Deutsche Redaktion

"Keine Aussicht auf Frieden. Der Krieg wird lang und grausam sein"

02.03.2022 12:32
Sechs Tage nach Beginn der Invasion hat Wladimir Putin noch keines seiner erklärten Ziele erreicht. Ukrainische Großstädte entziehen sich weiterhin seiner Kontrolle. Statt - wie er erwartet hatte - Menschenmengen, die den russischen Soldaten zujubeln, ist er auf den heldenhaften Widerstand der Ukrainer gestoßen. Und die Welt hat mit Sanktionen reagiert, die sich der Kreml nie hätte vorstellen können. In dieser Situation greift der russische Staatschef zu brutalen Methoden, die er in Tschetschenien und Syrien ausprobiert hat. 
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Rzeczpospolita: Keine Aussicht auf Frieden 

Könne die kommende Katastrophe durch Diplomatie aufgehalten werden? Der britische Premierminister, der am Dienstag in Warschau zu Gast war, mache aus seinem Pessimismus keinen Hehl. In einem Interview mit "Rzeczpospolita" sagte Boris Johnson, er habe keine Zweifel: Putin, der seiner Meinung nach "bereits alle Verhaltensregeln der zivilisierten Welt gebrochen hat", werde "die Schraube weiter festziehen". Für dieses "barbarische Verhalten" würde sich sein Regime vor dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag verantworten müssen. Doch auch wenn der britische Premierminister davon überzeugt sei, dass Putin letztendlich verlieren werde, müsse die Ukraine bis dahin noch eine harte Prüfung bestehen. Und mit ihr der Rest der Welt, überzeuge Johnson.

Angesichts dessen, was man aktuell erlebe, fährt Großbritanniens Regierungschef fort, wäre es äußerst schwierig, Wladimir Putin als Gesprächspartner zu betrachten. Nach dem, was er getan habe, sei das unmöglich. Das sei das grundlegende Problem, vor dem man derzeit stehe. Johnson sei für Verhandlungen, für die Suche nach einer Lösung. Aber wie könne man mit jemandem reden, heißt es, der Panzer nach Kiew schicke? Der unschuldige Zivilisten bombardiere? Dies sei die gegenwärtige Realität, heißt es.

Auf die Frage über geplante Gegenmaßnahmen, betone Johnson, dass der Westen die Sanktionen gegen Russland verschärfen werde, u. a. durch die weitere Sperrung des SWIFT-Transaktionssystems und das Einfrieren von Vermögenswerten der mit Putin verbundenen Oligarchen. Aber sowohl das Vereinigte Königreich als auch der Rest des Westens werde keine Flugverbotszone über der Ukraine für russische Militärflugzeuge einrichten. Denn für die NATO, sagt Johnson am Schluss für "Rzeczpospolita", würde dies einen direkten Zusammenstoß mit Russland bedeuten.


Rzeczpospolita: Wie wird der Krieg in der Ukraine Polens Politik verändern? 

Die Aggression Russlands gegen die Ukraine habe bereits die polnische Innenpolitik verändert und werde sie noch für lange Zeit beeinflussen, schreibt indes Michał Kolanko ebenfalls in der Rzeczpospolita. Der Einmarsch Russlands in die Ukraine habe bereits zu einer Art Rückzug des politischen Streits geführt - oder zumindest zu seiner Verschiebung, lesen wir. In ähnlicher Weise seien in der ersten Phase der Coronavirus-Pandemie alle Themen, die vorher wichtig waren, zweitrangig geworden. Es bestehe aber auch kein Zweifel daran, dass der Streit früher oder später wieder ausbrechen werde, so der Autor.

