Deutsche Redaktion

"Wir wollen Putins Kinder nicht in Europa"

25.08.2022 14:24
Sollten die Familien von Lawrow und Schoigu in Europa Urlaub machen dürfen, nur weil sie Frauen gerne in den Pariser Galeries Lafayette und in Mailand einkaufen gehen, fragt Bogusław Chrabota in der Rzeczpospolita. Laut Gazeta Wyborcza fürchten nach dem Anschlag auf Dugina immer mehr Kreml-Propagandisten um ihr Leben. Und: Sicherheitsexpertin sieht Russlands militärische Schwäche als Chance für den Bau einer "Firewall" an der NATO-Ostflanke.
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Rzeczposplita: Wir wollen Putins Kinder nicht in Europa

Warum sollte Europa den Verantwortlichen für russische Soldaten und ihre Morde in der Ukraine eigentlich die Tür offen lassen, fragt in der aktuellen Ausgabe der Chefredakteur der konservativ-liberalen Rzeczpospolita, Bogusław Chrabota. Wieso sollte sich ein russischer Kommandeur an der spanischen Costa del Sol erholen dürfen? Oder die Familien der Angestellten von Außenminister Lawrow und Verteidigungsminister Schoigu? Nur weil ihre Frauen gerne in den Pariser Galeries Lafayette und in Mailand einkaufen? Weil es dort schicke Handtaschen, Pelze und Schuhe gebe? Warum, fährt der Autor fort, sollte man den Anhängern von Alexander Dugin Schengen-Visa ausstellen. Schließlich predige Dugin die Überlegenheit der eurasischen Zivilisation gegenüber dem homosexuellen Westen. Müssen seine Zuhörer also wirklich Unterwäsche von Dolce & Gabbana und Victoria's Secret kaufen?

Die gleiche Frage gelte für Finanziers aus Putins Banken, die das Regime nicht nur dabei unterstützen, ihre Landsleute auszurauben, sondern vor allem schmutziges Geld auf verschiedenen Geheimkonten zu verstecken. Oder für kleine Oligarchen, die noch nicht auf der Sanktionsliste stehen und mit ihren Yachten gerne an die Côte d'Azur segeln oder in den Kasinos von Monaco ihr Glück versuchen würden?

Ein Einreiseverbot für sie alle, so Chrabota, sei eine Frage des menschlichen Anstands. Denn sie seien kleine Rädchen in Putins verbrecherischer Maschine, die ukrainische Kinder ermorde, ihre Häuser niederbrenne, ihre Väter und Mütter töte. Und solange sie das nicht verstehen würden, sollten sie auch keinen Platz in unserem Europa haben. Sie sollten wie Aussätzige sein: kein Kontakt, auch nicht aus der Ferne.

In diesem ganzen Mechanismus der Abstoßung müsse es jedoch ein Ventil geben. Ein Weg nach Europa für diejenigen, die nicht Putins Krieg oder seinem Regime dienen wollen. Jene Russen seien unsere Brüder und Freunde und würden ein Visum aus humanitären Gründen verdienen. Für sie müsse eine Pforte offen gehalten werden, so Bogusław Chrabota in der Rzeczpospolita.

Gazeta Wyborcza: Russische Propagandastars fürchten um ihr Leben

Nach dem Anschlag vom Samstag, bei dem die Tochter des Kreml-Ideologen Alexander Dugin getötet wurde, fürchten nun auch andere Kreml-Propagandisten um ihr Leben, berichtet die linksliberale Gazeta Wyborcza. Die sichtbarsten Befürworter des Krieges in der Ukraine hätten nun das Gefühl, dass auch sie verwundbar seien und dass der Kreml nicht in der Lage sei, sie zu schützen. Die führende Propagandistin Margarita Simonian, die in den letzten Tagen als Vergeltung für die Angriffe auf der Krim zu verstärkten Kampfhandlungen in der Ukraine aufgerufen hat, habe am Sonntag auf Telegram zugegeben, dass sie "nie und nirgends ohne Schutz unterwegs ist, nicht einmal bei einem Spaziergang im Park". Auch den Russen im Allgemeinen würde es so langsam dämmern, dass sie sich durch den Krieg mit der Ukraine in ihrem Land nicht mehr sicher fühlen können. Der Anschlag auf Dugina, Explosionen auf der annektierten Krim und davor mysteriöse Lagerhausbrände und Brandanschläge auf Einberufungskommissionen - all das habe zur Folge, dass der Krieg, den viele gewöhnliche Russen weit entfernt wähnten, nun ganz nah erscheint, so Gazeta Wyborcza.

Forsal: Wir haben das Potenzial der russischen Armee überschätzt

Sechs Monate des Konflikts in der Ukraine hätten gezeigt, dass man das tatsächliche Potenzial der russischen Streitkräfte überschätzt habe, urteilt die Analystin des Polnischen Instituts für Internationale Angelegenheiten (PISM) Anna Maria Dyner in einer Erklärung für die Polnische Presseagentur PAP, die von polnischen Medien zitiert wird. Dennoch dürfe Russland auch nicht unterschätzt werden.

Geht es nach der Analystin zweifle heute trotzdem niemand daran, dass dieser Krieg lange dauern werde, wahrscheinlich sogar Jahre. Die Aufgabe der NATO-Staaten sollte es deshalb sein, die Ostflanke so aufzurüsten, dass eine sprichwörtliche "Firewall" entstehe, die ein geschwächtes Russland in den kommenden Jahrzehnten nicht durchdringen könne, so Anna Maria Dyner für PAP.

Autor: Adam de Nisau