Deutsche Redaktion

USA geben Deutschland freie Hand bei Nord Stream 2

23.07.2021 12:56
Ein wichtiges Thema in den Pressekommentaren ist heute das Übereinkommen zwischen den USA und Deutschland zu Nord Stream 2.
Konferencja prasowa Joe Bidena i Angeli Merkel w Waszyngtonie
Konferencja prasowa Joe Bidena i Angeli Merkel w WaszyngtoniePAP/EPA/Alex Edelman / POOL

Ein wichtiges Thema in den Pressekommentaren ist heute das Übereinkommen zwischen den USA und Deutschland zu Nord Stream 2.

Energetyka24.pl: USA geben Deutschland freie Hand bei Nord Stream 2

Wie das Portal Energetyka24.pl erinnert, beschreibt das Abkommen Lösungen für den Fall, dass Russland Nord Stream 2 als politische Waffe missbrauchen sollte. Laut dem Vorschlag, der diese Woche in die Medien durchgesickert war, sollten in einem solchen Fall nicht näher definierte Handlungen gegen Russland auf Landesebene unternommen und Druck auf europäischer Ebene ausgeübt werden. Das Abkommen sehe auch Investitionen in die ukrainische Wirtschaft in Höhe von einer Milliarde Dollar vor. Die Mittel sollen aus dem so genannten “Grünen Fonds” stammen und die erste Tranche in Höhe von 175 Millionen Dollar würde Deutschland beisteuern. Laut Bloomberg sei die Sprache des Abkommens “gezielt zweideutig”, da die USA Russland keine Hinweise zu einer eventuellen Reaktion auf den Missbrauch von NS2 geben wollten. 

Alles in allem, lesen wir, könne man die Skizze des Abkommens als Kapitulation der USA gegenüber deutschen Forderungen und als ein Zugeständnis an Berlin im Thema Nord Stream 2 werten. Die USA hätten keinerlei konkrete Anhaltspunkte in dem Inhalt des Beschlusses und würden Deutschland die Entscheidung über eventuelle Reaktionen auf Russlands Vorgehen überlassen. Die Bundesrepublik habe indes wiederholt bewiesen, dass sie gerne die Augen in Bezug auf russische Verbrechen und Akte der Aggression zudrückt. Wieso sollte es also bei Nord Stream 2 anders sein? Russland schließlich gewinne durch die Entscheidung ein mächtiges geopolitisches Einflussinstrument, den Zugang zum europäischen Markt und eine offene Tür für die Realisierung seiner Pläne in der Ukraine und in Belarus, so Energetyka24.pl. 

TVP Info: Zweites Jalta

Der Nationale Fernsehsender TVP Info macht auf seiner Internetseite auf einen Kommentar des Wirtschaftspublizisten des britischen Tagesblatts “Daily Telegraph” Ambrose Evans-Pritchard aufmerksam. Geht es nach Evans-Pritchard werde NS2 die Gaslieferungen in die EU nicht erhöhen. Stattdessen, so der Publizist, werde die Gasleitung die Lieferungen aus den ukrainischen und polnischen Pipelines auf die baltische Route umlenken, die direkt nach Deutschland führe und direkt im alten Wahlkreis von Angela Merkel lande - in Mecklenburg Vorpommern, wo Arbeitsplätze fehlen würden und das Terminal als Wahlgeschenk diene. Das Hauptziel der Pipeline sei indes, den alten Vasall-Staaten des Warschauer Paktes die Möglichkeit zur Selbstverteidigung zu nehmen. Es sei also vor allem ein Instrument der russischen Außenpolitik. 

Es sei ein Rätsel, so Evans-Pritchard weiter, wieso Deutschland bereit sei, sein großes diplomatisches Kapital für ein Unterfangen von geringem wirtschaftlichen Wert zu opfern - bis hin zur Vergiftung der Beziehungen zu Polen und einer Überreichung der Ukraine an Putin auf einem Silbertablett. Zudem einer, die im Widerspruch zur Grünen Ordnung der EU stehe und zu beträchtlichen Spannungen mit Washington geführt habe. 

Washington, das Deutschland bei seiner Auseinandersetzung mit China brauche, und Berlin hätten das düstere Schicksal der Ukraine besiegelt - ohne jemanden aus Kiev am Verhandlungstisch - und würden dabei so tun, als ob das kein zweites Jalta wäre, zitiert TVP Info den britischen Publizisten Ambrose Evans-Pritchard. 

Gazeta Wyborcza: Biden lässt Polen im Stich

Den Vergleich zu Jalta zieht in seiner Stellungnahme auch der Publizist der linksliberalen Gazeta Wyborcza, Andrzej Kubik. Das Abkommen zwischen Biden und Merkel würde eine Aufteilung der Energiemärkte und die Bestätigung der Dominanz Deutschlands in der EU bedeuten. Der Vertrag erinnere an die schlimmsten Praktiken von Großmächten. Und in unserem Teil Europas an ihre Teilung durch Roosevelt und Stalin. Washington habe seine europäischen Verbündeten in diejenigen aufgeteilt, mit deren Interessen die USA rechnen, also Deutschland und in Verbündete zweiter Klasse aus Mitteleuropa. Deutschland liege es an der Pipeline vor allem, da es dank der Gazprom-Investition zum wichtigsten Hub in der EU für den Handel mit Gas werde. Und die Bedeutung dieses Rohstoffs werde infolge der EU-Klimapolitik steigen, so Kubik. 

Rzeczpospolita: EU statt USA

Wie gehe es nun weiter in dem Konflikt? Die USA hätten Polens Hoffnungen im Kampf gegen Nord Stream 2 enttäuscht. Nun werde Warschau versuchen, seine Rechte in europäischen Institutionen geltend zu machen, beobachtet der Publizist der konservativ-liberalen Rzeczpospolita Jędrzej Bielecki. Denn die Pipeline, so der Autor, könne nicht in Betrieb genommen werden, wenn sie die im EU-Recht verankerten Kriterien nicht erfüllt, darunter die Möglichkeit ihrer Nutzung durch andere Betreiber als Gazprom und die Transparenz von Preisen. Russland wolle sich diesen Bedingungen nicht beugen. Die juristische Schlacht, die sicherlich vor dem Europäischen Gerichtshof enden werde, könne sich über Monate, wenn nicht Jahre hinziehen. Eine ähnliche Bataille in Bezug auf die kleinere Opal-Pipeline, die russisches Gas in Deutschland transportiert, habe Polen soeben gewonnen, so Jędrzej Bielecki in der Rzeczpospolita. 

Autor: Adam de Nisau