infrastruktur. Die gigantischen Investitionen - deren Symbol der Zentrale Flughafen werden soll - sollen einerseits durch Investitionen in Züge, ein Straßennetz und Flugverbindungen die Entwicklung des Staates anregen, andererseits aber auch der Stärkung des Nationalstolzes dienen. 

Das zweite Lager, so der Autor, verstehe die Freiheit auf liberale Weise - es biete die Vision eines Staates, der nicht ein Vater sei, der dem Leben Sinn verleihe, sondern der Anbieter von öffentlichen Dienstleistungen, die den Bürgern das Leben sowie selbstständige Entscheidungen erleichtern sollen. In dieser Vision rücke der einzelne Bürger anstelle der nationalen Gemeinschaft ins Zentrum der Politik. Der Nationalstolz werde durch politische Empathie ersetzt. Zur Quelle der wirtschaftlichen Entwicklung werde das individuelle Unternehmertum, das nicht als wilder Kapitalismus verstanden werde, sondern als liberaler Sozialstaat nach dem Vorbild Westeuropas. Das liberale Lager sei viel offener für gesellschaftliche Evolution, die Affirmation von Minderheiten und die Einführung von nicht-normativem Verhalten in den Mainstream. Es gehe davon aus, dass Pluralismus und Vielfalt an sich etwas Begehrenswertes seien. 

So wie das traditionalistisch-soziale Lager in die Familie und große Infrastrukturprojekte investieren wolle, so wolle auch das fortschrittliche Lager die liberal verstandene Gesellschaft und ein Netzwerk von weichen Kompetenzen fördern. Die Metapher, die die Seele der Rechten bewegt, sei der Zentrale Flughafen, eine Metapher für das linksliberale Lager könnten indes die hauptstädtischen Boulevards an der Weichsel sein - ein Raum, den lokale Unternehmer, Künstler und normale Bürger füllen werden, die dort ihre Zeit verbringen. Dies sei natürlich eine Simplifizierung, aber der Kampf zwischen Trzaskowski und Duda werde kein Duell der Persönlichkeiten sein, sondern die Wahl des Wegs, den Polen in den nächsten Jahrzehnten einschlagen soll, so Michał Szułdrzyński in der Rzeczpospolita. 

Autor: Adam de Nisau