Deutsche Redaktion

Weißrussland steht vor größter Herausforderung seit dem Fall der Sowjetunion

21.08.2020 13:42
Die Lage der Menschen sei schwierig. Noch vor einer Woche schiene es, als ob ein Sieg möglich wäre, doch das Regime schlage mit aller Härte zurück, schreibt am Freitag die Rzeczpospolita. Die linksliberale Gazeta Wyborcza widmet sich heute ausführlich der Innenpolitik. 
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Rzeczpospolita: Weißrussland steht vor größter Herausforderung seit dem Fall der Sowjetunion

Die Gesellschaft Weißrusslands stehe aktuell vor der größten Herausforderung seit dem Untergang der Sowjetunion, schreibt am Freitag die konservative Tageszeitung Rzeczpospolita auf Ihrer Titelseite. Die Lage der Menschen sei schwierig. Noch vor einer Woche schiene es, als ob ein Sieg möglich wäre, doch das Regime schlage mit aller Härte zurück. Drohungen, Gewalt, Entlassungen – so werde versucht, die Bevölkerung unter Druck zu setzen, schreibt die Rzeczpospolita unter Berufung auf Oppositionelle. Den Streikenden werde offen nicht nur mit Entlassungen, sondern auch mit Strafverfahren gedroht, lesen wir weiter. So zum Beispiel beim Großkonzern Biełaruśkalij. Die Belegschaft, viele von Ihnen Bergleute, fürchte sich vor den Entlassungen. Sie sind meist die einzigen Ernährer der Familie. Verlieren sie Ihre Arbeit, drohe bittere Armut.

Der Vorsitzende der Unabhängigen Gewerkschaft Weißrusslands, Maksim Pazniakou, wirft der Regierung vor, landesweit systematisch Arbeiter einzuschüchtern. Die Gegner von Präsident Lukaszenko wollen derweil am kommenden Sonntag einen großen Protestmarsch in der Hauptstadt organisieren. Sie appellieren an die Einwohner der Stadt und alle Streikenden im ganzen Land, sich ihnen anzuschließen, berichtet die Rzeczpospolita.

 

Gazeta Wyborcza: Chaos in der Regierung

Die linksliberale Gazeta Wyborcza widmet sich heute ausführlich der Innenpolitik – genauer, dem Umbau der PiS-Regierung. Innerhalb der letzten Woche hätten gleich vier Regierungsminister ihren Rücktritt erklärt: Die Vizeministerin für Digitalisierung Wanda Buk, der Gesundheitsminister Lukasz Szumowski sowie sein Vize, als auch der Außenminister Jacek Czaputowicz. Was stecke hinter der Rücktrittswelle, fragt die Gazeta Wyborcza. Es herrsche Chaos, schreibt die Zeitung. Seit längerem sei ein Umbau des Regierungskabinetts angekündigt, allerdings herrsche Unklarheit über den genauen Termin und das Ausmaß des geplanten Umbaus. Einige der Minister hätten sozusagen präventiv ihren Rücktritt erklärt, vermutet die Gazeta Wyborcza.

Währenddessen sei der Chef der PiS-Partei, Jarosław Kaczyński im Urlaub. Seine Abwesenheit werde von verschiedenen Kräften innerhalb der Regierung genutzt, um eigene Interessen durchzusetzen. Besonders Justizminister Zbigniew Ziobro habe in der letzten Zeit auf sich aufmerksam gemacht, z.B. durch die finanzielle Unterstützung von Gemeinden, die sich als „Frei von LGTB“ deklariert hatten.

Rzeczpospolita: Zerrissene Außenpolitik

Der Kommentator der Rzeczpospolita, Jędrzej Bielecki, konzentriert sich bei seiner Analyse auf den Rücktritt des Außenministers Jacek Czaputowicz. Czaputowicz habe durch seinen Rücktritt zeigen wollen, dass etwas falsch laufe in der polnischen Außenpolitik. Diese werde von drei verschiedenen Machtzentren innerhalb des Regierungslagers bestimmt, und das bedeute Chaos. Czaputowiczs Rücktritt sei höchst irregulär und komme während der Krise in Weißrussland zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt. Aus Insiderkreisen sei zu hören, dass Czaputowicz sich an der fehlenden Koordination der Außenpolitik gestört habe. In der Kanzlei des Premiers werde die Politik gegenüber der EU formuliert. Der Präsidentenpalast beanspruche für sich die Hoheit über die Verteidigungsstrategie und somit die Beziehungen zum Bündnispartner USA. Und das Außenministerium beschäftige sich mit dem ganzen Rest, schreibt Bielecki. So könne gute Außenpolitik nicht funktionieren. Leider bestehe kaum Hoffnung, dass Czaputowicz mit seinem Rücktritt etwas bewirken könne. Die polnische Außenpolitik werde wohl zunächst weiterhin Spielball der verschiedenen Machtinteressen im Regierungslager bleiben, folgert die Rzeczpospolita.


Autor: Filip Żuchowski