Deutsche Redaktion

Wie Putin Belarus übernahm

13.07.2021 20:13
Es ist an der Zeit, sich die dramatischste Frage zu stellen, die man sich im Kontext der polnischen Ostpolitik vorstellen kann: existiert Belarus überhaupt noch? 
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Zdjęcie ilustracyjnePAP/AA/Abaca

Es ist an der Zeit, sich die dramatischste Frage zu stellen, die man sich im Kontext der polnischen Ostpolitik vorstellen kann, schreibt der Publizist und langjährige Politiker Paweł Kowal in der Wochenzeitung Polityka. Diese laute: existiere Belarus überhaupt noch? Unsere ganze außenpolitische Doktrin, so Kowal, sei über Jahrzehnte auf der Annahme gebaut worden, dass die Garantie für die Unabhängigkeit Polens die Souveränität von Polens östlichen Nachbarn sei. Darauf also, dass Polen im Osten an Belarus und die Ukraine grenzt, und nicht an Russland. Solange dies der Fall sei, beobachtet der Publizist, werde Moskau nicht imstande sein, zu einer imperialen Politik zurückzukehren, die Polen gefährden könnte.

Das Problem mit dieser Annahme: Just in dem Moment, in dem die moderne belarussische Zivilgesellschaft begonnen habe, zu erwachen, habe Lukaschenka die Unabhängigkeit seines Landes faktisch an Putin verkauft. Im Gegenzug habe er von Putin die Garantie seiner eigenen Sicherheit erhalten sowie die Möglichkeit, weiter an der Macht zu bleiben. Bei dieser Gelegenheit, so Kowal, seien auch viele Illusionen geplatzt, mit denen sich die  polnischen aber auch die Eliten der EU über Jahre hinweg genährt hätten. Darunter etwa die Überzeugung, dass Lukaschenka ein Garant der Unabhängigkeit von Belarus sei.

Die Folgen der Entwicklung der letzten zwei Jahre, warnt Kowal, seien für Polen entsprechend ernst. Denn strategisch gesehen, müsste Polen die Frage der eigenen militärischen Sicherheit und des Verhältnisses zur NATO ganz anders angehen, als bisher. Defacto müsse man die Sicherheit Polens, vor dem Hintergrund der aktuellen Politik Russlands östlich der polnischen Grenze so behandeln, wie man die Sicherheit von Frontstaaten angehe. Bisher habe Polen an Russland nur im Norden durch die Exklave Kaliningrad gegrenzt. Nun sei aber - zum ersten Mal seit über 30 Jahren - die ganze lange Grenze im Osten, nur 170 Kilometer von Warschau entfernt, bloßgestellt. Das mache Polen viel anfälliger für unterschiedliche feindliche Aktionen von Geheimdiensten bzw. für Hybridoffensiven. Die Angriffe von PiS-Fraktionschef Terlecki gegen die belarussische Oppositionsführerin Tichanovskaja für ihre Treffen mit der Opposition in Polen würden klar zeigen, dass die Parteispitze der PiS den Ernst der Lage noch nicht begriffen habe. Vielleicht, so Kowal, werde der Hackerangriff auf den Chef der Kanzlei des Premierminister Michał Dworczyk dies nun ändern.

In der aktuellen Situation, so der Autor, habe Polen also allen Grund, mehr NATO-Truppen auf seinem Territorium anzufordern. Zudem sollten auch die polnischen Rüstungsausgaben steigen, von 2 auf 3-4 Prozent des BIP. Zudem sei auch der Erhalt der Souveränität und des prowestlichen Kurses der Ukraine von kardinaler Bedeutung. Denn ohne die Ukraine werde der Prozess des Brückenbaus nach Osten einbrechen. Daher sei auch die Wiederbelebung solcher Initiativen, wie die Östliche Partnerschaft und zusätzliche Anreize für deren Musterschüler von kardinaler Bedeutung, so Paweł Kowal in der Polityka. 


Autor: Adam de Nisau