Deutsche Redaktion

"Verdirbt es nur nicht"

03.06.2022 11:57
Nachdem Brüssel Polens Wiederaufbauplan akzeptiert habe, stehe das Land vor gigantischen Herausforderungen, schreibt die Rzeczpospolita. Es bestehe die historische Chance, eine neue Entwicklungsstufe zu erreichen und in die erste europäische Liga aufzusteigen. Wird die regierende konservative PiS-Partei diese Gelegenheit ausnutzen, fragt im Blatt der Autor Michał Szułdrzyński. 
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Rzeczpospolita: Verdirbt es nur nicht 

Nachdem Brüssel Polens Wiederaufbauplan akzeptiert habe, stehe das Land vor gigantischen Herausforderungen, schreibt die Rzeczpospolita. Es bestehe die historische Chance, eine neue Entwicklungsstufe zu erreichen und in die erste europäische Liga aufzusteigen. Wird die regierende konservative PiS-Partei diese Gelegenheit ausnutzen, fragt im Blatt der Autor Michał Szułdrzyński. Polens Wiederaufbauplan werde in Brüssel sehr hoch bewertet. Die Projekte der Wirtschaftsreform, der Energiewende und der Digitalisierung sollen zu den ehrgeizigsten in der gesamten Union gehören.

Es gebe allerdings ein "aber". Der polnische Plan sei vor 13 Monaten von Warschau nach Brüssel geschickt worden. An der verspäteten Annahme des Projekts seien nicht irgendwelche Briefträger oder Heinzelmännchen schuld, sondern die Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS), die beschlossen habe, dass es damit keine Eile gebe. Wichtiger sei die Durchsetzung des absurden Gesetzes zum privaten amerikanischen Fernsehsender TVN oder der polnischen Steuerreform gewesen, so das Blatt. Sachen, aus denen sich die Regierungspartei dann sowieso zurück gezogen habe. Das Regierungslager soll darüber hinaus im Konflikt mit der Europäischen Kommission und gleichzeitig mit sich selbst gestanden haben. Der Streit mit ihrem Koalitionspartner "Solidarna Polska" des Juztizministers Zbigniew Ziobro soll fast ein Jahr lang die Auflösung der Disziplinarkammer gelähmt haben. Eine Bedingung von der die Kommission die Annahme des Wiederaufbauplans abhängig machte.

Das Jahr 2021 sei jetzt aber vorbei, ebenso wie die Hoffnung auf einen Vorschuss von 4,5 Milliarden Euro für Polens Wiederaufbauplan. Daher, heißt es, sollte die Regierung die grundsätzliche Frage beantworten: Wird sie die einmalige Gelegenheit nutzen, Polen mit den EU-Geldern zu modernisieren, oder wird sie weiterhin Zeit und Kapital in unproduktiven Streitigkeiten verschwenden?

Die Modernisierung des Landes sei aber nur ein Teil der Herausforderung, fährt der Autor fort. Der Krieg in der Ukraine und Polens geopolitische Lage würden Warschau zu einer der wichtigsten Hauptstädte Europas machen. Und das obwohl es zuvor durch jahrelange Auseinandersetzungen um Justiz und Rechtsstaatlichkeit in die zweite Liga gedrängt worden sei. Jetzt aber solle die Geschichte den rechtmäßigen Platz für Polen fordern, heißt es.

Sollten Mateusz Morawiecki, Andrzej Duda und Jarosław Kaczyński diese Chance verschwenden, glaubt der Autor, würde dies in die dunkelsten Seiten der polnischen Geschichte eingehen. Die Erfahrungen und Fehler aus den letzten Jahren würden beweisen, dass dies auch passieren könnte. Aber vielleicht geschehe auch ein Wunder, lautet die Schlussfolgerung des Autors in der Rzeczpospolita.

