Deutsche Redaktion

"Deutschland will NATO-Ostflanke gerade dann schwächen, wenn Putin Atomwaffen verlegt"

25.04.2023 13:03
“Wenn unsere westlichen Nachbarn ihre “Patriots” abziehen, wird das ein eindeutiges Signal für Putin darstellen, dass er auf das Wohlwollen Berlins in wichtigen politischen Fragen in Bezug auf die NATO und EU zählen kann”, sagt der Chef des parlamentarischen Verteidigungsausschusses im Gespräch mit Gazeta Polska Codziennie. Außerdem: Worum geht es bei den Spannungen rund um die Gedenkfeiern in Ravensbrück. Und: Ist in die Verschleppung von ukrainischen Kindern auch Belarus verwickelt? 
Ukraina. System rakietowy Patriot już operuje na polu bitwy
Ukraina. System rakietowy Patriot już operuje na polu bitwyTwitter/Oleksii Reznikov

Gleich zwei Akzente zu den deutsch-polnischen Beziehungen sind heute in der nationalkonservativen Gazeta Polska Codziennie zu finden. 

Gazeta Polska Codziennie: Deutschland will NATO-Ostflanke schwächen

Die Deutschen werden die NATO-Ostflanke just in dem Moment schwächen, in dem Putin Atomwaffen nach Belarus verlegen will, schreibt das Blatt in seinem Aufmacher. Wie die Zeitung erinnert, erwägt die Bundeswehr, ihre “Patriot”-Luftabwehrsysteme bis Juni aus Polen zurückzuziehen. “Wenn unsere westlichen Nachbarn ihre “Patriots” abziehen, wird das ein eindeutiges Signal für Putin darstellen, dass er auf das Wohlwollen Berlins in wichtigen politischen Fragen in Bezug auf die NATO und EU zählen kann”, kommentiert die Medienberichte im Gespräch mit der Gazeta Polska der Chef des parlamentarischen Verteidigungsausschusses Michał Jach. Allein die Debatte über dieses Thema, so der Abgeordnete der Regierungspartei, sei schon eine gute Nachricht für den Kreml. 

Wie der ehemalige Oberbefehlshaber der Eliteeinheit GROM, General Roman Polko hinzufügt, sollte jede Diskussion zu solchen Themen vor allem auf dem Forum der NATO und nicht in den Medien geführt werden. “Wir befinden uns mitten in einem Informationskrieg und solche Mediengerüchte helfen Putin bei der Realisierung seines wichtigsten Ziels, also der Spaltung der NATO und EU”, so Polko. Zudem, so der Militär, dürfe man auch nicht vergessen, dass die NATO ein System der kollektiven Verteidigung ist. Niemand habe wohl Zweifel daran, dass die NATO-Ostflanke gefährdet ist und dass die deutschen “Patriot”-Systeme sowohl Polen als auch Deutschland beschützen. Schließlich dürfe man solche Projekte nicht “für einen Moment” machen. Die USA hätten den Schutz der NATO-Ostflanke als ein komplexes Projekt vorbereitet. Deutschland sollte sich ähnlich verhalten. Die Situation in der Region habe sich nicht verändert. Und Deutschland, das eine Führungsrolle in Europa anstrebe, sollte Vorhaben initiieren, die unsere gemeinsame Sicherheit stärken. Die Gerüchte rund um die “Patriots” würden dieser Sicherheit sicherlich nicht dienlich sein, so General Roman Polko im Gespräch mit Gazeta Polska Codziennie. 

Gazeta Polska Codziennie: Deutsche haben uns die Ehrung von polnischen Häftlingen verwehrt

Auch die Spannungen am Rande des 78. Jahrestags der Befreiung des Konzentrationslagers Ravensbrück sind der Aufmerksamkeit der Publizisten der Gazeta Polska nicht entgangen. Zur Erinnerung: Am Sonntag war eine Gruppe von Aktivisten des Verbands der Nationalen Streitkräfte aus Szczecin nicht auf das Gelände des ehemaligen Konzentrationslagers gelassen worden. Wie die Gazeta Polska berichtet, hatten die Männer neben weiß-roten Armbändern auch polnische Flaggen mit dem Kreuz der Nationalen Bewaffneten Tat - einem polnischen Verdienstorden, mit dem die Soldaten der Organisation ausgezeichnet wurden - bei sich. 

