Deutsche Redaktion

Konflikt zwischen Polen und der Europäischen Union: Nicht nur Polen hat Bedenken

10.09.2021 11:31
Wie die Rzeczpospolita am Freitag schreibt, stellen auch Gerichtsbehörden in Frankreich und Deutschland den Vorrang des EU-Rechts in Frage. Im Gegensatz zu Polen wolle Brüssel ihnen jedoch keine Gelder blockieren.
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Rzeczpospolita: Konflikt zwischen Polen und der Europäischen Union: Nicht nur Polen hat Bedenken

Wie die Rzeczpospolita am Freitag schreibt, stellen auch Gerichtsbehörden in Frankreich und Deutschland den Vorrang des EU-Rechts in Frage. Im Gegensatz zu Polen wolle Brüssel ihnen jedoch keine Gelder blockieren.

Wie wir lesen, habe letzte Woche ein hoher EU-Beamter zugegeben, dass die Verzögerung bei der Genehmigung des polnischen Nationalen Wiederaufbauplans durch Brüssel unter anderem mit dem noch ausstehenden Urteil des Verfassungsgerichts über den Vorrang des europäischen Rechts zusammenhänge.

Im Frühjahr, heißt es weiter, habe auch der Pariser Staatsrat in einem ähnlichen Fall ein Urteil gefällt. Hierbei ginge es aber um die Speicherung von personenbezogenen Daten. Französische Richter hätten entschieden, dass die Dauer der Aufbewahrung solcher Informationen aus Datenschutzgründen durch EU-Recht bestimmt werde. Ausgenommen bleibe aber der Datenfluss, der zur Staatssicherheit beitrage. Hinter dem scheinbar technischen Problem, verberge sich jedoch eine grundsätzliche Frage: Könne der Staatsrat Urteile des Europäischen Gerichtshofs überhaupt bewerten oder seien die Urteile des Gerichtshofs unanfechtbar? Die Europäische Kommission, bemerkt die Rzeczpospolita, habe jedoch in dieser Angelegenheit keine formellen Schritte gegen Frankreich unternommen.

Was mehr, lesen wir des Weiteren, im Mai habe der Europäische Gerichtshof außerdem auch ein formales Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland eingeleitet. Es ginge um ein Urteil des Karlsruher Verfassungsgerichts über Anleihekäufe der EZB zur Ankurbelung der Wirtschaft. Deutsche Richter, so Rzeczpospolita, hätten die Gültigkeit des zustimmenden Urteils des EU-Gerichtshofs in dieser Rechtssache angefochten.

Im Mai habe somit die Europäische Kommission auch in diesem Fall ein förmliches Verfahren gegen Deutschland wegen Verstoßes gegen europäisches Recht eingeleitet. Das Wochenmagazin "Der Spiegel" habe erklärt, dass die Initiative ergriffen wurde, weil Brüssel befürchte, dass der vom Karlsruher Verfassungsgericht geschmiedete Bruch von Warschau und Budapest im Rechtsstreit mit der EU genutzt werden könnte, um die Rechtsstaatlichkeit weiter zu untergraben oder gar einen autoritären Staat aufzubauen.

Hierbei soll aber eine paradoxe Situation entstanden sein, fährt Rzeczpospolita fort, weil der Europäische Gerichtshof gleichzeitig die Unabhängigkeit der Justiz in Polen verteidige und von der deutschen Regierung erwarte, dass sie diese Unabhängigkeit in Deutschland einschränke.

Der Streit habe auch einen politischen Aspekt, fährt das Blatt fort. Laut dem ehemaligen Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts, Andreas Voßkuhle, wolle die Europäische Kommission durch die Übernahme von immer mehr Kompetenzen "eiskalt" versuchen, einen "europäischen Bundesstaat" aufzubauen. Die EU würde die von ihr erworbenen Kompetenzen dann oft extrem weit ausweiten, so dass der Handlungsspielraum der Nationalstaaten und gleichzeitig der Anwendungsbereich der nationalen Verfassungen und der Demokratie auf nationaler Ebene begrenzt würde.


Wirtualna Polska: Kein Trefffen zwischen Präsident Duda und Angela Merkel?

