Deutsche Redaktion

"Eine Bilanz der polnischen Transformation"

02.06.2023 09:45
Trotz aktueller Probleme, wenn man aus der Vogelperspektive auf die Umwandlungen der letzten 34 Jahre werfe, müsse man die Veränderungen positiv bewerten. Und diese schützen, schreibt Rzeczpospolita. Außerdem: Könnte sich die umstrittene Sonderkommission zur Untersuchung russischer Einflüsse nicht nur für die Regierungspartei sondern auch für die Opposition als nützlich erweisen? Und: Wird der Staatspräsident sich in die Wahlkampagne der PiS einspannen lassen? Die Einzelheiten in der Presseschau.
Z gospodarki napływają pozytywne informacje
Z gospodarki napływają pozytywne informacjeShutterstock/TTstudio

RZECZPOSPOLITA: Eine Bilanz der polnischen Transformation

Zu Beginn der Transformation war mehr als die Hälfte der vom Meinungsforschungsinstitut CBOS befragten Polen davon überzeugt, dass sich die wirtschaftliche Situation in Polen verbessern wird, schreibt in ihrem Wirtschaftsteil die Tageszeitung Rzeczpospolita. Nie wieder habe der Optimismus ein solches Ausmaß erreicht. So habe im vergangenen Jahr etwa mehr als die Hälfte der Befragten geglaubt, dass sich die wirtschaftliche Lage verschlechtern wird.

Diese Veränderung im Verhältnis zwischen Optimisten und Pessimisten sei nicht überraschend, lesen wir. Die Transformation sei ein Erfolg gewesen, aber die nächsten 34 Jahre nach ihrer Umsetzung seien im Rhythmus der Wirtschaftszyklen, unterbrochen von größeren und kleineren Krisen verlaufen.

Aktuelle Probleme auf dem Arbeits- und Wohnungsmarkt, denn der mangelnde Wohnraum sei immer noch eines der gravierendsten sozialen und wirtschaftlichen Probleme Polens, sowie die Inflation würden zwar den Blick auf den wirtschaftlichen Wandel aus einer breiteren Perspektive erschweren. Wenn man aber einen solchen Blick auf die Umwandlungen werfe, müsse man die Veränderungen positiv bewerten.

„Wir haben die Marktwirtschaft eingeführt, obwohl dies erhebliche Kosten verursacht habe und die erste Phase schwierig gewesen ist“, sagt im Gespräch mit dem Blatt der Wirtschaftsexperte und Rektor der Warschauer Wirtschaftshochschule, Piotr Wachowiak. Er weist darauf hin, dass die wirtschaftliche Transformation dank des Plans des stellvertretenden Ministerpräsidenten Leszek Balcerowicz möglich war. Niemand habe damals Verantwortung übernehmen wollen, erinnert sich Wachowiak. Letztlich habe die schmerzvolle Transformation aber den Beitritt zur Europäischen Union ermöglicht, was die wirtschaftliche Entwicklung zusätzlich beschleunigt habe.

Man habe zugleich das Bildungsniveau, auch in der Weiterbildung, angehoben. Dies wiederum habe die Diversifizierung der Wirtschaft und ihre Öffnung auf die Welt ermöglicht. Heute betrage das Verhältnis der Warenexporte zum BIP 49 Prozent und das Verhältnis der Exporte zum Industrieumsatz 65 Prozent, zählt der Experte von der polnischen Handelskammer, Piotr Soroczyński auf.

Das in den letzten drei Jahrzehnten entwickelte Potenzial bedeute nach Meinung vieler Historiker, dass man von der besten Zeit in der modernen Geschichte Polens sprechen könne. Man sollte deshalb mit äußerster Vorsicht mit der Wirtschaft umgehen, um dieses Potenzial nicht zu vergeuden, stellt die Tageszeitung Rzeczpospolita fest.

DZIENNIK/GAZETA PRAWNA: Kommission bequem für beide Seiten

Auch wenn die PiS auf die Idee einer Sonderkommission zur Aufklärung russischer Einflüsse verzichten sollte, sei die Milch bereits verschüttet, schreibt die Tageszeitung Dziennik/Gazeta Prawna. Der Glaube, dass zur Lösung eines Problems eine Sonderkommission eingesetzt werden sollte, so die Zeitung, ist in unserem Land seit Jahren fest verankert. Nun wollten Politiker der Regierungspartei eine außerordentliche Kommission zum russischen Einfluss ins Leben rufen. Über die rechtlichen Nachteile und möglichen Wahlfolgen sei schon viel geschrieben worden. Weniger - über das eigentliche Problem der russischen Einflussnahme und ob die genannte Kommission eine Chance hätte, sie zu reduzieren. Die schmerzliche Wahrheit zeige, dass sich Polen schon seit langem mit verschiedenen Formen des Phänomens auseinandersetze und dass dies die nationale Sicherheit erheblich beeinträchtige.

Zwei politische Blöcke, oder vielmehr verfeindete Stämme, würden aber stets versuchen, den Glauben zu erwecken, dass das Problem nur den politischen Gegner betreffe. Die Vereinigte Rechte betrachte die Sonderkommission eindeutig als ein Instrument, um die Opposition zu diskreditieren und sie als organisierte russische oder notfalls russisch-deutsche Agenten zu positionieren.

Politisch sei das, zumindest vorübergehend, praktisch. Inflation? Korruption? Skandale in den eigenen Reihen? Was soll’s? Es sei viele wichtiger, dass Jarosław Kaczyński und Mateusz Morawiecki die Polen mit ihrer eigenen Brust gegen ausländische Agenten verteidigen. Aber auch für die andere Seite sei es in mancher Hinsicht eine günstige Situation. Ein solcher Angriff mobilisiere erstens die eiserne Wählerschaft und bietet zweitens die Möglichkeit, in den Augen vieler bisher instabiler Wähler als unschuldiges Opfer zu erscheinen, lautet das Fazit in der Tageszeitung Dziennik/Gazeta Prawna.

SUPER EXPRESS: Präsident sollte sich vom Wahlkampf distanzieren

In der Partei Recht und Gerechtigkeit könne niemand des Macherhalts sicher sein. Um sich Machtträume zu erfüllen, reiche die aktuelle Wählerzustimmung nicht aus. Zum Wahlsieg könnte aber Präsident Andrzej Duda verhelfen, der vor drei Jahren bei den Wahlen über 10 Millionen Stimmen bekommen habe und die Rangliste der vertrauenswürdigsten Politiker anführe, schreibt das Boulevardblatt Super Express. „Er ist viel populärer als die Regierung, was für PiS-Kollegen manchmal schwer zu akzeptieren ist“, sagt Marcin Mastalerek, ein Berater des Präsidenten. Einer der wichtigen PiS-Politiker sagte dem Blatt, dass Ex-Premierministerin Beata Szydło versucht hat, den Präsidenten dazu zu überreden, sich der PiS-Kampagne anzuschließen.

Professor Wawrzyniec Konarski, Politikwissenschaftler, sei anderer Meinung und fordere den Präsident dazu auf, sich im Wahlkampf von einzelnen politischen Parteien zu distanzieren. Andrzej Duda habe einmal gesagt, er wolle der Präsident aller Polen werden. Deshalb dürfe er sich nicht auf eine parteiische Kampagne einlassen, sagt der Experte im Blatt Super Express.

Autor: Jakub Kukla