 

Politico: Keine Chance, dass die EU ein Embargo gegen russisches Gas verhängt 

Die steigenden Lebenshaltungskosten in den EU-Staaten und die erschöpfenden Verhandlungen über Sanktionen gegen den Export russischer Energieträger würden eines bedeuten: die EU werde die Gewinne des Kremls aus dem Verkauf von Erdgas in naher Zukunft nicht blockieren können, schreibt die Tageszeitung Politico auf ihrer Nachrichtenseite. Nach Ansicht einiger EU-Politiker, wäre die Verhängung von Sanktionen gegen Gasexporte aus Russland eine größere Bedrohung für die Gemeinschaft als für Moskau. Dies umso mehr, als die Inflation in der Eurozone im Mai auf 8,1 Prozent gestiegen sei. Die Verlängerung der Sanktionen, so Politico, würde auch einen erheblichen Einfluss auf den Anstieg der Energierechnungen für Haushalte haben.

Der Verzicht auf Sanktionen gegen russisches Gas werde aber einen politischen Preis haben. Es wäre so, als würde man die Ukraine und ihren Präsidenten Wolodymyr Selenskyj im Stich lassen, heißt es in dem Artikel. Hinzu komme, dass der gerade erzielte Kompromiss dazu führe, dass Russland in den nächsten sechs Monaten weiterhin riesige Geldsummen von der EU für Öl kassieren werde. Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban habe ausgehandelt, dass die Sanktionen nur für das durch Tanker transportierte Öl gelten. Die kürzlich abgeschlossenen Verhandlungen hätten Spaltungen in der EU offenbart. Aber die bevorstehende "Gas-Schlacht" werde nicht anders sein.

Das Portal weist des Weiteren auf die potenziellen Risiken der Verhängung von Sanktionen gegen russische Gasexporte hin. Einige EU-Staaten seien sehr stark von dieser Richtung der Gasimporte abhängig. Vor allem Tschechien, Ungarn, die Slowakei und Österreich das ausgeschlossen habe, diesen Brennstoff in das nächste Sanktionspaket aufzunehmen. Es bestehe auch ein politisches Risiko. Die Ölverhandlungen dauern bereits fast einen Monat. Und die EU, heißt es abschließend, könne es sich nicht leisten, weitere Verhandlungen scheitern zu lassen.


DGP: COVID-19 aufgehoben. Jetzt ist es eine private Krankheit

Dziennik/ Gazeta Prawna indes, prüft die Situation mit der Pandemie in Polen. Wie wir lesen, habe die Regierung COVID-19 erfolgreich aus dem System gelöscht. Nach Schätzungen der Tageszeitung werden derzeit täglich weniger als 10.000 Tests pro Tag gemacht. Im Januar sollen es noch fast 300.000 im Rahmen des öffentlichen Gesundheitssystems gewesen sein. Und da Patienten heute nicht untersucht werden, sei die Zahl der COVID-19-Fälle gering – am Dienstag seien es in Polen nur 346 gewesen. In Frankreich zum Vergleich 35.000 und in Deutschland 60.000. Der Zeitung nach, soll für jeden klar sein, dass das Fehlen von Tests eine politische Entscheidung sei.

Die Krankheit, die zur Schließung von Wäldern, Schulen, Restaurants, Einkaufszentren und zum Übergang zur Heimarbeit führte, heißt es, sei plötzlich aus dem System verschwunden. Und das obwohl sie in Polen 116.000 Einwohner getötet hat. Die Viruslast sei zwar geringer. Es gebe weniger Patienten in Krankenhäusern. Auch die Zahl der Todesfälle sei drastisch gesunken. Infolgedessen, lesen wir, wurde die Pandemie politisch beendet.

Wie über Nacht habe sich auch die Narrative zur Pandemie geändert. Ihre Last sei vom Staat auf die Schultern des Kranken abgewälzt worden. Nachdem alle Zugang zu kostenlosen Tests hatten, sollen jetzt Hausärzte darüber entscheiden, was den Zugang zu kostenlosen Tests erschwere. Man müsse sich häufig auf eigene Hand, privat und entgeltlich testen lassen.

Hin und wieder tauche in diversen Studien die These auf, schreibt das Blatt, dass nur die Regierungen, denen die Bevölkerung vertraue, gegen die Pandemie gewinnen können. Dieses Vertrauen müsse man sich aber verdienen. Indem man die Patienten im Stich lässt und Verstecken spielt, würde man das nicht erreichen. Vor allem wenn es sich im Herbst herausstellen sollte, dass das Virus zurückkehrt ist und die Regierung Bewohner wieder dazu überzeugen müsste, sich erneut zu impfen. Piotr Siemiński


Piotr Siemiński