Deutsche Redaktion

Die Versuchung von Ersatzkonflikten

07.10.2020 12:49
Zeit sich wieder mit der Pandemie zu beschäftigen, statt mit sich selbst, appelliert in der heutigen Ausgabe die Rzeczpospolita an Regierungspolitiker. Außerdem geht es auch um Engpässe bei Grippeimpfungen und einen neuen Boom auf dem Gebrauchtwagen-Markt.
Od lewej: Piotr Gliński, Jarosław Kaczyński, Mateusz Morawiecki oraz Jacek Sasin
Od lewej: Piotr Gliński, Jarosław Kaczyński, Mateusz Morawiecki oraz Jacek SasinPAP/Radek Pietruszka

Rzeczpospolita: Die Versuchung von Ersatzkonflikten

 

Die gestrige Vereidigung der Regierung in ihrer neuen Zusammensetzung ist ein guter Anlass für die Vereinigte Rechte, sich endlich an die Arbeit zu machen. Denn seit einigen Wochen seien die Politiker der Regierungskoalition vor allem mit sich selbst beschäftigt gewesen, erinnert in seinem Autorenkommentar der Publizist der Rzeczpospolita Michał Szułdrzyński. Die Pandemie wüte gerade mit neuer Kraft in Polen, erinnert der Autor, und einen neuen Lockdown, wie den, der die erste Welle im Frühling abgeschwächt habe, könne sich das Land nicht mehr leisten. Die Pandemie und die Bewältigung der von ihr hervorgerufenen Krise seien daher die wichtigsten Aufgaben der neuen Regierung. Viel wichtiger, als der Kampf gegen die Gender-Ideologie, LGBT und andere Feinde. Wichtiger als die nächste Phase der Politisierung des Gerichtswesens oder des Kampfes gegen die von der Regierung unabhängigen Medien. 

 

Das Problem: für den Kampf gegen die Pandemie sei ein moderner Staat notwendig. Und vor allem die Fähigkeit, weiche Macht auszuüben - dank dem Vertrauen der Bürger in die Regierung, sowie dem beiderseitigen Respekt gegenüber den Regeln und Anordnungen. All dies könne man in einer Atmosphäre des totalen Konflikts, der das gesellschaftliche Kapital zugrunde richte, nicht realisieren. Stattdessen seien eben Ruhe und Zusammenarbeit nötig. 

 

Er, so Szułdrzyński, befürchte jedoch, dass je schwieriger die Situation werde, desto größer auch die Versuchung in der PiS sein werde, sich ideologischen Kämpfen um die Weltanschauung zu widmen. Schon heute sei eine Verschärfung des Tons gegenüber Brüssel zu sehen, der für große Emotionen sorge und helfe, wichtige Probleme von der Agenda zu drängen. Die Suche nach Feinden sei sehr guter politischer Treibstoff. Die Arbeit an den Fundamenten und Auswegen aus der Krise sei indes viel schwieriger. Doch nur, wenn die Regierung auf das zweitere setze, könne sie als Kapitel über polnische Erfolge in die Geschichte eingehen. Und eben das stehe bei der Entscheidung, vor der Kaczyński heute stehe auf dem Spiel, so Michał Szułdrzyński in der Rzeczpospolita. 

 

Gazeta Wyborcza: Wo sind die Impfungen gegen Grippe? 

 

Wo sind die Impfungen gegen Grippe, fragt in ihrem heutigen Aufmacher die linksliberale Gazeta Wyborcza. Um eine doppelte Welle von Infizierten zu vermeiden, erinnert das Blatt, habe das Gesundheitsministerium leichteren Zugang zu Impfungen versprochen. Doch diese würden schon jetzt landesweit knapp werden, alarmiert die Zeitung. “Ich weiß”, zitiert die Zeitung im Artikel die 77-jährige Dorota, “dass die Impfung für Menschen in meinem Alter kostenlos ist. Aber was nützt mir das, wenn sie in Apotheken nicht zu bekommen ist. Ich werde nicht Schlange stehen, denn dort kann man sich auch leicht anstecken”. Wie die Zeitung erinnert, hatte das Gesundheitsministerium die Zuschüsse von einer auf drei Grippeimpfungen ausgeweitet. Für Personen über 75 sollen die Impfungen kostenlos sein. Auf Ermäßigungen könnten auch Menschen aus Risikogruppen, Schwangere und Kinder zwischen dem 3. und 5. Lebensjahr zählen. Impfungen für medizinisches Personal schließlich sollten separat finanziert werden. Zudem hätten unterschiedliche Institutionen intensive Informationskampagnen zum Thema durchgeführt. 

Das Problem: in diesem Jahr wolle sich die ganze Welt gegen Grippe impfen. Die Lieferungen an die Apotheken seien dagegen spärlich. Manche Apotheken würden Wartelisten führen, andere hätten darauf verzichtet, um den Kunden keine unnötigen Hoffnungen zu machen. Für diese Woche seien beispielsweise ursprünglich kostenlose Impfungen für medizinisches Personal geplant gewesen. Sie seien abgeblasen worden, da es an Impfungen mangelt. 

 

Offiziell, so das Blatt, heiße es, alles sei unter Kontrolle und dass in den kommenden zwei Monaten weitere 1,8 Millionen Impfungen in die Apotheken treffen. Inoffiziell habe das Blatt erfahren, dass das Gesundheitsministerium die Bestellung zu spät ausgestellt habe und die Produktion daher derzeit an andere Staaten gesendet werde, lesen wir in der Gazeta Wyborcza. 

 

Rzeczpospolita: Boom für Gebrauchtwagen

 

Die Pandemie werde einen Boom auf dem Markt von Gebrauchtwagen nach sich ziehen, prognostiziert auf ihrer Titelseite die Rzeczpospolita. Bis Jahresende, lesen wir im Blatt, könnte Polen eine Welle von gebrauchten Fahrzeugen aus dem Ausland überfluten. Schon im September habe der Privatimport von solchen Fahrzeugen mit 88.600 Stück den Jahreshöchststand erreicht. Laut dem Institut Samar könnte in den kommenden Monaten der Rekordwert von 100.000 Autos überschritten werden. Der Trend sei einerseits eine Folge der von der Regierung angekündigten Anhebung der Akzise für gebrauchte Fahrzeuge, mit der die Regierenden den Import von alten Autos erschweren und die Qualität der Fahrzeuge auf den polnischen Straßen verbessern wolle. Zweitens sei ein eigenes Auto in Zeiten der Pandemie aber auch das sicherste Verkehrsmittel, was die Nachfrage zusätzlich antreibe, so Rzeczpospolita.  

Autor: Adam de Nisau