Deutsche Redaktion

"Gowin stellt Kaczyński drei Bedingungen"

09.08.2021 13:04
Die kleine Koalitionspartei von Vizepremier Jarosław Gowin “Porozumienie” tritt nach der Demission einer seiner Vize-Ministerinnen vergangene Woche noch nicht aus der Regierung aus, stellt jedoch drei Bedingungen für ein weiteres Verbleiben in der Koalition. Außerdem ziehen die Kommentatoren Bilanz aus einem Jahr Freiheitskampf in Belarus und machen auf negative Konsequenzen der von der Regierung geplanten Steuerreformen aufmerksam.
Jarosław Gowin
Jarosław GowinPAP/Darek Delmanowicz

Rzeczpospolita: Gowin stellt Kaczyński drei Bedingungen

Weiteres Kräftemessen in der Vereinigten Rechten. Die kleine Koalitionspartei von Vizepremier Jarosław Gowin “Porozumienie” tritt nach der Demission einer seiner Vize-Ministerinnen vergangene Woche noch nicht aus der Regierung aus, stellt jedoch drei Bedingungen für ein weiteres Verbleiben in der Koalition, schreibt in der heutigen Ausgabe die konservativ-liberale Rzeczpospolita. “Die weitere Anwesenheit der Partei in der Vereinigten Rechten und der Regierung hängt vom Rückzug aus dem Plan der drastischen Steueranhebung für mikro-, kleine und mittlere Unternehmen, Änderungen in den geplanten Regeln für die Finanzierung der Kommunalverwaltung, um eine tiefe Finanzkrise in den Kommunen zu verhindern und Änderungen im so genannten “Lex TVN” ab”, erklärt im Interview mit Rzeczpospolita Parteichef Jarosław Gowin. Laut dem Vizepremier schade der Streit um TVN dem Investitionsklima in Polen. Eine Einführung der von der PiS vorgeschlagenen Novelle, so der Politiker, werde die politischen und Handelsbeziehungen zwischen Polen und den USA auf Eis legen. Er teilt auch nicht die Position der Partei von Justizminister Zbigniew Ziobro, Solidarisches Polen zu einem eventuellen Austritt Polens aus der EU. “Die Anwesenheit Polens in der EU ist ein ebenso selbstverständliches Element der polnischen Staatsräson, wie die polnische Mitgliedschaft in der NATO”, so Gowin. 

Die drei von Gowin genannten Bedingungen, urteilt in seiner Stellungnahme der Publizist der Rzeczpospolita Bogusław Chrabota, seien für PiS-Chef Kaczyński nicht hinnehmbar. Er, so der Autor, bezweifle stark, dass Kaczyński im Namen dessen, was sowieso schon verloren sei, also der Einheit der Vereinigten Rechten, einen Kompromiss akzeptieren werde. Viel eher werde er die Determination der Gowin-Partei prüfen und schnellstmöglich zu einer Abstimmung über die umstrittenen Projekte führen wollen. Das Schicksal dieser Gesetze hänge nun in hohem Maße von der Loyalität von Gowin’s Leuten gegenüber demjenigen ab, der sie in die Politik eingeführt habe. Wenn Sie sich von Prinzipien leiten lassen, dann werde die PiS endgültig die Mehrheit im Sejm verlieren. Und damit auch die Möglichkeit, den Gesetzgebungsprozess zu lenken. Dies wiederum werde vorgezogene Parlamentswahlen nach sich ziehen. Wenn indes politische Korruption siege, dann werde Gowin allein bleiben und wir werden einen weiteren Beweis für den Niedergang der polnischen Politik erhalten. 

Uns, so der Autor, stehe also diese Woche mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Konfrontation im Regierungslager bevor. Es sei denn, dass Kaczyński seine Chancen als niedrig einstuft und die konfrontativen Projekte für eine gewisse Zeit auf Eis legt. Dies habe er auch schon mehrmals getan. Das Zählen von Unterstützern, die im polnischen politischen Jargon auch kurz als “Säbel” bezeichnet werden, gehöre zu seinen Hobbies. Wenn die Abstimmungen also von der Agenda der Parlamentsarbeiten genommen werden, dann werde dies bedeuten, dass Kaczyński präzise gezählt habe, so Bogusław Chrabota in der Rzeczpospolita. 


Rzeczpospolita: Ein Jahr von Repressionen

Heute vergeht ein Jahr, seitdem Lukaschenka sich zum sechsten Mal zum belarussischen Staatspräsidenten erklärt hat. Seitdem hätten 35 Tausend Belarussen Repressionen erlitten. Auf der Liste der politischen Gefangenen würden sich 600 Namen befinden. Und etwa 10 Menschen hätten ihr Leben verloren, erinnert die Rzeczpospolita. In den vergangenen Monaten habe der Diktator fast 30 Journalisten hinter Gitter gebracht und alle unabhängigen Medien im Lande neutralisiert. Büros von Organisationen, die sich mit Menschenrechten beschäftigen würden nicht mehr funktionieren, ebenso wie vom Staat unabhängige NGO´s. Zu den Opfern der Repressionen gehöre auch der seit Jahren funktionierende Verband der Polen in Belarus. Zum ersten Mal in der neuesten Geschichte sei aber auch eine Oppositionsführerin erschienen, die internationale Anerkennung gewonnen habe. Tichanovskaja habe sich mit den Spitzenpolitikern vieler westlicher Staaten getroffen, darunter auch mit Joe Biden, erinnert Rzeczpospolita. 


Gazeta Wyborcza: Tichanovskaja an die Polen

Und die linksliberale Gazeta Wyborcza druckt zum heutigen Jahrestag der gefälschten Wahlen in Belarus einen Brief von Tichanovskaja an die Polen ab. Die Belarussen, so die Politikerin in dem Brief, hätten sich im vergangenen Jahr als Nation entwickelt. Und sie sei stolz, dass sie Teil dieses Erwachens sein könne. Der Kampf habe die Belarussen abgehärtet und geeint. Er habe ihnen gezeigt, was Solidarität und Selbstorganisation seien. Und als die Erhebung ausgebrochen sei, hätten Polen und Litauen als erste ihre Hilfe angeboten. “Ihr”, so Tichanovskaja an die Polen, “habt tausende von Belarussen angenommen. Wir bitten Euch um weitere Hilfe. Behaltet in Erinnerung, dass die meisten, die Belarus wegen Verfolgung verlassen haben, aktive, ausgebildete und kreative Menschen sind. Wir sind determiniert. Unser Ziel ist es in einem freien Land zu leben - und wir werden dies erreichen”, so Tichanovskaja in ihrem Brief an die Polen. 


Dziennik/Gazeta Prawna: Ein Zloty und die Ermäßigung ist futsch

Und noch ein Kommentar zu problematischen Konsequenzen des Regierungsprogramms Polnische Ordnung aus dem Wirtschaftsblatt Dziennik/Gazeta Prawna. Es reiche eine zusätzliche Prämie im Dezember, lesen wir im Blatt, und der Angestellte werde dem Fiskus alles zurückgeben müssen, was er in den Monaten zuvor dank der sogenannten Ermäßigung für die Mittelschicht gespart habe. “Es wird zu Situationen kommen, in denen Angestellte am Ende des Jahres auf Gehaltserhöhungen und Jahresprämien verzichten werden, nur um das Gehaltslimit nicht zu überschreiten und die ganze Emäßigung nicht zurückgeben zu müssen”, kommentiert der Steuerberater und Partner in der Kanzlei LTCA, Daniel Wieckowski im Gespräch mit Dziennik/Gazeta Prawna. 

Autor. Adam de Nisau