Deutsche Redaktion

Rzeczpospolita: Ein Gesetz zu Gunsten der Desinformation

04.02.2021 12:36
Der veröffentlichte Gesetzentwurf des Justizministeriums zur Online-Freiheit zeige, dass Politiker bemerkt haben, wie sehr sich die öffentliche Debatte unter dem Einfluss sozialer Medien verändert habe. Dies sei eine sehr gute Nachricht, schreibt die konservativ-liberale Rzeczpospolita. Es gebe aber auch eine schlechte Nachricht.
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Der am Montag veröffentlichte Gesetzentwurf des Justizministeriums zur Online-Freiheit zeige, dass Politiker bemerkt haben, wie sehr sich die öffentliche Debatte unter dem Einfluss sozialer Medien verändert habe. Dies sei eine sehr gute Nachricht, schreibt der Journalist Michał Szułdrzyński am Donnerstag in der konservativ-liberalen Rzeczpospolita. Es gebe aber auch eine schlechte Nachricht.

Szułdrzyński nach, sollen die Autoren des Gesetzentwurfs die wirkliche Gefahr, die soziale Medien mit sich bringen, falsch interpretieren. Das Heilmittel für das Übel, soll die Schaffung eines Rates für Meinungsfreiheit sein, der Geldstrafen von bis zu 11 Millionen Euro gegen Social-Media-Plattformen verhängen werde. Der Punkt sei aber, dass es viele Fälle gebe, die zwar legal seien, aber gleichzeitig die öffentliche Debatte dramatisch verzerren. Es seien Algorithmen, die zu sozialer und politischer Polarisierung, Radikalisierung von Internetnutzern oder zur Verbreitung von Verschwörungstheorien führen.

Der Autor überzeugt, dass die Privatisierung der öffentlichen Debatte das größte Problem darstelle. Um dem vorzubeugen, müsse man vor allem klare Regeln für die Moderation von Inhalten auf Plattformen einführen. Der Vorschlag des Justizministeriums gehe aber in eine ganz andere Richtung, überzeugt der Autor, und führe ein Verbot jeglicher Moderation ein.

Geht es nach Szułdrzyński, sei schon der Name der vom Ministerium geschaffenen Institution "Rat für Meinungsfreiheit" verdächtig. Er erinnere an die fiktive Welt von George Orwell und wecke das Misstrauen, dass es bei dem neuen Gesetz in Wirklichkeit nicht um Meinungsfreiheit gehe, sondern nur um Politik.

Teologia Polityczna: Der Virus hat unser Weltbild enthüllt

Das philosophisch-politische Monatsmagazin Teologia Polityczna hat ein Interview mit dem Schriftsteller und ehemaligen Vorsitzenden des Polnischen Fernsehens TVP über die Pandemie durchgeführt. Geht es nach Bronisław Wildstein, so habe der Virus gezeigt, dass Europa, und der Westen im allgemeinen, ihr Weltbild auf einem falschen Fundament aufgebaut haben. Man sei von einem Naturphänomen überrascht worden, weil man tief daran geglaubt habe, die Natur allein zum eigenen Nutzen manipulieren zu können.

Polen, so Wildstein, sei seit den letzten 31 Jahren noch nie mit einer solchen Bedrohung und in einem solchen Ausmaß konfrontiert worden. Ähnliches gelte für die westliche Welt. Es sei sehr lange her, dass Staaten ihren Bürgern eine so weitreichende Unterwerfung und erhebliche Einschränkungen ihrer Freiheiten aufgezwungenen haben.

Andererseits habe sie einen Schock ausgelöst, sowohl unter dem Bürgertum wie auch der herrschenden Elite. Wie der Publizist überzeugt, leben seitdem alle in einer Zeit des großen Unglaubens und Misstrauens. Das sei eine natürliche Konsequenz, so Wildstein. Wenn man in einer Ära der Glaublosigkeit lebe, worauf sollte man dann sein Vertrauen gründen? Es sei bizarr, fährt er fort, dass diejenigen, die die ewigen Formen der kulturellen und religiösen Ordnung in Frage stellen und zum Misstrauen aufrufen, jetzt über das mangelnde Vertrauen der Bürger in den Staat und seine herrschenden Kreise schockiert seien. Man habe geglaubt, dass Experten und Wissenschaftler uns alles erklären könnten und im Stande seien alles zu kontrollieren und jedes Übel zu verhindern. Wenn jetzt die Dinge außer Kontrolle geraten, lautet Bronisław Wildsteins Fazit für Teologia Polityczna, so führe das erneut zu einer Explosion des Misstrauens und Unglaubens.

wPolityce: 180-Grad-Wende in der US Politik gegenüber Nord Stream 2?

Das regierungsnahe Nachrichtenportal wPolityce schreibt am Donnerstag über die Aufruhr, die in polnischen Medien nach der Publikation eines Artikels in der deutschen Presse ausgelöst wurde. Das "Handelsblatt" behauptet nämlich, dass die neue US-Regierung dem Bundestag vorgeschlagen habe, Sanktionen gegen die kontroverse Nord Stream 2 aufzuheben. Dieser Vorschlag soll an die Bedingung geknüpft worden sein, dass Deutschland ein "Lösungspaket", wie es hieß, vorlegen werde, das den amerikanischen Vorbehalten hinsichtlich der negativen Auswirkungen des Gasprojekts auf die Sicherheit Mitteleuropas entgegenkommt.

Es sei schwer zu beurteilen, ob solche Vorschläge von der neuen amerikanischen Regierung gemacht wurden, heißt es in dem Kommentar des EU-Abgeordneten Zbigniew Kuźmiuk für das Nachrichtenportal. Wie er überzeugt, seien Sanktionen gegen Nord-Stream 2 einstimmig von beiden Kammern des Parlaments mit den Stimmen sowohl der Republikaner als auch der Demokraten beschlossen worden und auch gegen die an dem Projekt beteiligten Unternehmen gerichtet.

Sollten sich die Berichte der deutschen Zeitung jedoch als wahr herausstellen, überzeugt Kuźmiuk, so würde dies eine 180-Grad-Wende in der amerikanischen Politik gegenüber Nord Stream 2 bedeuten. Eine solche Situation sei sehr paradox, denn die mögliche Aufhebung der Sanktionen gegen das Gasprojekt durch die neue US-Administration käme zu einem Zeitpunkt, an dem die Kritik an diesem Projekt stark zunehme.

Die Forderungen nach einem deutschen Ausstieg aus dem Projekt seitens des Europäischen Parlaments und großer und wichtiger westeuropäischer Länder, wie letztens Frankreich, seien nur das jüngste Beispiel für die Schwächung des deutsch-russischen Energieprojekts.


Piotr Siemiński