Deutsche Redaktion

Kostspieliges Veto

03.12.2020 12:35
Im Konflikt mit Brüssel scheinen Polen und Ungarn auf die Chicken-Game-Strategie zu setzen. Zurecht? Und: Auch wenn die Zahl der Alkoholgeschäfte sinkt. Der Konsum selbst blüht. Mehr unter anderem dazu im Presseüberblick. 
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Zdjęcie ilustracyjne.Savvapanf Photo/shutterstock

Rzeczpospolita: Kostspieliges Veto

Polen kann im kommenden Jahr über die Hälfte der für das Land vorgesehenen Mittel aus der Kohäsionspolitik verlieren, schreibt in der heutigen Ausgabe die konservative Rzeczpospolita. In Brüssel, so das Blatt, hätten bereits die Vorbereitungen auf ein Haushalts-Provisorium begonnen. Dieses soll automatisch am 1. Januar 2021 in Kraft treten, falls sich Polen in den nächsten Tagen nicht aus dem Veto gegen das Haushaltspaket zurückzieht, das ein knapp 1,8 Billionen Euro schweres Budget für die Jahre 2021-2027 und einen Fonds für den Wiederaufbau der Wirtschaft nach der Pandemie in Höhe von 750 Milliarden Euro vorsieht. Ein Provisorium werde Einschnitte in Höhe von 25-30 Milliarden Euro im Vergleich dazu bedeuten, was Polen im kommenden Jahr eigentlich aus der EU erhalten sollte. Zudem sei man in Brüssel der Meinung, dass schon im Januar die Unterzeichnung eines alternativen Abkommens zwischen 25 Staaten - ohne Polen und Ungarn - möglich ist, lesen wir in der Rzeczpospolita. 

 

Rzeczpospolita: Wie Polen und Ungarn mit der EU Chicken-Game spielen

In den 50-er Jahren war das sogenannte Feiglingsspiel oder Chicken-Game ein populäres Motiv amerikanischer Filme, schreibt in seinem Kommentar dazu der Publizist der Rzeczpospolita Paweł Rożyński. Dabei fahren zwei Sportwagen mit hoher Geschwindigkeit aufeinander zu. Wer als erster bremst oder ausweicht hat das Spiel verloren und ist der Feigling. Treffen indes zwei Helden aufeinander, kommen beide um.

Bei dem Konflikt um den EU-Haushalt, so der Autor, scheinen sich die polnische und ungarische Regierung stark von diesem Spiel inspirieren zu lassen. Und das, obwohl ein Provisorium große Verluste für die polnische Wirtschaft bedeuten könnte. Laut Spieltheoretikern könne eine solche Strategie sogar rational sein. Denn wenn unser Gegenüber uns für irrational halte, sei die Chance hoch, dass er zuerst auf die Bremse drückt. Doch ob die Kalkulation auch in der Konfrontation mit Brüssel aufgehe, sei fraglich. Denn im traditionellen Chicken-Game würden sich zwei Autos gegenüber stehen. Seine Attacke auf den EU-LKW reite Regierungschef Mateusz Morawiecki indes höchstens auf einem elektrischen Roller. Und Justizminister Ziobro stehe daneben und feuere ihn an, so Paweł Rożyński in der Rzeczpospolita. 

 

Dziennik/Gazeta Prawna: Wir trinken mehr, obwohl Alkohol schwieriger zugänglich ist

Die Zahl der Geschäfte mit Alkohol nimmt rapide ab. Dies geht allerdings nicht mit niedrigerem Verzehr von hochprozentigen Getränken einher. Im vergangenen Jahr haben die Polen den meisten Alkohol seit 1993 getrunken, lesen wir im Wirtschaftsblatt Dziennik/Gazeta Prawna. So sei die Zahl aller Orte, in denen Alkohol verkauft werde - also spezialistischer Geschäfte, Supermärkte und gastronomischer Lokale - seit Ende 2019 im Vergleich zum Vorjahr um 4 Tausend Orte geschrumpft. Dies sei unter anderem der Verdienst der Kommunen, die die Menge von Genehmigungen für den Verkauf von Alkohol, nach einer Novellierung des Gesetzes über die Erziehung in Nüchternheit, verringert hätten. Doch die von den Kommunen unternommenen Schritte hätten nicht die erhofften Effekte nach sich gezogen. So habe der Verzehr von 100-prozentigem Alkohol pro Kopf 2019 9,78 Liter betragen, so viel, wie seit 1993 nicht mehr. 

"Die Zahl der kleinen Geschäfte schrumpft. Sie werden aber durch einen großen Supermarkt ersetzt, der nicht nur ein reiches Angebot, sondern auch attraktive Preise bietet. Zudem steige das Einkommen der Polen systematisch, die Alkoholpreise aber nicht", erklärt das Phänomen der ehemalige Direktor der Nationalen Agentur zur Bekämpfung von Alkoholproblemen PARPA, Krzysztof Brzózka. Auch das aktuelle Pandemie-Jahr, so die Zeitung, könne sich als ein Rekordjahr erweisen. Aus Statistiken von Nielsen gehe hervor, dass die Polen bis August 26 Milliarden für Alkoholgetränke ausgegeben haben, also um 7,5 Prozent mehr als im gleichen Vorjahreszeitraum, so Dziennik/Gazeta Prawna.


Autor:  Adam de Nisau