Während ihres Abschiedsbesuchs in Polen am Samstag werde sich Angela Merkel nicht mit Präsident Andrzej Duda treffen, hat das Online-Nachrichtenportal Wirtualna Polska erfahren. Das Portal beschreibt die Hintergründe dieser Entscheidung.

In der vergangenen Woche, seien in polnischen Medien zum ersten Mal Informationen über den Besuch von Angela Merkel aufgetaucht. Ersten Ankündigungen zufolge, sollte die deutsche Bundeskanzlerin an diesem Samstag in Warschau sowohl mit Premierminister Mateusz Morawiecki als auch mit Staatspräsident Andrzej Duda zusammentreffen.

Wirtualna Polska liefert unter Berufung auf einen Informanten aus dem Präsidentenpalast, neue Informationen zu diesem Fall. Der Vorschlag für das Treffen soll demnach nicht mit dem Präsidentenpalast abgestimmt worden sein. Der polnische Präsident habe von dem Treffen mit Bundeskanzlerin Merkel erst aus einem Kommuniqué der deutschen Seite erfahren. Erst später, heißt es weiter, sollen Vertreter der deutschen Botschaft versucht haben, das Treffen zu arrangieren.

So verhalte man sich nicht in der Diplomatie, soll ein Beamter des Präsidenten gegenüber dem Online-Blatt bedauern. Die deutsche Seite habe sich zwar dafür entschuldigt, aber der Präsident soll seine Aktivitäten für Samstag, den 11. September, bereits geplant haben und an den Feierlichkeiten zum 41. Jahrestag der Unterzeichnung des Kattowitzer Abkommens teilnehmen, lesen wir am Schluss.


DoRzeczy: Polen hatte noch nie einen Sprecher für Entschädigungen aus Deutschland

Das Wochenblatt DoRzeczy indes, hat ein Interview mit Elżbieta Rybarska, der Vorsitzenden des Verbands der polnischen Familien der Opfer deutscher Konzentrationslager durchgeführt.

Wie sie betone, sei die Vereinigung aus der Notwendigkeit heraus entstanden, die Polen, vor allem die Familien polnischer Opfer, für den Kampf um die Wahrheit zu mobilisieren. Wie Rybarska erkläre, sollen sich die Familien oft die Frage stellen, was die Regierungskommission in dieser Angelegenheit getan habe, außer Versprechen zu geben, dass sie die Verbrechen der deutsch-österreichischen Barbarei gegen Polen bewerten werde. Die Frage der Wiedergutmachung, fährt sie fort, wollen die Familien dem polnischen Staat überlassen, während polnische Familien, die Erben der Opfer und andere eine Entschädigung erwarten. Bis zum heutigen Tag, erfahren wir, sollen sie nämlich keine, wenn auch nur symbolische, Entschädigung erhalten haben. In den 1990er Jahren seien zwar von der Stiftung "Polnisch-Deutsche Aussöhnung" Geldsummen als Reparationen gezahlt worden. Aber, wie Rybarska erklärt, habe damals sogar der Vorsitzenden dieser Stiftung festgestellt, dass es sich nicht um Reparationen, sondern nur um eine "humanitäre Hilfe" gehandelt habe.

Damit werde eine ganz kurze Wahrheit deutlich, fährt die Vorsitzende fort. Polen habe nie einen richtigen Sprecher in dieser Angelegenheit gehabt, und keine polnische Regierung habe sich jemals so richtig für ihre Bürger eingesetzt. Polen habe auch keine wirksame Lobby wie amerikanische Bürger jüdischer Herkunft, die den Deutschen gedroht hätten, dass sie z. B. ihre Großkonzerne blockieren würden, wenn sie keine Reparationen bekommen. Infolgedessen, heißt es weiter, würden Polen als ein minderwertiger Teil Europas behandelt. Trotz des Leids, der Opfer und der Verbrechen gegen das polnische Volk hätten Polen nie etwas erhalten. Rybarska glaubt sogar, heißt es am Schluss in dem Interview, dass die Bundesrepublik Deutschland Polen schon jetzt als einen unwürdigen Partner betrachte, dem man alles aufzwingen könne.

Als Fazit bedauert sie, dass polnischen Bürger nicht einmal das Recht hätten, vor polnischen Gerichten zu klagen. Diese würden sich nämlich auf die deutsche Immunität berufen und solche Schadensersatzklagen von oben herein abweisen.


Piotr Siemiński