Rzeczpospolita: Putin geht in den Krieg
Die Geschichte hat beschleunigt, schreibt zu den Ereignissen der letzten Tage der Publizist der konservativ-liberalen Rzeczpospolita Jędrzej Bielecki. Am Montagabend, erinnert Bielecki, hätten sich auf dem Kreml die Chefs aller Militärressorts und all diejenigen versammelt, die über reale Macht in Russland verfügen und dem Kreml-Chef in Übereinstimmung mit dem vorgeschriebenen Skript das gesagt, was er hören wollte: Dass die Ukraine sich auf eine Invasion der 2014 von ihr abgetrennten Gebiete vorbereite und dies die Einleitung zu einem Völkermord an der russischsprachigen Bevölkerung sein werde. Es sei denn, Moskau eile den Landsleuten zur Hilfe. Noch am selben Tag habe Putin also eine Rede an die Nation gehalten, die Unabhängigkeit der “Volksrepubliken” anerkannt und Soldaten auf ihr Territorium geschickt. Auf der darauffolgenden UNO-Sondersitzung zu den Ereignissen sei Russland völlig isoliert gewesen. Nicht einmal China habe Putin gestützt und die territoriale Souveränität der Ukraine unterstrichen. Eines, so Bielecki, sei sicher. Putins Entscheidung schließe die Implementierung des Minsker Abkommens aus, dessen Kern in der Rückkehr der Separatisten-Regionen in die Ukraine im Gegenzug für die Sicherung ihrer weitreichenden Autonomie durch Kiew bestand. Und ein anderes Verhandlungsformat gebe es derzeit nicht. Die Diplomaten würden sich daher plötzlich in einem Vakuum befinden, beobachtet Bielecki.
Rzeczpospolita: “Putin hasst uns und rächt sich an der Ukraine”
Putin sei von der Idee besessen, sich die Ukraine untertan zu machen, sagt im Gespräch mit der Rzeczpospolita der ukrainische Schriftsteller Jurij Andruchowycz. Die Eroberung der Ukraine, so der Literat, sei zu seinem Lebensziel geworden. Und nun sei Putin der Meinung, dass ein guter Moment gekommen ist. Der Westen sei sehr schwach und entsprechend schwach werde auch die Reaktion ausfallen. Putin wolle sich mit dem Angriff an den Ukrainern unter anderem für die zwei Revolutionen in Kiew und die Ablehnung seiner politischen Marionetten rächen. Vom Westen, so Andruchowycz, würde er nun das erwarten, was er schon von Beginn an erwartet habe: die Anwesenheit von NATO-Soldaten in der Ukraine. Es müsste sich nicht um eine Entscheidung der ganzen NATO handeln, sondern die eines oder zweier NATO-Mitgliedsstaaten, die ihre Einheiten in die Ukraine entsenden würden. Das, so Andruchowycz, wäre das einzige, was eine weitere Eskalation verhindern könnte. Stattdessen hätten die Chefs der NATO-Staaten jedoch von Beginn an betont, dass keine Soldaten in die Ukraine entsendet werden. Für ihn klinge das, wie eine Einladung zur Aggression. Und an andere Sanktionen, so der Schriftsteller, würde er nicht glauben. Diese würden im Falle eines Fanatikers nicht funktionieren. Putin würde derzeit überhaupt nicht an die Wirtschaft denken. Stattdessen sei er von seiner militärischen Macht geblendet. Zudem würden wir derzeit auch einen Anstieg der Ölpreise beobachten, was für Russland eine gute Nachricht sei. Und wenn Putin sehe, dass ihm alles gelinge und der Westen sich nicht zu drastischen Schritten durchringe, dann werde der Kreml-Chef sicherlich es sicherlich nicht bei der Eroberung Ukraine belassen wollen, so Jurij Andruchowycz im Interview für die Rzeczpospolita.
Dziennik/Gazeta Prawna: Zwei Instrumente, der Ukraine zu helfen
Der Westen hat generell zwei Instrumente, um Putin von einer weiteren Eskalation abzubringen, sagt indes im Gespräch mit dem Wirtschaftsblatt Dziennik/Gazeta Prawna der Chef des Polnischen Instituts für Internationale Angelegenheiten Sławomir Dębski. Das erste seien die finanziellen Kosten der Sanktionen für Russland. Das zweite sei die Unterstützung der Ukraine. Die Ukrainer, so Dębski, würden die Verluste durch die Kriegsgefahr schon jetzt auf 3 Milliarden Dollar schätzen. Die deutsche Außenministerin Annalene Baerbock habe zuletzt gesagt, dass Deutschland bereit ist, die wirtschaftlichen Kosten der Krise zu schultern. Nun müsse man Deutschland an diese Deklaration erinnern. Denn Deutschland trage eine große Verantwortung für die aktuelle Situation. In den letzten 20 Jahren habe die Bundesrepublik in Russland investiert, Pipelines gebaut und erklärt, dass dies die Demokratie durch Handel stärken wird. Nun wäre es angebracht, sich in der Ukraine zu engagieren, um die Mitverantwortung an der Zerstörung der Sicherheitsordnung in Europa zu kompensieren. Polen, so Dębski, werde als Staat der NATO-Ostflanke Deutschland und seinen Seelenfrieden verteidigen. Wenn Deutschland jedoch selbst nicht aufrüsten wolle, dann sollte es wenigstens seinen Verbündeten helfen, dies zu tun. Dasselbe betreffe die USA, die in ihren Magazinen einige Tausend Panzer hätten. Das seien keine neuen Panzer, aber trotzdem weitaus besser, als die polnischen T-72. Wozu sollten sie in Texas bleiben? Die Amerikaner sollten erwägen, diese Panzer Polen zur Verfügung zu stellen, so Dębski im Gespräch mit Dziennik/Gazeta Prawna.
Gazeta Wyborcza: Entweder Europa, oder Putins Russland
Und der Publizist der linksliberalen Gazeta Wyborcza Bartosz Wieliński appelliert an die Regierung, sich klar von anti-europäischen und mit Russland sympathisierenden Politikern, wie Marine Le Pen, Matteo Salvini oder Viktor Orban zu distanzieren. Heute müsse man klar sagen: Wer die Europäische Union schwächen wolle, handle im Interesse Russlands. Daher sei es jetzt höchste Zeit, den sich seit sechs Jahren hinziehenden Konflikt mit der EU zu beenden und die vollständige Unabhängigkeit von Richtern wiederherzustellen. Entweder Europa, oder Putins Russland. Einen dritten Weg gibt es nicht, so Bartosz Wieliński in der Gazeta Wyborcza.
Autor: Adam de Nisau