Deutsche Redaktion

Der Anführer verliert langsam die Kraft

02.10.2020 12:17
Der Chef der Regierungspartei PiS, Jarosław Kaczyński pflege zu scherzen, dass er den Rekord von Konrad Adenauer brechen wolle, schreibt Rafał A. Ziemkiewicz in seinem Text in der Wochenzeitschrift Do Rzeczy. Doch ein politisches Burnout sei bei Jarosław Kaczyński bereits zu sehen. 
Presseblick
PresseblickFoto: pixabay

RZECZPOSPOLITA: Wie oft kann man den Premierminister auspfeifen?

Wie oft könne man den Regierungschef auspfeifen, fragt in seinem Kommentar in der Tageszeitung Rzeczpospolita der Publizist Mariusz Cieślik. Die jüngsten Ereignisse bei einem Benefizkonzert für Belarus im Warschauer Nationalstadion hätten ihn dazu bewogen, einer solchen Frage nachzugehen, erklärt der Publizist. An jenem Abend sei in Warschau der belarussische Oppositionelle Pavel Latuschka anwesend gewesen. Man habe ihn mit heftigem Beifall begrüßt. Als der polnische Regierungschef das Wort ergriffen habe, begangen einige Dutzend Personen zu pfeifen. In der Menschenmenge habe man diese Pfiffe zwar nicht gehört, doch kurz nach dem Konzert seien Aufnahmen im Internet aufgetaucht, wo man die unzufriedenen Bürger genau konnte pfeifen hören. Erneut habe man den innenpolitischen polnischen Streit in den Vordergrund gestellt, urteilt Cieślik.

Dabei ging es bei diesem Konzert um viel mehr. Die Veranstalter wollten ein klares Signal senden, dass ihnen die Unabhängigkeit des benachbarten Belarus am Herzen liege und das die polnische Regierung auf der Seite der belarussischen Gesellschaft stehe. Soziologische Studie würden übrigens zeigen, dass sich die Polen, unabhängig von politischen Ansichten, mit einer Stimme für die Freiheit von Belarus aussprechen. Man drücke in Polen die Daumen für das östliche Nachbarland, weil man sich an der Weichsel noch sehr gut daran erinnern könne, wie es sei in einem nicht unabhängigem Land zu leben.

Dennoch hätten einige Zuschauer auf den polnischen Premierminister gepfiffen, erneut konnte sich ein Teil des Publikums von seiner kurzsichtigen Perspektive nicht einmal für einige Minuten lösen. Als ob es nichts Wichtigeres als den polnischen Streit gäbe. Außerdem was nützt das Pfeifen bei einem Konzert oder anderen öffentlichen Veranstaltungen? – fragt der Publizist abschließend. Davon wird sich der Regierungschef nicht in der Luft auflösen, genauso wie seine Wählerschaft. Die innenpolitische Lage werde das pfeifen also nicht verbessern, dabei könne man aber einer wichtigen Initiative Schaden hinzufügen, schreibt Mariusz Cieślik in der Rzeczpospolita.

 

DO RZECZY: Der Anführer verliert langsam die Kraft

Der Chef der Regierungspartei PiS, Jarosław Kaczyński pflege zu scherzen, dass er den Rekord von Konrad Adenauer brechen wolle, schreibt Rafał A. Ziemkiewicz in seinem Text in der Wochenzeitschrift Do Rzeczy. Der Publizist erinnere zugleich, dass der deutsche Kanzler mit 87 Jahren seine politische Karriere beendete. Zwar sei Kaczyński noch weit von diesem Alter entfernt, aber man könne schon mehrere Anzeichen eines politischen Burnouts erkennen, lesen wir. Nicht ohne Bedeutung sei auch sein nicht zufriedenstellender gesundheitlicher Zustand.

Seine Erschöpfung sollte aber nicht wundern, führt der Publizist fort. Nach mehreren Jahren sei Kaczyński mit seiner Partei aus dem Nichts zurückgekehrt. Er gewinne eine Wahl nach der anderen, doch jeder nächster Sieg bringe neue Probleme. Je mehr Siege er auf dem Konto habe, desto unstabiler werde die Lage. Je mehr Kaczyński gewinne, desto mehr müsse er sich persönlich in das politische Geschäft einmischen: beaufsichtigen, korrigieren, das Tempo angeben. Dies bringe Irritation und Frustration mit sich. Deshalb entscheide sich Parteichef Kaczyński immer öfter eine Abkürzung zu nehmen. Eine solche Strategie führe aber zu Spannungen, wie die jüngste Krise im Rahmen der Regierungskoalition. Es untergrabe zugleich das blinde Vertrauen in den Parteichef. Und eben das Vertrauen in den Anführer sei das kostbarste Kapital der Vereinigten Rechten, konkludiert Rafał A. Ziemkiewicz in der Wochenzeitschrift Do Rzeczy.

 

SUPER EXPRESS: Die 2000-Fälle-Hürde durchschritten

Eine weitere psychologische Barriere wurde durchbrochen, stellt die Tageszeitung Super Express fest. Die Zahl der Corona-Infizierungen in Polen steige. Den neuesten Meldungen des Gesundheitsministeriums sei zu entnehmen, dass in der letzten 24 Stunden über 2200 neue Fälle registriert wurden. Somit wurde der Höchstwert erreicht seit Beginn der Pandemie im März. Zwar habe man die steigende Tendenz in Polen bereits seit mehreren Tagen beobachten können. Doch die 2000-Fälle-Hürde sei erst heute überschritten worden. Geht es nach Experten müsse man in den kommenden sechs bis sieben Wochen von einem regulären Anstieg der Infizierungen und der Todesfälle ausgehen, lesen wir in dem Blatt.

 

Jakub Kukla