Deutsche Redaktion

"Das Atom und das verlorene Jahrzehnt"

15.02.2022 13:09
2029 könnte in Polen das erste, sogenannte kleine Atomkraftwerk entstehen. Und: Millionäre verlassen die Ukraine. Mehr unter anderem zu diesen Themen heute in der Presseschau.
Die polnische KGHM ist einer der grten Kupfer- und Silberproduzenten der Welt.
Die polnische KGHM ist einer der größten Kupfer- und Silberproduzenten der Welt.Shutterstock/hxdyl

Rzeczpospolita: Das Atom und das verlorene Jahrzehnt

2029 könnte in Polen das erste, sogenannte kleine Atomkraftwerk entstehen, schreibt in ihrem heutigen Aufmacher die konservativ-liberale Tageszeitung Rzeczpospolita. Ein entsprechendes Abkommen habe der polnische Kupfer-Gigant KGHM am Montag mit der amerikanischen Firma NuScale Power unterzeichnet. Insgesamt, erinnert die Zeitung, sei in dem Abkommen von 12 Reaktoren die Rede, die allesamt Ende der 20., Anfang der 30. Jahre entstehen sollen. Solche kleinen Kraftwerke würden, wie das Blatt betont, noch nirgendwo kommerziell funktionieren, das erste soll erst 2028 in Kanada entstehen. Orlen und KGHM wollen, dass ihre Kraftwerke in Polen ein Jahr später in Betrieb genommen werden. Auch die Pläne in Bezug auf große AKW´s würden konkreter werden. Ende Sommer, Anfang Herbst dieses Jahres sollen die staatlichen Polnischen Atomkraftwerke einen Partner für das Unterfangen wählen. Favorit sei das amerikanische Westinghouse. Zu der neulichen Beschleunigung der Gespräche hätten die Spannungen in den Beziehungen zu Russland sowie die Energiekrise beigetragen, so Rzeczpospolita.

Und es sei auch allerhöchste Zeit, dass in diesem Bereich endlich Fortschritte erzielt werden, schreibt in seiner Stellungnahme der Publizist Paweł Rożyński. Denn die letzten zehn Jahre seien in Bezug auf die Kernkraft in Polen vergeudet worden. Auch, da es sich für die Regierungspartei in dieser Zeit mehr gelohnt habe, statt Kraftwerken Wähler zu kaufen. Die Kosten nur eines großen Atomkraftwerks würden sich auf 40 Milliarden Złoty belaufen. Das sei mehr, als die jährlichen Gesamtkosten des Familienförderprogramms 500+ und der zusätzlichen, 14. Rente für Senioren. Nun deklariere Vizepremier Jacek Sasin, dass die Atomkraft in Polen zu einer Tatsache werde. Herr Minister, wir nehmen sie beim Wort. Und warten auf eine wahrlich atomare Beschleunigung, so Paweł Rożyński in der Rzeczpospolita. 

Dziennik/Gazeta Prawna: Diplomatisches Marathon dauert an

Damit zu einem Blick auf die Kommentare zur Situation in der Ukraine. Der diplomatische Marathon, der Russland vor einer Eskalation des Konfliktes mit der Ukraine abhalten soll, dauert an, beobachtet in der heutigen Ausgabe das Wirtschaftsblatt Dziennik/Gazeta Prawna. Heute, erinnert die Zeitung, würden Bundeskanzler Olaf Scholz und der polnische Außenminister Zbigniew Rau, der in diesem Jahr die Arbeiten der OSZE leitet, in Moskau Gespräche zu dem Thema führen. Gestern habe der russische Außenminister Sergej Lawrow Putin laut Medienberichten überzeugt, dass noch Chancen auf eine Verständigung bestehen, so Dziennik/Gazeta Prawna. 

Gazeta Wyborcza: Millionäre verlassen die Ukraine 

Das Risiko einer Aggression würde die westlichen Staaten in größere Furcht versetzen, als die Ukrainer selbst, beobachtet die linksliberale Gazeta Wyborcza. Die einzige Ausnahme, so die Zeitung, scheinen die ukrainischen Oligarchen zu sein. Allein am Sonntag hätten 20 kleine private und Charter-Jets mit ukrainischen Millionären und ihren Familien an Bord den Flughafen in Kiew verlassen, auch am Montag sei der Exodus fortgesetzt worden. So habe etwa der Abgeordnete der Partei Oppositioneller Block - Für´s Leben Ihor Abramowycz ein 50-Personen-Flugzeug für seine Verwandten und Business-Partner bestellt. Der reichste Ukrainer Rinat Achmetow habe das Land, ähnlich wie der Schwiegersohn von Ex-Präsident Leonid Kuczma und Oligarch Wiktor Pińczuk, schon am 30. Januar verlassen. Der Geschäftspartner von Achmetow, Wadym Nowiński sei am 10. Februar nach München geflogen. Am selben Tag sei der Eigentümer von Metalista Charków Oleksandr Jarosławski ausgereist. Dessen Autokolonne habe zuvor eine Person tödlich angefahren, weswegen die Staatsanwaltschaft Jarosławski zu einer Rückkehr in die Ukraine aufgerufen habe, schreibt die Gazeta Wyborcza. 

Rzeczpospolita: Pokerspiel um die Ukraine

In dem Konflikt habe Russland bis dato immer noch die etwas besseren Karten in der Hand, schreibt schließlich Jędrzej Bielecki von der Rzeczpospolita. Erstens habe der Kreml in den letzten Jahren schon viele militärische Operationen durchgeführt, darunter in Tschetschenien, Georgien und Syrien. Für den Westen indes sei ein Krieg an den NATO-Grenzen immer noch unvorstellbar. Auch der Bau einer gemeinsamen Front falle dem Westen schwer. So würde Deutschland etwa den Willen signalisieren, Nord Stream 2 zu retten und der französische Präsident Macron würde in dem Konflikt punkten wollen, um sich eine Wiederwahl zu sichern. Russland und seine Satelliten-Staaten Belarus und Kasachstan hätten dieses Problem nicht. Der Westen verteidige das etwas abstrakte Konzept “Freiheit” auf der Welt, während Putin etwas viel Konkreteres wieder aufbauen wolle: das russische Imperium. 

Die Signale, dass der Westen als erster zurückweichen könnte, würden sich mehren. So würden die diplomatischen Stellen ihre Mitarbeiter aus Kiew evakuieren, Fluglinien würden auf Flüge in die Ukraine verzichten und die Aktienkurse auf den Börsen würden einbrechen. Vor allem Deutschland und Frankreich würden Druck auf Kiew ausüben, die russische Interpretation der Minsker Abkommen zu akzeptieren und umzusetzen. Umso wichtiger würden die kommenden Tage sein. Wenn der Westen sich nicht beuge, werde Putin unter Zugzwang stehen und nach Wegen suchen müssen, ohne Gesichtsverlust eine Deeskalation anzustreben und für die russische Wirtschaft schmerzhafte Sanktionen zu vermeiden, so Jędrzej Bielecki in der Rzeczpospolita. 

Autor: Adam de Nisau