Deutsche Redaktion

"Justizreform vor Korrekturen"

16.02.2022 10:10
Es sei nicht ausgeschlossen, dass es im Streit um die polnische Reform des Justizwesens zu einem Durchbruch kommen werde, schreibt in seinem Kommentar in der Tageszeitung Rzeczpospolita der Publizist Michał Szułdrzyński. Solange die Regierung in Warschau bei ihrer Meinung beharrte, war ein konstruktives Gespräch mit der Europäischen Union unmöglich. Sobald sich aber die Politiker in Warschau kompromissbereiter zeigten, habe Brüssel die Verhandlungen mit der polnischen Regierung erneut aufgenommen.
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RZECZPOSPOLITA: Justizreform vor Korrekturen

Die Auszahlung der Gelder aus dem Wiederaufbaufonds sei in erster Linie mit der politischen und nicht der juristischen Lage in Polen verbunden gewesen, urteilt der Publizist. Da Polen eine politische Geste gemacht und die Auflösung der umstrittenen Disziplinarkammer angekündigt habe, könne die EU-Kommission die Aufhebung der Blockade von EU-Geldern in Erwägung ziehen. Die Bedenken eines Teils der Opposition, die die vom Präsidenten und der regierenden Partei vorgeschlagenen Gesetzesvorschläge kritisiere, weil sie das eigentliche Problem nicht lösen würden, mögen zwar richtig sein. Aus einem rechtlichen Gesichtspunkt bleibe der Status der Landesjustizkammer und der von ihr ernannten Richter weiterhin fraglich. Das sei aber nicht der eigentliche Sinn des Tauziehens zwischen Warschau und Brüssel. Die Kommission habe die Auszahlung des Wiederaufbaufonds blockiert, weil sich die polnische Regierung davor geweigert habe, die Richtlinien des Europäischen Gerichtshofes in Straßburg umzusetzen. Dabei sei es den europäischen Richtern vor allem darum gegangen, die Disziplinarkammer aufzulösen und den von ihr ausgeschlossenen Richtern die Wiederaufnahme ihrer Arbeit zu garantieren. Sowohl der Vorschlag des Präsidenten als auch der regierenden PiS-Partei würden mehr oder weniger diesen Forderungen genug tun.

Die Kommission sei sich dessen bewusst, dass die polnische Regierungspartei alle in der Justizreform bereits unternommenen Schritte nicht korrigieren werde. Doch sie wisse zugleich zu schätzen, was es bedeute, wenn sich der Parteichef Jarosław Kaczyński kompromissbereit erkläre. Der Gesetzesvorschlag des polnischen Staatsoberhaupts, der den Regierungschef zum Handeln bewogen habe und dem nach wenigen Tagen dann ein Vorschlag der Regierungspartei gefolgt sei, bedeute, dass Kaczyński den langwierigen Streit mit der Kommission endlich beenden wolle. Es sei ein gewaltiger Durchbruch im politischen Denken von Kaczyński und wie es scheint, wisse die EU-Kommission dies zu schätzen, schreibt Michał Szułdżyński in der Rzeczpospolita. 

DZIENNIK/GAZETA PRAWNA: Das Ende der deutschen Arroganz 

In Anlehnung an den Tagesspiegel überlegt das Blatt Dziennik/Gazeta Prawna, ob es zu einem Wandel in der deutschen Russland-Politik kommen werde. Werde er „es“ noch während der Olympischen Spiele tun? Werde er den Angriffsbefehl vielleicht sogar schon erteilen, während Bundeskanzler Olaf Scholz noch auf dem Rückflug von Moskau nach Berlin sei? – fragt die Tageszeitung in Bezug auf Putins Pläne einer militärischen Offensive. Auch, wenn man die von der US-Regierung medienwirksam aufbereiteten Geheimdienstberichte über den angeblich unmittelbar bevorstehenden russischen Einmarsch in die Ukraine für einen Teil der psychologischen Kriegsführung haltet: immer weniger politische Beobachter würden noch glauben, dass Wladimir Putin seine Truppen einfach zurückziehen werde. Ob Putin die Soldaten einmarschieren lasse oder nicht, die Zeitgeschichte werde sich nun in die Phase vor und die nach der Ukraine-Krise aufteilen. Und Deutschland müsse umdenken.

Dies beziehe sich in erster Linie auf die wirtschaftlichen Kontakte. Jahrelang habe man in Berlin gedacht, dass eine enge wirtschaftliche Zusammenarbeit der sicherste Garant von stabilen politischen Kontakten sein würde. Die Bundesrepublik habe immer wieder amerikanische und europäische Warnungen vor einer zu weiten Abhängigkeit von russischen Ressourcen zurückgewiesen. Man habe auf Moskau immer als auf einen stabilen und vorhersehbaren Partner gezeigt. Den Höhepunkt der deutschen Arroganz und Blindheit auf die Bedenken und Ängste der europäischen Nachbarn bildete die Einstellung Berlins dem Bau von Nord-Stream-2 gegenüber. Die leeren deutschen Gas-Depots seien keinem Zufall, sondern einer russischen Erpressungspolitik zu verdanken, schreibt das Blatt. 

PLUS/MINUS: Politik ist wie Showbusiness 

In einem Gespräch mit der Wochenzeitschrift Plus Minus erinnert sich der Musikstar und ehemaliger Oppositionspolitiker Piotr Liroy Marzec an seine kurze Karriere in der Politik. Es sehe sehr viele Gemeinsamkeiten zwischen dem Musikgeschäft und der Politik, sagt er. Auch im politischen Alltag sei die Selbstdarstellung von großer Bedeutung, deshalb würden sich die Politiker so sehr um die Gunst der Medien bemühen. Jede wolle auftreten, auch wenn er Angelegenheiten kommentieren solle, über die er keine Ahnung habe. Die Politiker würden um die Popularität genauso wie Künstler kämpfen. Vielleicht würden viele Stars in der Politik so gut funktionieren, weil sie bereits mit den Medien gut auskommen können, überlegt der Rapper.

Gefragt nach der aktuellen politischen Situation sagt Liroy, wenn die jetzige Opposition imstande sei, die Macht zu übernehmen, dann solle sie es auch tun. Vorher sollte sie aber erklären, wie sie sich die Zukunft des Landes vorstelle, denn bislang sehe er keine überzeugenden Gegenalternativen. Und junge Menschen wünschten sich, seiner Ansicht nach, etwas mehr als nur eine primitive politische Schlägerei, sagt Piotr Liroy Marzec in der Wochenzeitschrift Plus Minus.


Jakub Kukla