Deutsche Redaktion

Wachsende Spannungen auf der Linie Warschau-Washington

06.08.2021 12:23
Der Konflikt um den als oppositionsnah geltenden Fernsehsender TVN könnte einen verheerenden Einfluss auf die polnisch-amerikanischen Beziehungen haben, schreibt in der aktuellen Ausgabe der linksliberalen Tageszeitung Gazeta Wyborcza der Publizist Bartosz Wieliński. Auch das Abkommen zwischen Merkel und Biden zu Nord Stream 2 ist immer noch Anlass für pessimistische Prognosen in der polnischen Presse.
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Gazeta Wyborcza: Kaczyński opfert die Sicherheit Polens für den eigenen Machterhalt

Der Konflikt um den als oppositionsnah geltenden Fernsehsender TVN könnte einen verheerenden Einfluss auf die polnisch-amerikanischen Beziehungen haben, schreibt in der aktuellen Ausgabe der linksliberalen Tageszeitung Gazeta Wyborcza der Publizist Bartosz Wieliński. 

Wie der Autor erinnert, würden die amerikanischen Senatoren seit einigen Jahren in Briefen an die Regierung PiS um den Erhalt der Rechtsstaatlichkeit sowie demokratischer Regeln appellieren. Die Regierung habe diese Appelle bisher stets auf die leichte Schulter genommen und sogar suggeriert, dass die Senatoren keinen blassen Schimmer hätten, was in Polen wirklich passiert und daher besser schweigen sollten. Den neuesten gemeinsamen offenen Brief der Republikaner und der Demokraten, so der Autor, werde man aber nicht so leicht bagatellisieren können. Die Unterzeichneten würden darin warnen, dass ein Anschlag auf TVN “negative Implikationen haben wird, wenn es um die Beziehungen zwischen Polen und den USA im Militär-, Business- und Handelsbereich geht.” In dem Brief sei direkt zu lesen, dass die Regierung PiS Attacken auf TVN unterlassen sollte, bevor diese den vieljährigen bilateralen Beziehungen Schaden zufügen. 

Diese Worte, so Wieliński, würden keine Zweifel daran lassen, dass das amerikanische Parlament, das einen entscheidenden Einfluss auf die Finanzierung der Verteidigungspolitik der USA habe, bereit sei, auf Konfrontationskurs mit Polen zu gehen. Es sei also möglich, dass die USA, im Falle einer Attacke auf den zum US-Konzern Discovery gehörenden Sender, ihren Schutzschirm über Polen verringern, einen Teil ihrer Truppen abziehen, den Verkauf von Waffen an Polen einschränken und Kontakte zwischen polnischen und amerikanischen Politikern einschränken. Präsident Duda werde dann nicht mal mehr in der Lage sein, Biden zu einem gemeinsamen Foto im Flur zu überreden. 

Der Brief aus den USA, so Wieliński, erreiche Warschau in einem Moment, in dem über Polen auch ein Ultimatum der Europäischen Kommission hänge. Brüssel fordere die Ausführung des Urteils des Europäischen Gerichtshofs zur Suspendierung der Disziplinarkammer und drohe mit hohen Strafen sowie der Einfrierung von Mitteln aus dem Wiederaufbaufonds und dem EU-Budget. Und während die PiS versuchen könne, die EU-Kommission ein weiteres Mal auszutricksen, werde dies mit dem US-Senat nicht gelingen. Die EU setze normalerweise auf Dialog und Überzeugungskraft und scheue davor zurück, Stärke anzuwenden. Die Amerikaner würden von ihrer Stärke indes Gebrauch machen, ohne zu zögern. 

Sieci: Mitteleuropa spricht von Verrat

Auch im nationalkonservativen Wochenblatt “Sieci” geht es um die Beziehungen zu den USA, diesmal im Kontext des grünen Lichts von US-Präsident Joe Biden für Nord Stream 2. In Polen, der Ukraine und den baltischen Staaten, schreibt in der aktuellen Ausgabe der Publizist Marek Budzisz, würden die Staats-Eliten nach dem Abkommen zwischen Biden und Merkel zunehmend überzeugt sein, dass die USA bereit seien, ihre Interessen, darunter auch die im Sicherheitsbereich, im Namen der eigenen Partikularinteressen zu opfern. Auch die mit den USA verbündeten arabischen Staaten, wie Jordanien oder Saudi-Arabien, würden sich vermutlich Gedanken darüber machen, was die amerikanische Sanktionspolitik gegenüber dem Iran wohl wert sei, wenn Washington in Bezug auf Nord Stream 2 so leicht nachgegeben habe. Die transatlantische Einheit werde man so auch nicht wiederaufbauen können. Denn wie könne man etwa den Versicherungen von Deutschland trauen, einem Land, dass sich damit brüstet, seine Deklarationen über die Investition von 2 Prozent des BIP in Rüstungsausgaben gebrochen und seine Verbündeten übers Ohr gehauen zu haben. Berlin, erinnert der Publizist, habe im Konflikt um Nord Stream 2 viel gewonnen und nichts geopfert, die USA hätten große Zugeständnisse gemacht, ohne etwas dafür erhalten zu haben. 

In Moskau und in Peking, so der Autor weiter, wachse dadurch die Überzeugung, dass die amerikanischen Sanktionen weder besonders schmerzhaft, noch besonders lang sein werden, was ihren Willen, abzuwarten nur weiter stärken werde. 

Manche Experten, so der Publizist, würden die These vertreten, dass die Zugeständnisse gegenüber Russland ein durchdachtes strategisches Manöver seien und die Schwächung der Beziehungen zwischen Moskau und Peking zum Ziel hätten. Ein ähnliches geopolitisches Manöver habe schließlich Henry Kissinger schon 1971 durchgeführt. Nur, dass China und die UDSSR damals in scharfem politischen Konflikt miteinander standen, was Kissingers Aufgabe viel einfacher machte. Heute hätten wir es dagegen mit einer Freundschaft zwischen Putin und Xi Jinping zu tun. Und es sei schwer vorstellbar, dass Moskau für eine unsichere Allianz mit den USA sein Bündnis mit China aufgeben würde, das zu den Fundamenten der aktuellen russischen Außenpolitik gehört, so Marek Budzisz in Sieci.

Autor: Adam de Nisau