Rzeczpospolita: Wen wird die Kohle aus dem Amt entlassen?
Seit einigen Tagen, schreibt die Rzeczpospolita, sollen sich die Mitglieder der Regierung gegenseitig die Schwierigkeiten mit der Verfügbarkeit von Kohle im Herbst und Winter vorhalten. Erwähnenswert sei der Zeitung zufolge, dass der Streit viele Wochen vor Beginn der Heizperiode statt finde. Die normalerweise verbündeten Politiker würden offensichtlich davon ausgehen, dass die Verknappung des Rohstoffs so gravierend sein werde, heißt es, dass es sich lohne, bereits jetzt eigenes politisches Kapital darauf aufzubauen.
Die Kohlefrage sei heute ein bequemes Werkzeug um Ministerpräsident Mateusz Morawiecki und seine Leute für alles zu beschuldigen. Auch durch Mitglieder der Regierungspartei, die sich gegen den Ministerpräsidenten auflehnen, wie der Justizminister zum Beispiel. Aber niemand sei sicher. Geht es nach dem Blatt habe Parteivorsitzender Jarosław Kaczyński auch den stellvertretenden Ministerpräsidenten und Minister für Staatsvermögen Jacek Sasin für die Krise streng getadelt.
Die Kohlekrise werde noch über Monate ein wichtiges Thema bleiben und politische Folgen nach sich ziehen, so die Rzeczpospolita. In diesem Jahr falle die Heizperiode mit dem Beginn des Aufbaus der Wählerlisten in der Regierungspartei PiS vor den für 2023 geplanten Parlamentswahlen zusammen. Die Opposition nutzte die Situation bereits schon heute aus, heißt es abschließend. Einige ihrer Politiker würden alles darauf setzten, dass die Kohlekrise die gesamte Regierung aus dem Amt entlassen werde, schreibt die Rzeczpospolita am Mittwoch.
DGP: Heizperiode größte Bedrohung für die PiS
Die schleichende Kohlekrise ist am Mittwoch auch eines der wichtigsten Themen in der Dziennik/Gazeta Prawna. Das Risiko eines Kohlemangels für Haushalte sei kein Problem, das die Behörden – wie es ihre Gewohnheit sei, heißt es – abwarten oder mit etwas anderem decken könnten. Daher werde nach einem Heilmittel für die anstehende Krise gesucht. Dem Blatt zufolge zeuge die Vielzahl der diskutierten Vorschläge und inneren Konflikte von großer Nervosität in den Reihen der Regierungspartei.
Am Dienstag habe sich die Regierung mit dem Entwurf einer Änderung des Gesetzes zum Verkauf von Kohle in Polen zu einem Preis von weniger als ca. 220 EUR. pro Tonne befasst. Das Problem aber sei, dass die staatliche Vergütung vom aktuellen Marktpreis abweiche. Aus diesem Grund beabsichtige die Regierung, nach einer Lösung zu greifen, die vor allem für diese politische Formation bekannt und charakteristisch sei, so das Blatt. Nämlich den Bürgern Geld nachzuschütten. Offen bleibe indes die Frage, ob die Polen überhaupt irgendwo Kohle kaufen werden können. Heute gebe es nämlich in Polen nicht genug Kohle auf Lagerplätzen.
Die PiS habe wie keine andere Regierung seit 1989 kein Glück mit Kohle, lesen wir des Weiteren. Als ganz Europa begann auf Kohle zu verzichten, habe die polnische Regierung den Verbleib beim „schwarzen Gold“ als letzten Schutzwall der Souveränität Polens betrachtet. Schließlich habe sich diese Kohle-Doktrin der PiS radikal geändert. Die grüne EU-Politik und die neue Situation des Energiesektors hätten dabei geholfen. Selbst die größten Befürworter der Kohle würden jetzt die Notwendigkeit eines schrittweisen Ausstiegs aus fossilen Brennstoffen erkennen. Und genau an dieser Stelle, fährt das Blatt fort, sei es jetzt zu geopolitischen Veränderungen (einschließlich des Krieges) gekommen, die einen erneuten mentalen Wandel in der PiS fordern. Man müsse jetzt, zumindest für eine Weile, zurück zur Kohle greifen. Ganz Europa sei heute durch das EU-Embargo für Lieferungen aus Russland dazu gezwungen. Und diese neue Realität, lesen wir am Schluss, treibe die Preise auf beispiellose Höhen.
Dziennik: Brüsseler Offensive vor den Ferien ohne Revolution
Die EU soll heute ein Zusatzpaket als Ergänzung der bisherigen Sanktionen verabschieden, schreibt indes das Online-Blatt Dziennik. Auch Energie-Vorbereitungen für den Winter sollen in Brüssel festgelegt werden. Die EU-Parlamentarier wollen diese Aufgaben noch vor der Sommerpause schaffen, heißt es. Neben der Verschärfung der Sanktionen werde die EU beschließen, diese um sechs Monate zu verlängern. Eine weitere Überarbeitung soll im Januar 2023 stattfinden. Das Paket errege keine größeren Kontroversen. Laut EU-Diplomaten werde auch kein Widerstand der Mitgliedstaaten dazu erwartet. Auch die individuelle Sanktionsliste, die um 48 Personen, hauptsächlich Angehörige der Oligarchen-Familien und neun Unternehmen, erweitert werden soll, würde die 27 Mitgliedstaaten nicht teilen.
Noch vor den August-Ferien sei es der EU gelungen, so das Blatt weiter, Mittel für den Kauf von weiteren Waffen und Ausrüstung für die Ukraine um 500 Mio. EUR aufzustocken. In den folgenden Monaten, fährt Dziennik fort, könnte sich die Dynamik der Unterstützung für die Ukraine jedoch aufgrund des traditionell leeren Terminkalenders der EU-Institutionen während der Sommerpause deutlich abschwächen. Das nächste Treffen der Diplomatie-Chefs der Mitgliedstaaten sei für September geplant. Bis dahin werde die EU den Informationsquellen der Online-Zeitung zufolge höchstwahrscheinlich keine wesentlichen Entscheidungen treffen. Weder im Bereich weiterer Sanktionen noch zusätzlicher Unterstützung für die Ukraine, die sich ohne Sommerpause weiterhin gegen den russischen Angriffskrieg wehren müsse.
Piotr Siemiński