Rzeczpospolita: Sorgen um die deutsche Armee
Als Deutschland nicht aufgerüstet und nicht nach den Geboten der Nato 2 Prozent seines BIP in die Verteidigung investieren wollte, hätten polnische Regierungspolitiker dies kritisiert. Aber wenn Berlin sich nun doch bewaffnen wolle, sei dies der Regierung in Warschau auch nicht recht, schreibt in Anschluss an eine neuliche Aussage von PiS-Chef Jarosław Kaczyński der Publizist der konservativ-liberalen Rzeczpospolita, Jerzy Haszczyński. Der Vorsitzende der Regierungspartei habe, wie der Autor erinnert, eingeräumt, er wisse nicht, ob sich Deutschland gegen Russland oder gegen Polen aufrüste. Sicher sei jedenfalls, dass es sich bewaffne. Was die Deutschen auch machen würden, einigen Politiker sei es halt immer ein Dorn im Auge, so Haszczyński.
Jarosław Kaczyński, lesen wir, sei Deutschland gegenüber eigentlich immer schon sehr misstrauisch gewesen. Auch in Militärfragen. Im Jahr 2014 habe der PiS-Chef betont, dass mindestens sieben Generationen vergehen müssen, bevor deutsche Truppen in Polen stationieren können. Seitdem, so Haszczyński, sei aber nicht einmal eine halbe Generation vergangen. Es, so der Autor, gebe keine Hinweise darauf, dass Deutschland gegen Polen aufrüsten könnte. Was ihm mehr Sorgen bereite sei, dass es in Berlin an politischem Willen zu fehlen scheint, Russland als militärische Bedrohung zu eliminieren. Unerfüllte Versprechen zu Waffenlieferungen, fehlende Entschiedenheit nach der angekündigten Zeitenwende und Anrufe an Putin sowie Überlegungen zu einem Frieden auf Kosten der Ukraine seien dafür nur einige Beispiele.
Zudem sei natürlich die Frage berechtigt, ob in der deutschen Regierung immer antirussische und proukrainische Grüne sitzen werden, die die Fehler der bisherigen Ostpolitik anprangern. Und wie sich die Stimmungen nach ein bis zwei Jahrzehnten Aufrüstung potentiell wandeln könnte.
Von Zeit zu Zeit, erinnert Haszczyński, gebe es in Deutschland Berichte über extreme Nationalisten, die in der Polizei, Armee und sogar Spezialeinheiten arbeiten. Deutschlands militärischer Abschirmdienst habe sich im vergangenen Jahr mit 1.200 Fällen von Rechtsextremismus-Verdacht in der Bundeswehr befasst. Heute würden die deutschen Dienste zum Glück gegen solche Vorfälle vorgehen. Mögen sie auch in Zukunft damit zurechtkommen, so Jerzy Haszczyński in der Rzeczpospolita.
Polityka: Es bleibt, wie es ist
Ein wichtiges Thema in den polnischen Medien ist auch die Ablehnung der Korrekturvorschläge der Senatoren zur vom Staatspräsidenten vorgeschlagenen Kompromisslösung im Streit um die Justizreform durch die parlamentarische Mehrheit. Ziel der vom Senat eingebrachten Änderungsvorschläge sei die tatsächliche Umsetzung der von der EU-Kommission abgesegneten Meilensteine gewesen, deren Realisierung für die Auszahlung der Mittel für den Nationalen Wiederaufbauplan notwendig sei, schreibt das linksliberale Wochenblatt Polityka.
Die Opposition, so das Blatt, habe davor gewarnt, dass die Regierungspartei PiS mit der Ablehnung der Senatsanträge den Weg zu den EU-Geldern sperrt. Die bittere Wahrheit sei aber, dass die Europäische Kommission der Regierung die Sache mit der Rechtsstaatlichkeit bereits weitgehend verziehen hat. Das sei unter anderem daran zu sehen, dass die EU-Kommission sich mit der Absegnung des Nationalen Wiederaufbauplans nicht bis zur Annahme der Senatsänderungen zurückgehalten habe.
Zudem habe Komissions-Chefin Ursula von der Leyen zu verstehen gegeben, dass der Gesetzesvorschlag von Staatspräsident Andrzej Duda die Erwartungen der Kommission grundsätzlich erfüllt. Und das, obwohl das Gesetz in Wirklichkeit nichts verbessert. Es erlaube den Behörden, den Schein einer Verbesserung des Disziplinarverfahrens gegen Richter zu wahren. Zudem habe die Kommission beispielsweise auch auf die Forderung einer bedingungslosen Wiedereinstellung entlassener Richter verzichtet, so das Wochenblatt “Polityka”.
