Deutsche Redaktion

"Der lange Arm der Verteidiger"

07.02.2023 12:27
 “Einige Analytiker sind der Meinung, dass das Auftauchen der GLSDB-Raketen sogar zu größeren Veränderungen an der Front führen könnte, als die Lieferung von westlichen Panzern an die Ukraine”, sagt der russische Militäranalytiker Michail Chodarienok im Gespräch mit der Rzeczpospolita. Außerdem geht es auch um die Frage, ob eine Auswechslung des Verteidigungsministers mitten im Krieg eine gute Idee ist. Und: Geht bei der Vergabe der staatlichen Fördermittel für NGO´s alles mit rechten Dingen zu?
Ekspert: Himarsy zmieniły bieg wojny, a Rosjanie nie nauczyli się na nie polować.
Ekspert: Himarsy zmieniły bieg wojny, a Rosjanie nie nauczyli się na nie polować.Mike Mareen/Shutterstock

Rzeczpospolita: Der lange Arm der Verteidiger

Russland bereitet sich intensiv auf eine neue Großoffensive vor. Gleichzeitig sind auch die amerikanischen GLSDB-Raketen auf dem Weg in die Ukraine, die über eine doppelt so große Reichweite verfügen, wie diejenigen, die bisher in den in der Ukraine genutzten HIMARS-Mehrfachraketenwerfern zum Einsatz kamen, schreibt im Aufmacher der konservativ-liberalen Rzeczpospolita der Publizist Andrzej Łomanowski. Die neuen Raketen, erinnert der Autor, würden Ziele erreichen können, die bis zu 150 Kilometer entfernt seien. Damit werde fast der ganze besetzte Teil der Ukraine in die Reichweite der ukrainischen Streitkräfte rücken, darunter auch die russischen Militärflughäfen im Norden der Krim-Halbinsel. 

Schon die Lieferung der ersten HIMARS-Munition mit kürzerer Reichweite, erinnert Łomanowski, habe den Kriegsverlauf verändert. Nach einer Serie von Angriffen, hätten die Russen alle Magazine und Befehlszentren um 70-80 Kilometer zurückziehen müssen. Wenn die GLSDB-Raketen eintreffen, werde dies die Logistik in der russischen Armee noch schwieriger machen. Die Ukrainer würden dann sowohl die besetzten Häfen in Mariupol und Bierdiansk unter Beschuss nehmen können, über die derzeit die russische Armee versorgt werde, als auch die Landwege, die die beschädigte Krim-Brücke ersetzen. “Einige Analytiker sind der Meinung, dass das Auftauchen der GLSDB-Raketen sogar zu größeren Veränderungen an der Front führen könnte, als die Lieferung von westlichen Panzern an die Ukraine”, sagt der russische Militäranalytiker Michail Chodarienok im Gespräch mit der Rzeczpospolita. 

Dziennik/Gazeta Prawna: Demission mitten im Krieg

Die Behörden in Kiew haben die Demission von Verteidigungsminister Oleksij Reznikow angekündigt, doch dann nach einem vielstündigen Mediengewitter hinzugefügt, dass diese nicht in dieser Woche zu erwarten ist, schreibt auf seiner Titelseite das Wirtschaftsblatt Dziennik/Gazeta Prawna. Die Idee einer Demission angesichts der noch im Winter erwarteten russischen Offensive, so die Zeitung, würde Zweifel wecken. Als möglicher Nachfolger von Reznikow würde General Kryrylo Budanow, der gut bewertete Chef des Militärgeheimdienstes, gelten. Der von den Amerikanern geschulte Offizier hatte im November 2021 im Gespräch mit “Military Times” als erster im Detail den Plan der nahenden russischen Invasion beschrieben, erinnert Dziennik/Gazeta Prawna. 

Rzeczpospolita: Bildungsminister zur Auswechslung?

Zur Innenpolitik. In den letzten Tagen widmen die Tagesblätter der sogenannten “Willa+ - Affäre” viel Aufmerksamkeit. Dem Bildungsminister wird die Verteilung von 40 Millionen Złoty aus einem Fonds für NGO´s nach politischen, statt inhaltlichen Kriterien vorgeworfen. Laut einer aktuellen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts IBRiS für die “Rzeczpospolita”, lesen wir, sei die Mehrheit der Polen der Meinung, dass die Affäre den Bildungsminister den Posten kosten sollte. Entschieden solcher Meinung seien 46,1 Prozent der Befragten, weitere 9,1 Prozent würden eher mit diesem Postulat übereinstimmen. Entgegengesetzter Meinung seien 28,7 Prozent der Befragten. Entschieden gegen eine Absetzung des Bildungsministers würde sich jeder fünfte Befragte aussprechen. 16 Prozent der Respondenten hätten keine Meinung zu dem Thema. 

