Deutsche Redaktion

Russischer „Cyber-Gulag“

25.05.2023 13:22
Kameras sollte man in Moskau besser meiden und für einen Beitrag über Putin kann man für sieben Jahre ins Gefängnis kommen. Die russische Regierung zieht eine technologische Schlinge um ihre Gesellschaft. Das Leben unter Putins Diktatur ist eines unserer Themen in der Presseschau.
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Bild:Valeriya Zankovych / Shutterstock.com

Dziennik: Den Staat im Wahljahr wieder mögen 

Polen sei geteilt, Polen sei ein Land verschiedener Stämme geworden. Zwei Lager, die ihre eigenen Zeitungen, Radios, Fernseher, Social-Media- Blasen und sogar unterschiedliche Orte für Spaß und Freizeit haben. Solche Schlüsse könne man ziehen, wenn man Soziologen und Journalisten zuhöre oder Familien- und Gesellschaftsgespräche führe, schreibt die polnische Juristin Zuzanna Rudzińska-Bluszcz für das Online-Blatt Dziennik. Inzwischen gebe es aber gemeinsame und dringende Probleme, die alle Bürger gemeinsam bewältigen müssten. Darunter der Klimawandel oder der Krieg in der Ukraine. Das Wahljahr 2023 biete deshalb, der Autorin nach, einzigartige Möglichkeiten zum Handeln.

Zuerst, lesen wir, sollten Polen ihren Institutionen eine Chance geben. Auch wenn dort Verzögerung, Kaltschnäuzigkeit, Formalismus oder Bürokratie kommunistischer Prägung vorkämen. Es seien jene Institutionen, heißt es, die wie ein Anker Polen als Staat und Gesellschaft über Wasser halten. Politiker kommen und gehen, so die Autorin, aber das öffentliche System funktioniere unabhängig, wie eine autonome Einheit.

Zweitens sollten Polen bei den Wahlen bewusst wählen. Es obliege den Bürgern, die Politiker alle vier Jahre für ihre Wahlversprechen zur Rechenschaft zu ziehen. Der Wahlkampf sei auch eine einzigartige Zeit, in der die Politiker durch das Land reisen. Es lohne sich daher, rät Bluszcz, sie nach ihrer Vision von Polen in 5 oder 10 Jahren zu fragen.

Drittens, Polen sollten miteinander reden und nach unscheinbaren Verbündeten suchen. Geht es nach der Juristin, würden die Trennlinien in der Gesellschaft nämlich nicht unbedingt mit Wahlumfragen oder dem Narrativ im Parlament übereinstimmen.

Sie glaube, dass jeder - ob Aktivist, Angestellte, Akademiker oder Künstler - Zugang zu einem Stück der polnischen Realität habe. Nur wenn man dieses Mosaik zusammensetze, erhalte man das vollständige Gesamtbild. Das Fenster der Gelegenheit sei deshalb jetzt, lautet ihr Fazit in Dziennik. Nie würden Politiker so genau auf die Stimme der Bürger wie in der Zeit vor den Wahlen hören. 

Wprost: Russischer „Cyber-Gulag“ 

Das Wochenblatt Wprost schreibt darüber, wie Putin die russische Gesellschaft kontrolliert. In Moskau, heißt es, sei es besser, Kameras zu meiden, für einen Beitrag über Putin könne man im Gefängnis landen. Memes in sozialen Medien würde ein AI-System überwachen. Die russische Regierung, so das Blatt, ziehe die technologische Schlinge um ihre Gesellschaft immer enger. Dieser „Cyber-Gulag" sei auf Befehl von Wladimir Putin geschaffen worden. Allein Moskau verfüge über ein System von Kameras zur Gesichtserkennung. Dank 250.000 dieser Geräte habe man bereits im Jahr 2020 COVID-19-Quarantäneverletzer gesucht. Jetzt würden sie dazu dienen, u.a. Wehrdienstverweigerer und Demonstranten gegen die Behörden zu finden. Russland plane auch, sein eigenes „souveränes Internet" zu schaffen. Das gigantische Projekt werde mit Chinas Computernetzwerk verglichen, das durch eine mächtige Firewall vom Westen abgeschnitten ist.

Die Verfolgung im Internet und die Überwachung der sozialen Medien haben sich seit der Besetzung der Krim im Jahr 2014 weiter verschärft, heißt es weiter. Damals trat das „Anti-Extremismus-Gesetz" in Kraft. Seitdem müssten Nutzer von Facebook, Twitter, Instagram oder Telegram vorsichtig sein, was sie schreiben. Seit Februar 2022 hat sich die Bespitzelung der eigenen Bürger nur noch beschleunigt, fährt das Blatt fort. Spätere Gesetzesänderungen hätten die Äußerung von Widerstand gegen den Krieg faktisch verboten. Dafür drohen Geldstrafen in Höhe von 12 Tausend Euro. Der Kreml sehe dies als „Bekämpfung von Desinformation" und als Verbot der Diskreditierung des russischen Militärs an. Für Einträge, in denen davon die Rede ist, „Putin zu hängen“, drohen bereits sieben Jahre Gefängnis. 

Biznesalert: Polen muss seine eigene Energieschutzflotte aufbauen 

Wie das Nachrichtenportal Biznesalert schreibt, müsse Polens Energieinfrastruktur angemessen geschützt werden, damit sich ein ähnlicher Vorfall wie die Sabotage der Gaspipelines Nord Stream 1 und 2 nicht wiederhole. Deshalb müsse man die Marine des Landes ausbauen, lesen wir.

Ein massiver Raketenangriff von Kaliningrad aus reiche Russland aus, um die kritische Infrastruktur Polens im Baltikum lahm zu legen. Die russische Kriegsdoktrin besage eindeutig, so das Portal, dass die Zerstörung der kritischen Infrastruktur des Gegners entscheidend sei. Das beste Beispiel dafür seien die massiven Raketenangriffe auf die Energieinfrastruktur der Ukraine. Damit wollte der Kreml die ukrainische Bevölkerung lähmen und ihr vor dem Winter den Zugang zu Rohstoffen nehmen. Ähnliche Aktionen gegen Polen seien in absehbarer Zeit wahrscheinlich, heißt es.

Trotz der Energiewende und der Diversifizierung der Versorgungsquellen sei Polen nach wie vor von der Einfuhr von Energieressourcen abhängig. Kritische Infrastrukturen sind an der Küste konzentriert, was Ablenkungsmanöver, terroristische und bewaffnete Operationen gegen sie erleichtere.

Die Entscheidung, seine Marine tatsächlich zu modernisieren, habe Polen vor allem unter dem Druck des Überfalls Russlands auf die Ukraine getroffen. Polen seien zu dem Schluss gekommen, dass es keine Zeit mehr für weitere Debatten gebe. Die kurzfristigen Kosten dafür seien sehr hoch. Sie würden jedoch durch den langfristigen Seelenfrieden wieder ausgeglichen werden.

Zusammen mit den alliierten Flotten in der Ostsee, der deutschen und der dänischen Flotte und in Zukunft womöglich der schwedischen und der finnischen Flotte, würde ein Gegengewicht zur russischen Ostseeflotte und den in Königsberg stationierten Raketensystemen entstehen.

 

Piotr Siemiński