Rzeczpospolita: Kaczyński entscheidet sich für Ziobro anstatt für von der Leyen
Das parlamentarische Verfahren zur Abschaffung der Disziplinarkammer für Richter war zum Teil Theater, schreibt indes Michał Szułdrzyński, ebenfalls in der Rzeczpospolita. Das Publikum seien die Wähler gewesen. Diese hätten nach der Aufführung diejenigen beklatscht, die es ihrer Ansicht nach mehr verdient hätten, Mittel für Polens Wiederaufbauplan nach der Pandemie freizugeben: die Regierungspartei oder die Opposition.
Insgesamt vier Monate lang, so Szułdrzyński, habe die PiS keine Eile gehabt, den Änderungsantrag von Präsident Andrzej Duda zur Abschaffung der Disziplinarkammer zu akzeptieren. Und das, obwohl er sich zuvor mit der EU-Kommission darauf geeinigt hatte. Erst zuletzt habe die Regierungspartei die Abstimmung im Sejm beschleunigt — im Wissen, dass Ursula von der Leyen Anfang Juni nach Warschau kommen würde.
Von der Leyen, heißt es im Artikel weiter, stehe derweil stark unter Druck. Das Europäische Parlament habe gerade einen Entschluss verabschiedet, in dem die Europäische Kommission aufgefordert werde, keinen Cent mehr nach Polen zu überweisen, falls das Land dem EuGH-Urteil nicht vollständig nachkomme. Von der Leyen habe jedoch Lösungen für Polen vorgeschlagen, die weniger restriktiv seien als der EU-Gerichtshof fordere, so der Autor. Und dennoch habe die PiS am Donnerstag alle im Senat eingebrachten inhaltlichen Änderungsanträge abgelehnt. Die Regierungspartei habe sich dadurch für einen Kompromiss mit Justizminister Ziobro entschieden, um vor den Wahlen Ruhe zu haben. Dies sei wichtiger gewesen, als eine Geste gegenüber von der Leyen, schreibt Szułdrzyński.
Dieser Schritt könnte sich allerdings als riskant herausstellen, so der Autor. Der Krieg in der Ukraine beginne Westeuropa zu langweilen. Frankreich und Deutschland träumten von einem Ende des Krieges und gleichzeitig schwinde der gute Eindruck, den Polen anfangs hinterlassen habe. Es sei sogar denkbar, dass Warschau mit seiner unerbittlichen Haltung gegenüber Russland für den Westen unbequem werde. Deshalb seien Polens Flitterwochen in Europa jetzt zu Ende, lesen wir in der Tageszeitung. Das Thema Rechtsstaatlichkeit sei zwar seit einiger Zeit in den Hintergrund gerückt, an der aktuellen Stimmung im Europaparlament zeige sich jedoch dessen Rückkehr. Kaczyńskis Entscheidung, sich auf Ziobros Seite anstatt auf die von der Leyens zu stellen, sei deshalb riskan und umso gefährlicher, zumal Polens Wirtschaft die EU-Milliarden für den Wiederaufbauplan brauche, wie ein ausgetrockneter Boden einen Regenschauer.
Gazeta Polska Codziennie: Das ist ihr letzter Kampf
Die regierungsnahe Zeitung Gazeta Polska Codziennie schreibt zur Ablehnung der Senatsänderungen im Sejm indes, es habe viel Geschrei im Parlament gegeben. Auch sei versucht worden, den Ministerpräsidenten zu stoppen und zu beleidigen. Zuvor habe es Proteste des EU-Parlaments gegen die Einigung der Europäischen Kommission mit der polnischen Regierung gegeben. All dies beweise, schreibt der Chefredakteur des Blatts, wie groß die Entschlossenheit der persönlichen Feinde Polens sei; darunter auch der Opposition, die versuche, einen Kompromiss mit der EU zum nationalen Wiederaufbauplan zu verhindern.
Es scheine, so lesen wir weiter, dass beide Seiten den verlorenen Kampf jetzt als letzten Moment für einen verzweifelten Angriff sehen, um doch noch Gewinn daraus zu schöpfen. Sowohl diejenigen im Land, die gehofft hätten, die Regierung mit der Absage der EU-Gelder zu stürzen, als auch jene in der EU, die den absurdesten Anschuldigungen der polnischen Opposition geglaubt hätten.
Geht es nach dem Chefredakteur des Blatts Tomasz Sakiewicz habe der Zweck der Sperrung von Geldern für Polen aus dem Europäischen Wiederaufbaufonds darin bestanden, soziale Unruhen in Polen und Panik auf den Finanzmärkten auszulösen. All dies, so der Publizist, habe — unabhängig davon, wie sich das Schicksal der EU-Gelder weiter entwickelt — nicht funktioniert. Eine Vereinbarung mit der Europäischen Kommission sei bereits getroffen worden. Derartige Informationen hätten seitdem sowohl die Öffentlichkeit als auch die Finanzwelt erreicht. Von dieser peinlichen Geschichte würden deshalb nur die verrückten Schreie der Verlierer in Erinnerung bleiben, so Sakiewicz in der Gazeta Polska Codziennie.
Autor: Piotr Siemiński