RZECZPOSPOLITA: Freie Zonen „für den gesunden Verstand“
Die polnische Presse bezieht sich auf die gestrige Debatte in Brüssel. Das Europaparlament habe über die Errichtung einer "LGBTIQ Freedom Zone" innerhalb der 27 Mitgliedsstaaten der Europäischen Union debattiert, schreibt die Tageszeitung Rzeczpospolita. Dabei habe sich eine Mehrheit bei der Abstimmung über den Entwurf angedeutet.
Die Abgeordneten wollten mit der Ausrufung eines EU-weiten "Freiheitsraums für LGBTIQ-Personen" auf die "LGBT-freien Zonen" in Polen reagieren. Unterstützung kam auch von EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen. Die CDU-Politikerin habe kurz vor Beginn der Debatte ein Bild in Regenbogenfarben getwittert. "Man selbst zu sein ist keine Ideologie. Das ist eine Identität. Niemand kann das wegnehmen", schrieb von der Leyen.
Eine Gegenrede sei vom EU-Abgeordneten der polnischen Regierungspartei PiS, Professor Ryszard Legutko gekommen, schreibt das Blatt weiter. Den westlichen Regierungen habe Legutko vorgeworfen, die Sprache konsequent zu vergiften. Was habe die politische Korrektheit aber bislang gebracht? – fragte der Politiker und lieferte gleich eine Antwort: einen gegensätzlichen Effekt als erwartet. Daraufhin habe Legutko Statistiken für das Jahr 2019 vorgestellt. Den Studien sei zu entnehmen, dass es weitaus mehr Attacken auf Homosexuelle in westlichen Ländern, wie zum Beispiel Deutschland, als in Polen gab.
Der Politiker habe sich anschließen auch für die Einführung einer „freien Zone für den gesunden Verstand“ eingesetzt. Er wisse, so Legutko, dass es schwierig sei, dennoch empfehle er eine solche Lösung sehr, zitiert die Tageszeitung Rzeczpospolita den Politiker, Professor Ryszard Legutko.
Seit 2019 hatten über 100 polnische Kommunen und Bezirke kritische Gesten gegenüber LGBT-Personen unternommen. Diese Resolutionen sind zwar weitgehend symbolisch, werden aber laut linken Aktivisten als Aufruf zur Gewalt gegen sexuelle und geschlechtliche Minderheiten angesehen.
DZIENNIK/GAZETA PRAWNA: Zahnlose Bisse
Republikanische Kongressabgeordnete würden die Regierung von Joe Biden im Konflikt um die Ostsee-Pipeline Nord Stream 2 vor einem „Deal durch die Hintertür" mit Deutschland warnen, informiert die Tageszeitung Dziennik/Gazeta Prawna. Auf starke Äußerungen der Regierung gegen die Pipeline seien keine ebenso starken Maßnahmen gefolgt, heißt es in den republikanischen Reihen. Man befürchte, dass diese Diskrepanz nur durch den Wunsch erklärt werden könne, Raum für einen Deal durch die Hintertür mit Deutschland zu lassen, hieß es in einem Brief.
Die Republikaner forderten Außenminister Anthony Blinken auf, weitere an dem Projekt beteiligte Unternehmen auf die Sanktionsliste zu setzen. Blinken seinerseits habe bei einem Auftritt vor dem Repräsentantenhaus zugegeben, die deutsch-russische Gaspipeline würde gegen die Energiesicherheit der Europäischen Union verstoßen. Das Vorhaben stelle gleichzeitig eine Gefahr für die wirtschaftliche und strategische Lage der Ukraine aber auch Polens dar.
Auf die Frage, ob die US-Regierung also weitere Sanktionen einführen werde, antwortete Blinken, dass er – ähnlich wie Präsident Biden – diese Investition für eine schlechte Idee halte. Blinken habe versichert, dass sich die USA weiterhin kritisch über diese Investition aussprechen würden. Er habe zugleich darauf hingewiesen, dass er den Posten des Außenministers erst seit 5 Wochen innehabe und die Pipeline seit 2018 gebaut werde und zu 95 Prozent fertig sei. Er bedauere, so Anthony Blinken abschließend, dass es so weit gekommen sei, lesen wir in Dziennik/Gazeta Prawna.
GAZETA POLSKA CODZIENNIE: Vorgezogene Wahlen immer möglicher
Das Nervenspiel in der Regierungskoalition dauere an, stellt in ihrem Kommentar die Tageszeitung Gazeta Polska Codziennie fest. Eine der zwei kleinen Koalitionsparteien kündige erneut an, sich bei der Abstimmung über den EU-Wiederaufbaufond dagegen auszusprechen. Es sei darüber hinaus unklar, wie sich die Opposition verhalten werde, die anfangs für den Fond gewesen sei, nun aber den Regierenden das Leben nicht einfacher machen wolle.
Was nun, fragt das Blatt. Die Politikwissenschaftler würden die Hände ringen: die Situation sei sehr kompliziert, sagt Doktor Jarosław Flis von den Jagiellonen Universität in Krakau. Neben rein politischen Motivationen seien auch psychologische Aspekte im Spiel. Der Anführer der kleinen Partei Solidarisches Polen, Justizminister Ziobro möchte wohl eine wichtigere Rolle in den Regierungsreihen spielen. Dazu könne aber der Chef der wichtigsten Koalitionspartei Recht und Gerechtigkeit Jarosław Kaczyński nicht zulassen, weil er die zentrale Person des konservativen Flügels in Polen sei. Man habe mit einer Situation wie in einer altgriechischen Tragödie zu tun. Es würde keine gute Lösung auf dem Tisch liegen. Keiner wolle vorgezogene Wahlen, die Dynamik könne aber früher oder später zu einer solchen Lösung führen, meint Doktor Flis im Gespräch mit Gazeta Polska Codziennie.
Jakub Kukla