Nowa Konfederacja: Eile mit Weile. Auf der Suche nach dem Coronavirus-Impfstoff
Zusammen mit Informationen über den Impfstoff-Erfolg gebe es auch Bedenken hinsichtlich der Sicherheit, schreibt das Monatsmagazin der Denkfabrik Nowa Konfederacja. Neben medizinischen Problemen gebe es ernste Bedenken, die mit der Logistik und dem sinkenden Vertrauen der Bürger in die Regierung zu tun hätten. Die wichtigsten Vorbehalte sollen sich auf das verrückte Tempo und den Prozess der Erprobung der neuen Wirkstoffe beziehen.
Die niedrigen Temperaturen bei der Lagerung von Impfstoffen stellen eine sehr große logistische Herausforderung dar, was entscheidend für den Erfolg sein werde. Der Stand der Vorbereitung des polnischen Gesundheitssystems auf diesen Prozess werfe ernsthafte Zweifel auf, glaubt die Denkfabrik. Zweifel weckt bei der Nowa Konfederacja auch die Art und Weise, wie die Entwicklung des Impfstoffes zu einem geopolitischen Wettlauf um den ersten Platz geworden ist.
Aus diesen Gründen müsse der Impfstoff, der Millionen oder vielleicht Milliarden von Menschen verabreicht wird, völlig frei von jeglichem Verdacht auf schlampiges Testen sein. Es müsse ein Werkzeug der Medizin und nicht der Politik sein. Politische Impfungen würden nur das Vertrauen in die Regierungen noch weiter untergraben und Anti-Impf-Bewegungen weitere Argumente geben. Andernfalls könnte die Situation außer Kontrolle geraten. Immer öfter würden auch COVID-19-Infizierte ihre Krankheit verbergen, wegen fragwürdiger und ineffektiver Quarantäne- und Behandlungsmethoden. Daher ist die Denkfabrik sehr skeptisch, ob es der Regierung in dieser Situation gelingen werde, Millionen von Polen dazu zu bewegen, sich mit einem so eilig vorbereiteten Medikament impfen zu lassen.
Klub Jagielloński: Eine Generation enttäuschter Millenials
Marcel Lesik antwortet indes in der Online-Ausgabe der Denkfabrik Klub Jagielloński auf die Frage, warum es für die junge Generation so schwierig sei, zwischenmenschliche Beziehungen aufzubauen und wie die jüngsten Proteste in Polen aus dieser Perspektive aussehen.
Der Generation von Jahrtausendern (sog. Millenials oder Generation Y) sei viel versprochen worden. Alles, was sie tun sollten, war hart zu arbeiten, was ihnen die Welt öffnen sollte. Stattdessen, schreibt der Autor, sollen Jugendliche in einer zunehmend ungerechten Welt leben, die aus Instabilität auf dem Arbeitsmarkt, teuren Wohnungen und der sofortigen Zufriedenstellung durch soziale Medien bestehe. Dies führe zu Einsamkeit, Depressionen und dem Gefühl, dass Jugendlichen in der Kindheit nicht die ganze Wahrheit über das Leben erzählt worden sei.
Könnte es somit sein, fragt Leski, dass das erwägte Abtreibungsgesetz nur ein Funke der entfachten Verzweiflung junger Menschen gewesen sei, die vor den oft überwältigenden Herausforderungen des Erwachsenenlebens im 21. Jahrhunderts stünden? Dem Autor nach, sei das Abtreibungsgesetz nur ein Vorwand gewesen, um das herauszuschreien, was der jungen Generation am Herzen liege.
Mit der Enttäuschung hätten sie allerdings viel besser umgehen können, glaubt der Autor, wenn ihr Leben nicht von sozialen Medien beherrscht wäre. Mit Facebook, Tinder oder Instagram, hätten sich die sozialen Beziehungen deutlich verändert, wobei junge Menschen die größten Opfer seien.
Heute könne man alles, was zum Glücklichsein nötig sei, in einem Augenblick erreichen, ohne das Haus zu verlassen - Einkaufen, Arbeit, Essen, Unterhaltung und sogar Sex. Nur zwei Dinge könne man nicht sofort erhalten - Berufserfahrung und zwischenmenschliche Beziehungen.
Infolgedessen, schreibt die Denkfabrik, sollen Millenials schon nach einigen Monaten Arbeit kündigen. Alle Beziehungen zu Gleichaltrigen, seien oberflächlich und darauf ausgerichtet, in der Stadt Spaß zu haben, anstatt schwierige Lebensprobleme zu diskutieren und sie gemeinsam zu lösen.
Die Verflechtung dieser Probleme, bemerkt Leski, sei ein fruchtbarer Boden für die Proteste, die auf den Straßen polnischer Städte stattfinden. Der Streit um das Abtreibungsgesetz, sei deshalb angesichts der erwähnten Unsicherheitsfaktoren, von denen junge Menschen betroffen seien, ein letztes Mittel gewesen, um sie vor unerwünschter, lebenslanger Verantwortung zu bewahren. Der Grund sei die Frustration junger Menschen und ihre negative Einstellung zu einer Welt, die sie enttäuscht habe, weil sie nicht aussehe wie sorgfältig retuschierte Bilder auf Instagram oder wie sie von den Eltern erzählt wurde.
DoRzeczy: Insta-Revolution. Promis an der Spitze des "Frauenstreiks"?
Obwohl der Frauenstreik bereits von den Titelseiten polnischer Zeitungen verschwunden ist, sei er immer noch auf den Titelseiten von Frauenzeitschriften zu finden, bemerkt Marcin Makowski im Wochenblatt DoRzeczy. Obwohl Frauenmagazine täglich miteinander konkurrieren, so hätten sie in ihren Dezemberausgaben beschlossen, solidarisch zu sein, und zwar indem sie das Wesen dieser Proteste nicht verstanden hätten.
Sowohl "Elle" als auch "Vogue" sollen ihre Ausgaben mit dem Slogan "Die Macht der Frauen" eröffnen, aber statt Frauen, schreibt Makowski, die auf den Straßen polnischer Städte und Gemeinden wirklich protestierten haben, bekämen Polinnen das Bild prominenter Millionärinnen. Dieses Phänomen der Kommerzialisierung jeglicher Proteste, erklärt der Autor, sei für den Niedergang jeder Revolution und Rebellion in Zeiten sozialer Medien und des Spätkapitalismus charakteristisch. Bewegungen, die von ihrer Natur aus solidarisch und massenhaft sein sollten, würden in der Linse von Smartphones, Instagram-Posts oder der Abhängigkeit von der Akzeptanz durch den freien Markt, zu ihrem eigenen Gegenpol. Der Individualismus ersetze hierbei den Kollektivismus, heißt es in DoRzeczy, den Wunsch, die Realität zu verändern, den Wettlauf darum, wer einen intelligenteren oder bösartigeren Slogan austüftelt, der es in die sozialen Medien schafft.
Auf diese Weise, heißt es am Schluss im Wochenblatt, könne man jede Rebellion auslöschen und sogar die edelste Idee auspusten. Und wenn man irgendwo auf dem Weg noch Geld damit verdienen könne, lautet Makowskis Fazit, dann sei das natürlich ein schöner Nebeneffekt.
Piotr Siemiński