PLUS MINUS: Der Westen hat keine Idee für den Osten
In ihrem Kommentar in der Wochenzeitschrift Plus Minus blickt die Publizistin Irena Lasota auf die gesellschaftlichen und politischen Veränderungen jenseits der östlichen Grenze der Europäischen Union. Vor über einem halben Jahr habe die Welt von großangelegten Protesten in Belarus berichtet. Die belarussischen Bürger hätten mit ihrer Ausdauer und dem Einfallsreichtum viele Kommentatoren tief beeindruckt. Wochenlang habe man in dem östlichen Nachbarland Polens gegen den Autokraten Lukaschenko demonstriert. Doch die schnell vergehende Zeit, die Politik und das Wetter hätten auf der Seite des Präsidenten gestanden. Die Weltöffentlichkeit fand schnell andere interessante Themen: die Pandemie, die Präsidentschaftswahl in den USA oder sogar das uninteressante Paar Megan und Harry. Die namenlosen Belarussen, die für einen besseren Alltag kämpfen, seien in den Hintergrund gerückt.
Besonders stark hätten dabei die westlichen Politiker enttäuscht, stellt die Publizistin fest. Sie meine hier vor allem die Anführer der Vereinigten Staaten aber auch der Europäischen Union. Trotz der vor vier Monaten gewonnen Wahl habe die Administration von Joe Biden keine klare Strategie gegenüber Moskau, geschweige denn Minsk. Die noch von Donald Trump eingeführten Sanktionen gegenüber Belarus würden sich lediglich auf einzelne Personen und mehrere Organisationen beziehen.
Wieso das lächerlich sei, müsse sie wohl nicht erklären, schreibt Lasota weiter. Nord-Stream-2 werde in Kürze fertiggestellt. Die kommenden Monate würden die energetische Zukunft Europas bestimmen und dennoch habe die US-Regierung bis auf einzelne Floskeln nichts zu sagen. Sie bezweifle daher ob Washington oder Brüssel irgendeine Idee hätten, wie man die Ostpolitik in den nächsten Jahren definieren solle, so Irena Lasota in der Wochenzeitschrift Plus Minus.
DZIENNIKA/GAZETA PRAWNA: Die Freiheit eines Poeten
Der polnische Dichter und Essayist Adam Zagajewski ist tot. Er starb im Alter von 75 Jahren in Kraków. Die Tageszeitung Dziennik/Gazeta Prawna erinnert an ein letztes Interview mit dem berühmten Dichter. Zagajewski sprach damals unter anderem von seinem Verständnis der Freiheit. Er sei sehr jung gewesen, als er die Worte von dem Philosophen Henri Bergson gelesen habe, der meinte, dass man Freiheit nicht definieren könne. Diesen Satz habe er sich gemerkt. Freiheit bedeute auch eine Freiheit von Definitionen, sagte der Dichter im Jahr 2019.
Der Mensch stehe immer an einem Scheideweg: er könne das Böse wählen oder aber sich für die Schönheit entscheiden. Man könne sich aber auch zwischen einer freien Improvisation oder dem Recht entscheiden. Viele Künstler würden sich die Freiheit als eine Sphäre ohne Einschränkungen vorstellen. Er glaube aber, dass die Freiheit gewissen Regeln unterliegen müsse. Freiheit bedeute nicht Anarchie, Willkür. Richter müssten sich nach Kodexen richten, für Künstler sei im gleichen Masse die Form ein Bezugspunkt. Sogar freie künstlerische Entscheidungen müssten sich nach bestimmten Regeln richten, sagte Adam Zagajewski.
Zagajewski wurde 1945 im heute ukrainischen Lwiw geboren. Nach einem Psychologie- und Philosophiestudium schloss er sich der Dichterformation „Nowa fala“ an, die mit althergebrachten Konventionen brechen wollte. 1975 unterzeichnete er den regimekritischen „Brief der 59“, der sich gegen geplante Verfassungsänderungen richtete. 1982 emigrierte Zagajewski in den Westen und ließ sich in Paris nieder. Seit 2002 lebte er wieder in Polen.
RZECZPOSPOLITA: Von links nach rechts
Die Tageszeitung Rzeczpospolita berichtet von einem überraschenden Parteiwechsel: die bisherige Vizevorsitzende der Linken, Monika Pawłowska habe ihre Gruppierung verlassen und werde mit der Partei "Porozumienie" von Vizepremier Jarosław Gowin zusammenarbeiten. Es sei wohl der erstaunlichste Wechsel der letzten Monate, wenn nicht gar der gesamten parlamentarischen Amtsperiode.
In einem Gespräch mit dem Blatt erklärt die Politikerin ihren unerwarteten Schritt. Die Linke erinnere sie nicht mehr an jene Gruppierung, die sie von einigen Jahren mitbegründet habe. Damals habe sie mit ihren Kollegen großen Wert auf soziale Angelegenheiten gesetzt. Die heutige Linke konzentriere sich indes nur noch auf weltanschauliche Problematik. Dies sei aber nicht ihr Weg und ihre Vorstellung von Politik. Sie sei sich dessen bewusst, dass sie mit einer Welle von Unmut, wenn nicht gar Hass konfrontiert werde. Sie wolle aber das tun, was sie ihren Wählern versprochen habe. Deshalb habe sie sich für die konservative Gruppierung „Porozumienie“ entschlossen. Sie werde aber nicht Mitglied der Regierungskoalition, sondern bleibe immer noch eine parteilose Abgeordnete, sagt Monika Pawłowska im Gespräch mit Rzeczpospolita.
Jakub Kukla