Deutsche Redaktion

Berlin unter Druck

13.01.2023 10:58
Die Diskussion über die Lieferung von schweren Kampfpanzern an die Ukraine werde konkreter, schreibt in der heutigen Ausgabe die Tageszeitung Rzeczpospolita. Nach Polen erwäge jetzt auch Finnland, unter bestimmten Umständen Leopard-Panzer abzugeben.
Presseschau
PresseschauShutterstock.com

RZECZPOSPOLITA: Berlin unter Druck

Die Diskussion über die Lieferung von schweren Kampfpanzern an die Ukraine werde konkreter, schreibt in der heutigen Ausgabe die Tageszeitung Rzeczpospolita. Nach Polen erwäge jetzt auch Finnland, unter bestimmten Umständen Leopard-Panzer abzugeben. Die Bundesrepublik schwanke bislang, aber der Druck auf den Bundeskanzler, sowohl in der Außen-, als auch in der Innenpolitik, werde immer größer. Die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, Marie-Agnes Strack-Zimmermann sagte, Deutschland müsse für die Lieferung der Leopard 2 endlich die Exportgenehmigung erteilen. Der Kanzler sollte angesichts des Dramas in der Ukraine über seinen Schatten springen, heißt es.

Auch die USA wollten ihre Verbündeten dabei unterstützen, weiter Kampfpanzer an die Ukraine zu liefern. Amerika unterstütze die Bereitstellung jeglicher Mittel für die Ukraine, die ihr einen Vorteil auf dem Schlachtfeld verschaffen könnten, sagte Patrick Ryder, Sprecher des Pentagon. Dazu gehörten auch Panzer. Ryder verwies außerdem auf das Treffen in Ramstein kommende Woche. Er gehe davon aus, dass auch dieses Thema dort besprochen werde.

In der Außenpolitik würden nicht nur Amerikaner Druck machen. Auch der wichtigste europäische Partner Berlins, Frankreich, zeige nun, dass es an der Zeit wäre, die kämpfende Ukraine zu unterstützen, lesen wir weiter. Anfang des Monats habe Präsident Macron angekündigt, dass Paris der ukrainischen Seite leichte Panzer übergeben werde. Dies nehme der Kommentator Joseph Henrotin als ein Signal für Berlin wahr. Macron habe endlich verstanden, dass sein Plan, Putin an den Verhandlungstisch zu zwingen, nicht möglich sei, solange Russland keine schwere Niederlage erlitten habe. Diese Geste sorgte im ersten Moment in Berlin für Unmut. Man habe bis dahin gedacht, Frankreich würde ähnliche Entscheidung mit Deutschland konsultieren, schreibt das Blatt.   

Geht es nach Rzeczpospolita werde Berlin früher oder später nachgeben. Der Druck sei sehr hoch, gibt ein deutscher Experte, der jedoch anonym bleiben möchte, zu. Endlich werde sich die Bundesrepublik der Einstellung anderer Verbündeter anpassen, urteilt das Blatt. Ähnlich sehe es der ukrainische Chefdiplomat, Dmytro Kuleba. In einem Interview habe der Politiker die Meinung geäußert, dass Berlin die Lieferung von Leopard-Panzern doch noch genehmigen werde. Anfangs würden die Deutschen immer „Nein” sagen. Dann würden sie irgendwelche Erklärungen für die eigene Haltung vorstellen, um endlich „Ja“ zu sagen. So sei es doch mit den Haubitzen oder mit dem Raketenabwehrsystem Patriot gewesen. Die Ukraine versuche, diese Handlungsweise einfach nachvollziehen, so Kuleba. 

NOWY ŁAD: Machiavelli immer noch hochaktuell 

Der Wunsch nach einem Machtwechsel in Warschau sei in Brüssel sehr groß, schreibt in einer Analyse im Portal Nowy Ład der ehemalige polnische Spitzenpolitiker Jan Maria Rokita. Der Erwartungsdruck sei so stark, dass man bereit wäre, mitten im Krieg ein Frontland der EU in den Ruin zu treiben, lesen wir in seiner Analyse. Als Polen der Europäischen Union beigetreten war, habe man in Warschau die Ansicht vertreten, dass gemeinschaftliches Handeln im Rahmen der Union die beste Strategie sei. Sie habe schwächere Spieler vor dem Druck der größeren Länder geschützt. Die ersten Bedenken seien ungefähr um das Jahr 2011 aufgekommen, als es im EU-Parlament einen ersten Hassausbruch gegen die neue ungarische Verfassung gegeben habe. Brüssel habe die Ungarn dazu aufgefordert, ihre angeblich rückständige Verfassung durch eine fortschrittliche zu ersetzen. Damals sei es klar geworden, dass es eine tiefe politische Gemeinschaft ohne erzwungene ideologische Gleichstellung nicht geben werde, führt Rokita fort.

Den ideologischen Druck habe bald auch Polen zu spüren bekommen. Zum ersten Mal 2015 als Warschau sich an dem Quotensystem nicht beteiligen wollte und anderen Umgang mit der Migrationswelle vorgeschlagen habe. Dann als Warschau sich gegenüber den Ansätzen der Klimapolitik distanziert zeigte. Spätere Krisen hätten aber das illusorische Potenzial der Staatengemeinschaft bei der Bekämpfung von Problemen bloßgestellt. Man habe zum Beispiel bei der Corona-Krise mit bloßem Auge gesehen, dass das eigentliche Potenzial bei der Bekämpfung von Krisen der traditionell organisierte Staat besitze. Der russische Angriffskrieg habe wiederum die  bedrohliche Abhängigkeit der europäischen Wirtschaften von Moskau offenbart. Die stetige langjährige Ausdehnung der Kompetenzen der Europäischen Kommission habe sich in diesen Fällen als völlig unwirksam erwiesen, besonders seitdem Ursula von der Leyen an der Spitze der Kommission stehe.

Erneut hätten wir gesehen, dass die Fehler einzelner Regierungen, mit Deutschland vorneweg, zu Problemen geführt hätten, und allein eine Korrektur dieser Politiken zu Bewältigung der Krise beitragen könne. Weder die Pandemie noch der Krieg hätten jegliche Argumente für Effektivität der europäischen Institutionen geliefert. Dennoch hätten diese Kompetenzen einen enormen Einfluss auf das Funktionieren der Mitgliedsstaaten. Als eine revolutionäre Entscheidung beschreibt Rokita in diesem Kontext die Vergemeinschaftlichung der Staatsverschuldung. Dieser Schritt habe der Kommission ermöglicht, einzelnen Ländern den Inhalt von konkreten Gesetzen, Urteilen und sogar manche Personalentscheidungen vorzuschreiben. Die Folgen könne man gerade a Beispiel des aktuellen Streits um das Geld aus dem Wiederaufbaufonds für Polen erkenne. Noch einmal sehe man, dass Machiavelli recht gehabt habe, indem er behauptete, dass der Drang nach Hegemonie und nicht die deklarierten politische Ziele der eigentliche Antrieb der Politik und Geschichte seien, so Zbigniew Rokita in Nowy Ład.

 

Jakub Kukla