Erst einmal wachse aber unter Polens Politikern die Überzeugung, dass es kontraproduktiv sei, den Streit mit den Methoden der vergangenen Jahre fortzusetzen. Die politischen Parteien, insbesondere die Oppositionsparteien, könnten jetzt vor allem nur zwei Dinge tun, heißt es im Blatt: Erstens, gemeinsam mit der Regierung und lokalen Verwaltungen die Flüchtlinge aus der Ukraine unterstützen. Und genau das geschehe, so die Zeitung, und zwar in einem großem Ausmaß.

Zweitens: Man müsse an der Anpassung des polnischen Rechts an die neuen Bedingungen, vom Arbeitsrecht bis zur Verteidigung, konstruktiv zusammenarbeiten. Dies, glaube Kolanko, werde in den kommenden Wochen und Monaten geschehen. Aktuell würden vor allem Sicherheitsfragen im Vordergrund stehen, von Energie über Lebensmittel bis hin zu Verteidigung und Außenpolitik. Über all diese Fragen könnte es natürlich Streitigkeiten geben, lesen wir, aber die Umstände würden ihre Gestalt verändern. Die Trennungslinien würden bereits gezogen werden, fährt der Autor fort. Sie würden unter anderem durch den Patriotismus und sein Verständnis definiert. Darunter die Sichtweise auf die Beziehungen zu Brüssel und Energiefragen, was die Existenzgrundlage jedes Bewohners betreffe.

Wie der Autor am Schluss bemerkt, sollen Politiker der größten Oppositionspartei PO aber derzeit immer wieder auf die guten Beziehungen der Regierungspartei PiS zu Viktor Orbán oder auf die Treffen von Ministerpräsident Morawiecki mit Politikern wie Marine Le Pen erinnern. Auch das Regierungslager habe ihre Argumente, heißt es abschließend. Sie würden im Gegenzug die Politik von Angela Merkel, Donald Tusk und Nord Stream 2 zurückrufen. 


DoRzeczy: Putin beginnt, ums Überleben zu kämpfen, und das ist ein Problem 

Das Wochenblatt DoRzeczy indes schreibt, Putin begreife allmählich, dass er in diesem Krieg einen gewissen Sieg erringen müsse. Falls er dies nicht schaffe, würde seine Herrschaft wahrscheinlich auf eine harte Probe gestellt. Er könnte auch ganz von der Macht entfernt werden. Und genau dies sei heute eines der Hauptprobleme. Putin beginne nicht nur um die Eroberung der Ukraine zu kämpfen, sondern auch um sein Überleben als russischer Machthaber. Man dürfe allerdings nicht vergessen, fährt Dorzeczy fort, dass Russland eine Atommacht sei und die Quelle vieler anderer gefährlicher Ereignisse weltweit. Gerade wegen des nuklearen Status Russlands dürfe man ein Machtwechsel nicht in Form eines Chaos verursachen, lesen wir. Hierbei müsse man sich an die Zeit des Zusammenbruchs der Sowjetunion erinnern, als alle um die Zukunft der Atomsprengköpfe fürchteten. Es sei deshalb wichtig, dass der Westen eine härtere Haltung einnimmt als 2014. Damals hätten die Amerikaner, trotz lauter Warnungen der Nachbarn Russlands, nicht genug Entschlossenheit gezeigt. Und genau dies habe Putin nur zu weiteren Schritten ermutigt.

Heute, so das Blatt, bestehe die Chance, dass der Westen eine härtere Haltung einnehme. Dies lasse hoffen, dass Russland in die Defensive gerate, wenn die Ukrainer weiterhin erfolgreich Widerstand leiste. Alle könnten sehen, heißt es weiter, dass es für Putin schwierig sein werde, aus diesem Konflikt ohne große Kosten herauszukommen. Jeder Tag, an dem die Ukrainer ihre Städte verteidigen, lasse die Kosten für den Kreml ins Unermessliche steigen. Es liege daher im Interesse Russlands, den Krieg zu beenden. Die Frage bleibe, lautet das Fazit im Wochenblatt, ob dies auch in Putins Interesse sei.


Piotr Siemiński