Deutsche Redaktion

"Deutsches Spiel ums Kanzleramt"

28.09.2021 12:37
Wichtiges Thema in der Presse ist natürlich die politische Landschaft nach den Bundestagswahlen in Deutschland. Außerdem: Polen will EU-Kommission vor dem EU-Gerichtshof verklagen. Die Einzelheiten in der Presseschau.
Olaf Scholz, Annalena Baerbock, Armin Laschet
Olaf Scholz, Annalena Baerbock, Armin LaschetPAP/EPA/VARIOUS

Wichtiges Thema in der Presse ist natürlich die politische Landschaft nach den Bundestagswahlen in Deutschland. 

Gazeta Wyborcza: Deutsches Spiel ums Kanzleramt

Darüber, wer der nächste Kanzler wird, werden die kleineren Parteien entscheiden, beobachtet in seinem Kommentar der Publizist der linksliberalen Gazeta Wyborcza, Bartosz Wieliński. Die Grünen und die FDP würden unter sich aushandeln, mit wem sie regieren wollen. In der deutschen Politik, so der Autor, sei das ein Novum. Denn bisher hätten die großen Parteien die kleineren dominiert. Die Anwesenheit der FDP und der Grünen in der Regierung, werde bedeuten, dass Deutschland Kurs auf eine Modernisierung des Landes und tiefere Integration Europas nehmen wird, so Wieliński. 

Rzeczpospolita: Neue Welt ohne Merkel

In der Außenpolitik würde eine Koalition unter der Führung der SPD die größeren Korrekturen bedeuten, schreibt im Aufmacher der konservativ-liberalen Rzeczpospolita der Publizist Jerzy Haszczyński. Scholz als eventueller Kanzler und Annalene Baerbock als wahrscheinliche Außenministerin seien beide Befürworter des Mottos “Mehr Union in der Europäischen Union”. Systematische Geldtransfers für den ärmeren Süden der EU inbegriffen. Die FDP indes sei entschieden gegen solche Transfers und werde vermutlich eine Koalition mit Laschet vorziehen. 

Für Polen, so Haszczyński weiter, könnte eine Koalition unter der Führung von Scholz problematisch sein. Sie würde den hohen Stellenwert solcher Werte wie Rechtsstaatlichkeit und Demokratie unterstreichen. Nur Laschet würde ankündigen, dass man Polen “trotz gewisser Unterschiede” in Bezug auf das Thema Rechtsstaatlichkeit nicht abstoßen sollte, denn am wichtigsten sei die Einheit der EU. Andere würden deklarieren, dass die gemeinsamen Werte am wichtigsten seien. 

In Bezug auf Russland seien Laschet und Scholz ähnlich nachsichtig, auch eine striktere Haltung der Grünen werde hier nicht viel ändern. Und das Thema Nord Stream 2 sei für sie nicht wichtig genug, um deswegen in der Opposition bleiben zu wollen. Hier können weiterhin nur amerikanische Sanktionen etwas ändern, so Jerzy Haszczyński in seiner Prognose zur deutschen Außenpolitik nach den Bundestagswahlen. 

Gazeta Polska Codziennie: Wir werden Merkel noch vermissen

Erwartungsgemäß etwas zugespitzter die Diagnose in der nationalkonservativen Gazeta Polska Codziennie. Die Fortsetzung des Dialogs mit Russland, Domination in Europa, Abneigung gegen die Drei-Meeres-Initiative - das seien die Ziele des Kabinetts Scholz, schreibt in seinem Kommentar der Publizist Tomasz Teluk. Auf Nord Stream 2 werde Berlin nicht verzichten. Dafür könne man zusätzlichen Druck in Bezug auf den Umweltschutz erwarten, was Appelle an Polen nach sich ziehen werde, Gruben zu schließen und auf den Bau eines Kernkraftwerks zu verzichten. Die Sozialdemokraten hätten auch stärkeren Druck auf Polen im Zusammenhang mit der Justizreform angekündigt. Alles nur, damit Berlin-freundlichere Politiker an die Macht zurückkehren, wie die Bürgerplattform und Donald Tusk, so Tomasz Teluk in der Gazeta Polska Codziennie. 

Dziennik/Gazeta Prawna: Polens Charge zum Wiederaufbauplan

Und noch ein EU-Thema. Die polnische Regierung erwägt eine Klage an den Europäischen Gerichtshof gegen die Europäische Kommission. Der Grund sei die Untätigkeit der Kommission in Bezug auf den Nationalen Wiederaufbauplan, schreibt in ihrem heutigen Aufmacher das Wirtschaftsblatt Dziennik/Gazeta Prawna. “Wir erwägen einen solchen Schritt, aber der Stock hat zwei Seiten. Denn dann kann die EU-Kommission sagen “ok, dann warten wir das Urteil ab”. Und dann würde der Nationale Wiederaufbauplan noch später starten”, sagt ein Regierungsvertreter im Gespräch mit dem Blatt. Daher kämen auch andere Schritte in Frage. Die Regierung habe etwa schon einen Katalog von Themen vorbereitet, die Einstimmigkeit erfordern und die Polen im Rahmen einer Vergeltungsmaßnahme blockieren könnte. Zudem wolle die Regierung auch das neue Reformpaket zum Justizsystem erst präsentieren, wenn der Wiederaufbauplan nicht mehr blockiert wird. 

Im Wiederaufbauplan würden die EU-Mitgliedsstaaten definieren, wie sie die Mittel aus dem Wiederaufbaufonds nutzen wollen. Im Falle von Polen gehe es um etwa 24 Milliarden Euro an Zuschüssen, so Dziennik/Gazeta Prawna.

Autor: Adam de Nisau