Laut der oppositionellen Bürgerkoalition, lesen wir weiter, seien in dem vom Bildungsministerium ausgeschriebenen Wettbewerb zahlreiche Ungereimtheiten sichtbar. “Die im Wettbewerb definierten Prozeduren sind verletzt worden, die Subventionen sind vornehmlich an Stiftungen vergeben worden, die mit dem Regierungslager verbunden oder im Wahlkreis von Minister Czarnek registriert sind. Viele Stiftungen, die die Ziele des Wettbewerbs erfüllen, sind indes übergangen worden”, so die Opposition. Monika Falej von der Linken-Partei hat inzwischen Anzeige gegen Czarnek erstattet. 

Auch in einem anderen Wettbewerb, der wiederum von Kulturminister Piotr Gliński ausgeschrieben worden sei, sei offenbar nicht alles mit rechten Dingen zugegangen, berichtet die Rzeczpospolita ebenfalls auf ihrer Titelseite. Den größten Zuschuss von den 105 Benefiziaten habe dabei mit 430 Tausend Złoty der Verband Glaube und Tradition erhalten. Dabei handle es sich um eine Organisation, die zwei Monate vor der Ausschreibung mitten auf einem Feld registriert worden sei, so Rzeczpospolita.  

Unter dem Vorwand, konservative NGO’s zu unterstützen, scheine die Regierungspartei einen Finanzpuffer für die eventuelle Zeit in der Opposition vorzubereiten, urteilt in seinem Kommentar der Publizist der Zeitung Marek Kozubal. Eine Analogie zur kommunistischen Nomenklatur zum Ende der Volksrepublik, so der Autor, sei offensichtlich. Und dies sei noch nicht das Ende. Bis zu den Parlamentswahlen seien es noch einige Monate und weitere Millionen können verteilt werden, so Marek Kozubal in der Rzeczpospolita. 

Gazeta Polska Codziennie: Millionen von der Bürgerplattform für befreundete Stiftungen

Die regierungsnahe Gazeta Polska Codziennie kontert die Vorwürfe mit einem Angriff auf die Opposition. Millionen von der Bürgerplattform für befreundete Stiftungen, lesen wir im heutigen Aufmacher. Stiftungen, so die Zeitung, die für Prostitution werben, Pseudo-Bildungsgebilde, die die Sexualisierung von Kindern zum Ziel hätten, Organisationen, die die Postulate der Homolobby realisieren sowie NGO´s, die die Immigration antreiben oder offen die polnische Regierung für die Verteidigung der Grenze angreifen sowie Fake News über den Grenzschutz verbreiten - das seien nur einige Beispiele von Organisation, die in den letzten Jahren auf riesige Subventionen von Institutionen und Kommunen zählen konnten, die von Vertretern “der totalen Opposition” (wie sie die Zeitung konsequent nennt) kontrolliert werden, so Gazeta Polska Codziennie auf der Titelseite. Man müsse betonen, lesen wir weiter, das für die Opposition und die oppositionsnahen Medien alle Stiftungen mit der Regierungspartei verbunden seien, die keine linken Regenbogenpostulate verbreiten und sich nicht für LGBT-Rechte einsetzen. Zu Zeiten der Regierung Bürgerplattform-PSL hätten indes fast nur solche Stiftungen auf Zuschüsse zählen können. Und zwar riesige. So hätten unter anderem ein Service für homosexuelle Touristen und ein Großhändler EU-Gelder erhalten, der Sex-Shops mit Erotikprodukten versorge. Heute würde unter anderem die Stiftung für Soziale Bildung (FES) vom Warschauer Stadtpräsidenten Rafał Trzaskowski gefördert, die sich aktiv für LGBT-Organisationen einsetze, Sexualbildung in Schulen anbiete und in ihren Bildungsmaterialien über die Nutzung von psychoaktiven Substanzen aufkläre. Auch Organisationen, die die These von der unmenschlichen Behandlung von Migranten an der polnisch-belarussischen Grenze verbreiten und von der Kreml-Propaganda genutzt werden, könnten auf öffentliche Gelder zählen, so Gazeta Polska Codziennie.

Autor: Adam de Nisau