Geht es nach Wojciech Woźniak von der Stiftung Polnische Werte aus Szczecin, der seit Langem mit Jugendlichen zu den Gedenkfeiern in Ravensbrück reist, habe es seit vielen Jahren Probleme mit der Präsenz von polnischer Symbolik auf dem Gelände des Lagers gegeben. “Während der Gedenkfeierlichkeiten vertragen die Deutschen polnische nationale Symbole sehr schlecht”, so Woźniak. “Nicht nur polnische Flaggen, sondern sogar  weiß-rote Armbinden. Sie machen auch Probleme mit der Aufstellung einer Pfadfinderwache vor der Gedenktafel für die im Lager ermordeten Polinnen.” Die Organisatoren, lesen wir weiter, argumentieren, dass in Ravensbrück Frauen vieler Nationalitäten ermordet wurden, nicht nur Polinnen, und dass man allen Volksgruppen die gleiche Aufmerksamkeit schenken müsse, statt eine zu favorisieren. Tatsächlich, so die Zeitung, seien 132 Tausend Frauen aus 27 Ländern während des Zweiten Weltkriegs in dem Lager gefangengehalten worden, wovon 90 Tausend ums Leben kamen. Die größte Gruppe hätten jedoch die Polinnen gebildet, von denen 32 Tausend im Lager ihr Leben verloren hätten. 

Gleichzeitig, lesen wir weiter, würden die Museumsbehörden kein Problem darin sehen, dass an den Feierlichkeiten radikal linke Gruppierungen, wie die Antifa teilnehmen. Immer stärker werde auch die LGBT-Ideologie repräsentiert. Die Narration dieser Gruppierungen, laut der alle Opfer der Nazis gewesen seien, würde den Organisatoren gelegen kommen, da sie die Verantwortung für die deutschen Verbrechen im Zweiten Weltkrieg verwässert, so Gazeta Polska Codziennie. 

Gazeta Wyborcza: Auch Belarus verschleppt ukrainische Kinder

Und noch ein Artikel zum Krieg in der Ukraine und der Rolle von Belarus in der Invasion. Geht es nach dem ehemaligen belarussischen Kulturminister und heute einem der bekanntesten Kritiker des Lukaschenko-Regimes, Pavel Latuschka, haben die belarussischen Behörden mindestens 1400 ukrainische Kinder aus den von Russland besetzten Gebieten entführt. “In naher Zukunft sollen weitere tausend Kinder nach Belarus gebracht werden. Es handelt sich hauptsächlich um Kinder aus Waisenhäusern", so Latuschka im Gespräch mit der links-liberalen Gazeta Wyborcza. Geht es nach dem Aktivisten habe die Entscheidung über den Transport der ersten tausend ukrainischen Kinder im vergangenen Jahr Lukaschenko persönlich getroffen. “Im Rahmen des Unionsstaates Belarus und Russland sind spezielle Projekte mit dem Ziel der Ausfuhr von ukrainischen Kindern im Alter von 6 bis 15 Jahren in das Hoheitsgebiet der Republik Belarus abgesegnet worden. Diese Entscheidungen wurden auf Anweisung von Putin und Lukaschenko getroffen", sagt Latuschka in einem Interview mit der 'Wyborcza' und gibt zu, dass er sich einen Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag gegen Lukaschenko wünschen würde.

Die belarussische Anwältin und Beraterin der Oppositionspolitikerin Svetlana Tichanouska, Kristina Richter, betont, dass die Informationen, von denen Pavel Latuschka berichtet, überprüft werden müssen, um über etwaige Konsequenzen oder rechtliche Schritte sprechen zu können. “Es ist möglich, dass dies geschieht. Ich kann diese Information zum jetzigen Zeitpunkt weder bestätigen noch dementieren. Es ist notwendig, die von Latuschkos Mitarbeitern gesammelten Materialien gründlich zu prüfen", so die Anwältin im Gespräch mit “Gazeta Wyborcza”. 

Autor: Adam de Nisau