Deutsche Redaktion

"Der Krieg eint den Westen"

22.05.2023 12:42
Die Beschlüsse der G7 und das grüne Licht von Joe Biden für eventuelle F16-Lieferungen für die Ukraine sind ein wichtiges Thema der heutigen Pressekommentare. Welche Signale haben die reichsten Staaten an Russland und China gesendet? Inwiefern haben die Botschaften das Potenzial, Putin zum Umdenken zu bewegen? Und: Wieso werden kommenden Parlamentswahlen die wohl teuersten der Nachwendegeschichte sein? Die Einzelheiten in der Presseschau.
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G7Foto: PAP/EPA/JAPAN POOL

Rzeczpospolita: Der Krieg eint den Westen

Es sei klar, dass auch eine Lieferung von F-16-Flugzeugen den Ukrainern nicht von einem Tag auf den anderen Lufthoheit in dem Krieg garantieren werde, schreibt dazu die Publizistin der konservativ-liberalen Rzeczpospolita, Anna Słojewska. Doch die Determination Westeuropas und die Unterstützung von Seiten der USA, so die Autorin, würden zwei wichtige Signale an Moskau senden. Erstens: Der Westen sei vereint und bereit, im Bereich der militärischen Unterstützung, hohe finanzielle Kosten auf sich zu nehmen. Zweitens: Die Strategie Moskaus, den Krieg in die Länge zu ziehen, werde sich nicht auszahlen, da die Wehrhaftigkeit der Ukraine durch die angekündigte Unterstützung weiter steigen werde. 

Ein ähnlich starkes Signal zur Einheit des Westens, lesen wir, habe auch China erhalten, das schon seit der Administration Trump versuche, einen Keil zwischen Europa und die USA zu treiben. Diese Bemühungen würden jedoch, wie der Gipfel in Hiroshima zeige, ohne Erfolg bleiben. Denn in der Schlusserklärung sei auch ein in der Geschichte der Treffen in diesem Gremium präzedenzloses Postulat zur Notwendigkeit einer stärkeren wirtschaftlichen Unabhängigkeit von China und eine Verurteilung der Versuche Pekings, seine Handelspartner wirtschaftlich zu erpressen enthalten. Auch dies sei eine Folge des Kriegs in der Ukraine. Die engen Beziehungen zwischen Peking und Moskau hätten vielen Anführern die Augen in Bezug auf die Risiken geöffnet, die freier Handel mit China nach sich ziehe, so Anna Słojewska in der Rzeczpospolita. 

Rzeczpospolita: Putin denkt an einen Krieg gegen den Westen

Inwieweit können die Signale vom G7-Gipfel Putin tatsächlich zum Umdenken bewegen? Der russische Oppositionelle und ehemalige Berater von Präsident Boris Jelzin, Leonid Gozman zeigt sich, ebenfalls in einem Gespräch mit der Rzeczpospolita, pessimistisch. Putin, so Gozman, sei heute einer der unabhängigsten Menschen auf der Welt. Er hänge von nichts und niemandem ab. Zudem habe er den Bezug zur Realität offenkundig verloren. Auch das russische Volk habe keinen Einfluss auf seine Entscheidungen, denn für Putin seien nur noch seine eigenen Ideale und Überzeugungen von Bedeutung. Daher, so Gozman, sei er der Meinung, dass Putin keine gesellschaftlichen oder wirtschaftlichen Schwierigkeiten stoppen werden. Wenn es sich als notwendig erweise, werde er Lebensmittelkarten einführen und die Menschen mit Gewalt in die Arbeit für die Rüstungsindustrie einspannen. Er werde eine beliebig große Zahl von Menschen opfern, denn die Opferzahl sei ihm egal. Putin, so der Oppositionelle, werde nie stoppen, es sei denn, er werde von anderen gestoppt. 

Von den Umfragen zur Unterstützung von Putin in der Gesellschaft, die vom Levada-Zentrum veröffentlicht werden, hält Gozman nicht viel. Viele Teilnehmer dieser Studien würden dort ihre Unterstützung für Putin bekunden, um in Ruhe gelassen zu werden. Derweil gebe es andere Signale, die darauf hindeuten, dass der Rückhalt für Putin in der Gesellschaft viel geringer sei. Wie etwa den internationalen Haftbefehl gegen Putin, der keine Proteste und Kundgebungen für den Kreml-Herrscher nach sich gezogen habe. Auch in privaten Gesprächen sei das Thema in Russland nicht existent. Ein zweites Beispiel sei die neuerliche Drohnenattacke auf den Kreml, die Präsidentensprecher Peskow als Anschlag auf Putin bezeichnet habe. Auch hier habe niemand protestiert und seine Empörung ausgedrückt. Das Herz Russlands, ein für den Staat höchst symbolträchtiger Ort werde angegriffen und die Einwohner gehe das nichts an. Wo sei also diese riesige Unterstützung für Putin, fragt Gozman. 

Eine Rebellion oder einen Putsch halte er dennoch erst dann für wahrscheinlich, wenn die Ukraine die Krim zurückerobere. Cherson könne man leicht vergessen, Putin hat diese Stadt nie erwähnt. Aber nicht die Krim. Eine Niederlage auf der Halbinsel könne dazu führen, dass Putins Leute sagen werden: “Es reicht”. Große Teile der Opposition, so Gozman, würden indes in einer vor kurzem unterzeichneten Deklaration eine Rückkehr zu den Grenzen von 1991 befürworten. 

Und die Zukunft Russlands? Er wisse nicht, wie Russland in Zukunft aussehen werde. Er sei jedoch überzeugt, dass es Chancen darauf gebe, dass das Land einen demokratischen Weg wählt. Gleichzeitig glaube er jedoch, dass dies nicht sofort geschehen werde. Zuvor könne uns noch eine Serie von autoritären Diktaturen erwarten. Bestenfalls, so Leonid Gozman im Gespräch mit der Rzeczpospolita. 

Dziennik/Gazeta Prawna: Wahlen 4000+

Die Zahl der Wahllokale werde infolge der durch die Regierungsparteim PiS vorgenommenen Gesetzesänderungen um etwa 15 Prozent, also um ca. 4 Tausend steigen, schreibt indes in der heutigen Ausgabe das Wirtschaftsblatt Dziennik/Gazeta Prawna. Die neuen Lokale würden vor allem in den ländlichen Gebieten, in Wahlkreisen mit mindestens 200 Einwohnern entstehen. Die Regierungspartei PiS, so die Zeitung, habe die Änderungen vor den Parlamentswahlen einführen wollen, da sie eben in solchen Wahlkreisen auf besonders hohe Unterstützung zählen könne. Die Wahlkampfstrategen der PiS würden darauf zählen, dass die Partei dank der Änderungen sogar mehrere hunderttausend Stimmen mehr erhalten werde. Die zusätzlichen Wahlkreise würden auch bedeuten, dass die kommenden Wahlen die teuersten in der Nachwende-Geschichte sein werden. Vor allem, da man bei 4 Tausend neuen Lokalen 20 Tausend Personen zusätzlich rekrutieren müsse, so dass in jedem Wahlkreis eine fünfköpfige Kommission funktionieren könne. Das nationale Wahlbüro mache sich darum jedoch keine Sorgen. Im diesjährigen Haushalt seien immer noch Mittel für die Kommunalwahlen reserviert. Und diese seien auf den Frühling 2024 verschoben worden, so Dziennik/Gazeta Prawna.

Autor: Adam de Nisau