Rzeczpospolita: Austausch europäischer Eliten
Der Handelskrieg mit Russland sollte Putins Regime stürzen. Vorerst aber stürze er westliche Regierungen. Zu diesem Schluss soll Ursula von der Leyen gekommen sein, schreibt Jędrzej Bielecki in der Rzeczpospolita. Leider habe sie dies definitiv zu spät verstanden. Die Präsidentin der Europäischen Kommission, die am Mittwoch in Brüssel einen Plan zur Reduzierung des Gasverbrauchs in der EU aufgrund der Liefereinstellung von Gazprom vorstellte, habe darüber hinaus festgestellt, dass Russland die EU erpresse und Energie als Waffe benutze. Wie Bielecki erinnert, habe die Deutsche allerdings als prominente Ministerin im Team von Bundeskanzlerin Angela Merkel jahrelang die Politik der zunehmenden Energieabhängigkeit Berlins von Moskau vorangetrieben. Wäre sie nicht nach Brüssel gegangen, glaubt der Autor, hätte sie sich wahrscheinlich wie Merkel politisch zurückgezogen.
Am Donnerstag ist Italiens Regierungschef Mario Draghi zurückgetreten. In Großbritannien suchen die Tories nach einem Nachfolger für den kürzlich gestürzten Ministerpräsidenten Boris Johnson. In Frankreich habe Emmanuel Macron im Juni den Verlust der parlamentarischen Mehrheit zugunsten russlandfreundlicher Parteien verkraften müssen. In Deutschland, wo die Bundestagswahlen sechs Monate vor dem Einmarsch in die Ukraine stattfanden, sei das Problem des Machtwechsels nicht so akut. Von der Position in der EU, die Angela Merkel all die Jahre genossen habe, könne Olaf Scholz jedoch nur träumen.
Geht es nach Bielecki würden die von Putin verursachten Säuberungen damit wahrscheinlich nicht enden. Umfragen zufolge, hätten die US-Demokraten zugunsten der Republikaner in beiden Häusern des Kongresses die Mehrheit verloren. Ihr Anführer Donald Trump träume immer noch von „einem Deal mit Putin“, heißt es im Blatt. Ebenso unglücklich sei der politische Kalender für Spaniens linke Regierung. Polen könnte dasselbe Schicksal erwarten. Der Autor erwarte, dass die Krise das Land kurz vor den Parlamentswahlen am stärksten treffen dürfte.
Des Weiteren schreibt Bielecki, dass die gegen Russland verhängten Sanktionen in den ersten Kriegsmonaten eine elektrisierende Wirkung haben könnten, als die westliche Öffentlichkeit, schockiert über die Grausamkeit des Kremls, zu radikalen Schritten bereit war. Damals hätte man den Kreml aber nicht von seiner Haupteinnahmequelle abgeschnitten: dem Gasexport. Es sei auch nicht gelungen eine globale Koalition gegen Moskau aufzubauen. Putin habe alternative Empfänger von Energiequellen in China, Indien und Brasilien gefunden. Heute sei der Rubel auch nicht zusammengebrochen sondern sogar um 26 Prozent stärker gegenüber dem Dollar als vor einem Jahr. Der Euro indes werde immer schwächer.
Trotzdem habe die russische Wirtschaft durch die Sanktionen infolge des Krieges in der Ukraine deutlich stärkere Verluste erlitten als in den EU-Staaten, lesen wir am Schluss im Blatt. Die dem autoritären Regime unterworfene russische Gesellschaft sei jedoch bereit, ernsthaftere Opfer zu bringen, zumal sich die große Mehrheit der Russen mit Putins imperialen Ambitionen identifiziere. Für den durchschnittlichen Deutschen, Franzosen oder Polen bleibe der Krieg in der Ukraine eine abstrakte Angelegenheit. Die Zeit scheine also vor allem zugunsten des Kremls zu spielen, lautet Jędrzej Bieleckis Fazit in der Rzeczpospolita.
Rzeczpospolita: Mit Geld im Ofen heizen
Tomasz Pietryga schreibt indes ebenfalls in der Rzeczpospolita über die anstehende Kohlekrise. Der Autor wisse zwar nicht, wie lange die konzeptionelle Arbeit an dem neuen Kohlegesetz, das Polen Subventionen zum Kauf des Brennstoffs gewähre, gedauert habe, aber er gehe davon aus, dass sie kurz gewesen sei. Fast unmittelbar nach ihrer Bekanntgabe an die Öffentlichkeit habe der Gesetzgebungsprozess begonnen. Ohne tiefere Analysen oder Konsultationen habe die Regierung in Eile eine Haushaltsausgabe von ca. 2,5 Mrd. EUR vorgenommen. Werde diese Hast und Methode in der Heizperiode in polnischen Wohnungen für Wärme sorgen? Der Autor bezweifle das.
Geht es nach Pietryga handle die Regierung genau wie zuvor im Kampf gegen das Coronavirus. Der Staat habe damals blindlings Unsummen in medizinisches Personal und später in Unternehmer gepumpt. Es habe Momente gegeben, in denen jeder im Rahmen des Anti-Covid-Schutzschilds ohne Kriterien über 1000 EUR erhalten konnte. Auch wenn man wegen der Pandemie finanziell tatsächlich nicht in der Klemme gewesen sei. Beim Kohle-Zuschlag sei der Gesamtbetrag aus dem Staatshaushalt sogar noch höher, lesen wir, was automatisch zur Vorsicht zwingen sollte. Ein effizienter Staat minimiere nämlich auch das Risiko des Missbrauchs und des Abflusses von Geldern, da es sich schließlich um das Geld der Steuerzahler handle.
Der Staat plane trotzdem große Summen aus dem Hubschrauber zu werfen. Jeder, der mit Kohle heizt, könne was abhaben. Niemand werde auch prüfen, zu welchem Zweck das Geld dann tatsächlich ausgegeben werde. Der Autor habe zwar nichts gegen Subventionen, die vielen Menschen helfen werden, den Winter zu überstehen. Die Hilfe könnte sogar noch größer sein, nur wenn der Geldfluss dabei auch präzise wäre.
Im Fall von EU-Geldern zum Beispiel gelte die Regel der Rückerstattung. Zuerst müsse man eigene Mittel ausgeben, dann Rechnungen einreichen. Erst dann könnte man mit einer Rückerstattung rechnen. Der Autor fragt sich deshalb, warum dieser Mechanismus auch nicht auf die Beheizung mit Kohle übertragbar sei? Warum verschenke der Staat lieber blindlings Geld, fragt Pietryga.
Er habe deshalb den Eindruck, dass der Wert des Geldes für einige Regierungsbeamte in letzter Zeit jegliche Bedeutung verloren habe. Und das sei eine sehr schlechte Nachricht. Es handle sich schließlich nicht um Geld aus ihrem eigenen Portemonnaie, sondern um das Portemonnaie der Steuerzahler.
Piotr Siemiński