Deutsche Redaktion

"Mehrheit der Polen hält Blockade von weiteren EU-Mitteln für möglich"

25.10.2022 12:53
Nur jeder fünfte Pole hält die traditionellen EU-Fonds für nicht gefährdet, schreibt Dziennik/Gazeta Prawna. Außerdem geht es auch um die Kulissen der Verhandlungen zum ersten AKW in Polen. Und: Polnische Startups müssen Gürtel enger schnallen. Die Einzelheiten in der Presseschau.
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Gazeta Wyborcza: Vize-Premier Sasin spaltet das Atom

Die linksliberale Gazeta Wyborcza berichtet in ihrem heutigen Aufmacher über die Kulissen der Verhandlungen zum Bau der ersten Atomkraftwerke in Polen. Eigentlich, lesen wir, habe Polen angekündigt, bis Mitte Oktober das Angebot der USA entweder anzunehmen oder abzulehnen. Nun habe Umweltministerin Anna Moskwa jedoch erklärt, es sei mehr Zeit für Analysen notwendig. Der Grund für das Zögern der polnischen Regierung sei offiziell nicht bekannt. Vieles deute jedoch darauf hin, dass die Regierung Morawiecki sich nicht mehr allein auf dem vor zwei Jahren unterzeichneten Atombündnis mit den USA stützen und stattdessen auch Atomkraftwerke mit anderen Partnern bauen wolle. An einer Investition in Polen seien neben dem amerikanischen Westinghouse auch der koreanische Konzern KHNP und Frankreichs EDF interessiert. 

Im Juli, erinnert das Blatt, habe Ministerpräsident Morawiecki, auf Antrag von PiS-Chef Jarosław Kaczyński den Architekten der Atom-Allianz mit den USA Piotr Naimski abberufen. Gleich darauf hätten Gerüchte die Runde gemacht, laut denen Morawiecki die Kernkraftinvestitionen teilen und dem französischen Staatspräsidenten Macron etwa einen Vertrag für EDF anbieten wolle, wenn dieser im Gegenzug einer Entblockierung des Wiederaufbaufonds für Polen zustimme. Schließlich hätten kurz vor der neulichen Visite von Vizepremier Jacek Sasin und Umweltministerin Anna Moskwa in Washington Medien berichtet, dass der Energiegigant PGE ein Intentionsschreiben mit den Koreanern über die Nutzung ihrer Reaktoren für den Bau des Atomkraftwerks in Pątnowo unterzeichnen will. Das Problem dabei: KHNP habe beim Bau seiner Reaktoren US-Technologie genutzt und könne diese daher auch ohne grünes Licht von Westinghouse nicht exportieren. Dieses werde es wohl nicht geben. Westinghouse sei schon jetzt vor Gericht gegen die Exportpläne der Koreaner gezogen. Vor diesem Hintergrund scheine es kein Zufall zu sein, dass das Energiedepartement der USA nach dem hochrangigen Besuch aus Polen kein Kommunique veröffentlicht hat, so Gazeta Wyborcza.

Rzeczpospolita: Harte Zeiten für Startups

Es bahnen sich harte Zeiten für polnische Startups an, schreibt in ihrem heutigen Aufmacher die konservativ-liberale Rzeczpospolita. Der Geldfluss für junge Technologieunternehmen in Polen, lesen wir, sei im Vergleich zum zweiten Quartal dieses Jahres um 40 Prozent geschrumpft. Im dritten Quartal hätten Startups insgesamt 513 Millionen Złoty erhalten. “Das letzte Quartal kann sich für polnische Unternehmen als schwierig erweisen, da sich auf dem Markt eine Abschwächung der Wachstumstrends abzeichnet, sogar in solchen Branchen wie E-Commerce. Auf dem Markt ist eine Risikoaversion spürbar”, sagt der Vorstandschef der Akademischen Inkubatoren für Unternehmertum (AIP) Dariusz Żuk. Szymon Janiak, Partner bei Czysta3.vc prophezeit indes, dass die Probleme sich noch viel länger hinziehen werden. Geht es nach Janiak, sollte man sich innerhalb der kommenden 12 Monate auf drastische Veränderungen gefasst machen. Der Grund: Bis dato hätten sich Startups in Polen vor allem auf öffentlichen Geldern und EU-Mitteln gestützt und seien daher daran gewöhnt, dass Mittel unabhängig von Marktturbulenzen verfügbar sind. Das werde sich nun für sie als Falle erweisen. Er gehe daher von einer deutlichen Schrumpfung des Marktes aus. Zumal sich auch, wie andere Experten betonen, zunehmend ein Abfluss von ausländischem Kapital bemerkbar macht, lesen wir in der Rzeczpospolita. 

Dziennik/Gazeta Prawna: Mehrheit der Polen hält Blockade von weiteren EU-Mitteln für möglich

Die Mehrheit der Polen hält die Blockade von weiteren EU-Mitteln für das Land für möglich, berichtet auf seiner Titelseite das Wirtschaftsblatt Dziennik/Gazeta Prawna unter Berufung auf eine aktuelle Studie des Meinungsforschungsinstituts United Surveys. Die Variante, in der Brüssel Polen, nach der Blockade des Wiederaufbaufonds, nun auch den Zugang zu den Geldern aus dem regulären Haushalt, also zu etwa 76 Milliarden Euro, versperren könnte, halten 64 Prozent der Befragten für nicht ausgeschlossen. Nur jeder fünfte Pole hält die traditionellen EU-Fonds für nicht gefährdet, 16 Prozent haben zu der Frage keine Meinung. Dies bedeute, lesen wir, dass die Polen in großem Maße den Versicherungen der Regierenden, laut denen die EU-Mittel aus den Kohäsionsfonds problemlos nach Polen fließen werden, keinen Glauben schenken. Vor allem für die Baubranche, Bahn- und Energieinvestitionen sowie die Kommunen wäre eine solche Blockade Szenario eine Katastrophe. So hätten etwa ein Viertel der Investitionen für Regional- und Lokalentwicklung in Polen in den vergangenen Jahren aus EU-Fonds gestammt, so Dziennik/Gazeta Prawna.

Autor: Adam de Nisau