Deutsche Redaktion

"Aus der Geschichte lernen"

26.05.2023 10:56
Sind Polen und die Ukraine in der Lage, das schwierige Thema des Massakers von Wolhynien gemeinsam zu bewältigen? Die Pläne der EU-Kommission zu einer Neuauflage der Migrantenquoten sorgen in Polen für Kopfschütteln. Und: Im Vorfeld der Parlamentswahlen arbeiten die Politiker unter Hochdruck an neuen Koalitionen. Die Einzelheiten in der Presseschau.
Pomnikiem Rzezi Wołyńskiej w Warszawie
Pomnikiem Rzezi Wołyńskiej w WarszawiePAP/Paweł Supernak

RZECZPOSPOLITA: Aus der Geschichte lernen

Das Massaker von Wolhynien bleibe eine offene Wunde in der Beziehungen zwischen Polen und der Ukraine, stellt in seinem Kommentar in der Tageszeitung Rzeczpospolita ihr Chefredakteur Bogusław Chrabota fest. Die Tausenden polnischen Opfer dürfe man nicht einfach so vergessen, unabhängig davon, wie gut die Beziehungen zu den jüngeren Generationen von Ukrainern seien. Gleichzeitig müsse man auch vergeben können. Denn man könne nicht leben, wenn man stets nur von Hass getrieben werde. Daher sei es so wichtig, zu vergeben, ohne das Geschehene dabei jedoch zu vergessen. Die Vergebung einer Schuld bedürfe aber auch des guten Willens auf der Seite des Täters, stellt der Publizist fest und überlegt, ob ein solcher Prozess zwischen den Polen und der Ukrainern möglich sei. Er hoffe, so Chrabota weiter, dass dies zutreffe, auch wenn die letzten drei Jahrzehnte in dieser Hinsicht alles andere als einfach gewesen seien. In der Ukraine habe man im Grunde genommen kein Verständnis für das polnische Leid gesehen. Dies wiederum habe zu Argwohn und Misstrauen auf der polnischen Seite geführt.

Der russische Angriffskrieg habe viel verändert. Und die Worte des ukrainischen Parlamentspräsidenten zeugen davon, dass beide Länder langsam eine gemeinsame Sprache finden. „Wir verstehen Ihren Schmerz über den Verlust Ihrer Angehörigen”, sagte Ruslan Stefantschuk am Donnerstag in seiner Rede vor dem polnischen Parlament. „Allen Familien und Nachkommen der Opfer der Ereignisse in Wolhynien spreche ich mein aufrichtiges Mitgefühl und meine Dankbarkeit dafür aus, dass sie das Andenken an Ihre Vorfahren bewahren. Das Andenken, dass man als Warnung verstehen sollte, damit nie wieder so etwas zwischen den beiden Nationen geschehen kann”. Er hoffe, dass es den Polen und den Ukrainer gelingen werde, zu beweisen, dass man aus der Geschichte doch lernen könne, schreibt Bogusław Chrabota in der Tageszeitung Rzeczpospolita.

DZIENNIK/GAZETA PRAWNA: Merkwürdige Ungleichheit

Politische Pläne zum Umgang mit den Folgen der Migration sorgen in Polen erneut für Schlagzeilen. Die Europäische Kommission möchte, dass EU-Länder, die sich nicht an der Umsiedlung von Migranten beteiligen wollen, einen finanziellen Gegenwert von 22.000 Euro pro Migrant zahlen. Ein solcher Vorschlag sei von der EU-Kommissarin für Innenangelegenheiten, Ylva Johansson, vorgelegt worden, berichtet die Tageszeitung Dziennik/Gazeta Prawna. Johanssons Vorschlag sei die Wiederaufnahme einer Diskussion, die 2015 mit der EU-Migrationskrise begonnen habe. Damals wollten einige Länder dem Vorschlag nicht zustimmen. Daraufhin habe die Europäische Kommission Vertragsverletzungsverfahren gegen diese Länder eingeführt, unter anderem gegen Polen.

Polens EU-Minister, Szymon Szynkowski vel Sęk, habe Stellung zu den Plänen bezogen, berichtet das Blatt. Polen, so der Politiker, habe sich immer gegen eine Zwangsumsiedlung ausgesprochen. Die darauffolgenden Ereignisse hätten gezeigt, dass die Einstellung Polens richtig gewesen ist. Der Mechanismus habe sich als schädlich und ineffektiv erwiesen. Warschau werde sich weiterhin entschlossen gegen den Versuch aussprechen, die Zwangsumsiedlung wieder einzuführen.

In einem Gespräch mit der Kommissarin Johansson habe der polnische Botschafter Andrzej Sadoś darauf hingewiesen, dass sich in Polen derzeit über eine Million Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine aufhalten würden. Die EU-Kommission habe Polen dabei mit einer Summe von 200 Millionen Euro unterstützt. Ein ganz wichtige Frage laute also: wieso sollen also EU-Länder einen finanziellen Gegenwert von 22 Tausend für eine Person zahlen, wenn Polen für jeden ukrainischen Kriegsflüchtling 200 Euro zur Verfügung gestellt wurden, zitiert den Botschafter die Tageszeitung Dziennik/Gazeta Prawna.

SUPER EXPRESS: Neue Koalitionen

Für die Parlamentswahl im Herbst werden derzeit unter Hochdruck neue Koalitionen geschmiedet, schreibt die Tageszeitung Super Express. Es sei bereits klar, erinnert das Blatt, dass die Bauernpartei PSL die Wahl auf einer Liste mit der Gruppierung des ehemaligen Fernsehmoderators Szymon Hołownia antreten werde. Die Regierungspartei wiederum werde höchstwahrscheinlich die Partei des Rockmusikers Paweł Kukiz auf ihre Listen aufnehmen. In dem kommenden Tagen werde eine entsprechende Vereinbarung unterzeichnet, kündigte Kukiz in einem Interview an. Man habe die Bedingungen der künftigen Zusammenarbeit soeben ausgehandelt. Nun müsse man nur noch die entsprechenden Papiere unterzeichnen. Bislang habe der Chef der Regierungspartei immer sein Wort gehalten. Er blicke also zuversichtlich in die Zukunft, sagte der Politiker.

Paweł Kukiz ist Rockmusiker. Bei der Präsidentschaftswahl 2015 habe er unerwartet das drittbeste Ergebnis erreicht. Danach habe er eine eigene Gruppierung gegründet, die aber nach mehreren Konflikten auseinandergefallen war. Seit längerer Zeit unterstütze er mit seinen drei verbliebenen Abgeordneten die regierende Partei Recht und Gerechtigkeit.

Autor: Jakub Kukla