Deutsche Redaktion

Verzögert die PiS die Bildung einer neuen Regierung aus strategischen Gründen?

15.11.2023 12:06
Nach Erkenntnissen der Tageszeitung Rzeczpospolita wolle die Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) die Bildung einer neuen Regierung bis Mitte Dezember hinauszögern. Wie wir lesen, stecke dahinter ein strategischer Grund. 
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Rzeczpospolita: Verzögert die PiS die Bildung einer neuen Regierung aus strategischen Gründen? 

Nach Erkenntnissen der Tageszeitung Rzeczpospolita wolle die Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) die Bildung einer neuen Regierung bis Mitte Dezember hinauszögern. Wie wir lesen, stecke dahinter ein strategischer Grund. Zu diesem Zeitpunkt sollen nämlich die wichtigsten Änderungen der Gesetze über Polens Sonderdienste in Kraft treten. Nach dem 14. Dezember werden die Gesetzesnovellen über das Zentrale Antikorruptionsbüro (CBA), die Agentur für Innere Sicherheit und den Geheimdienst eingeführt, schreibt die Zeitung.

Nach diesen Verordnungen, lesen wir, würde die operative Kontrolle über diese Sonderdienste in die Hände des Staatsanwalts übergehen. Dieser, heißt es, könne vom Sejm, in dem die Oppositionsparteien zwar jetzt die Mehrheit haben, nicht abgewählt werden. Die Änderungen, die in den kurz vor dem Rücktritt der konservativen Regierung veröffentlichten Vorschriften enthalten seien, würden damit dem Staatsanwalt die absolute Macht verleihen. Bisher sei dies dem Generalstaatsanwalt und gleichzeitig dem Justizminister vorbehalten gewesen, so die Rzeczpospolita. Ab Mitte Dezember soll der Staatsanwalt Personalentscheidungen in der Staatsanwaltschaft und über die Versetzung von Staatsanwälten in andere Dienststellen treffen können. Er werde auch die volle Aufsicht über die wichtigsten Ermittlungen und die operative und investigative Kontrolle übernehmen.

Die Funktion des Staatsanwalts wird derzeit von einem Mann des Justizministers der konservativen Partei PiS Zbigniew Ziobro ausgeübt. Wie man damit sehe, schütze sich die Partei Recht und Gerechtigkeit vor ihrem Abgang. Die Zusicherungen der neuen Regierungskoalition, die scheidende Regierungspartei zur Rechenschaft zu ziehen, wären daher voreilig, erklärt ein ehemaliger Funktionär der ABW-Führung im Interview mit der Tageszeitung.

Das Blatt weist aber auch am Schluss darauf hin, dass es schwierig sein könnte, das Gesetz in diesem Bereich zu ändern. Um dies durchzusetzen, sei die Zustimmung des Präsidenten erforderlich. 

Wprost: Wird Andrzej Duda die Pläne der Koalition durchkreuzen? 

Die ehemalige Sejmmarschallin der PiS, Elżbieta Witek, wurde nicht zur stellvertretenden Parlamentspräsidentin gewählt. Dasselbe betrifft Marek Pęk von der PiS. Auch er wurde nicht als stellvertretender Senatsmarschall unterstützt. Wie das Wochenblatt Wprost schreibt, sei dies die erste Niederlage für die Partei Recht und Gerechtigkeit in der neuen Legislaturperiode des Sejm. Es sei auch die erste in einer Reihe von Demütigungen, die die abtretende Regierung in dieser neuen Amtszeit hinnehmen müsse. Aber auch Präsident Andrzej Duda habe der triumphierenden Opposition eine bittere Pille verabreicht, indem er ankündigte, worüber er wachen und wogegen er sein Veto einlegen werde. Wie wir lesen, sehe es so aus, als plane er alles abzulehnen, was die neue Regierung aus drei Oppositionsparteien vorschlagen werde.

Der erste Tag der zehnten Legislaturperiode des Sejm sei aber vor allem kein Traumtag für die scheidende Regierungspartei gewesen, so Wprost. Die ehemalige Sejm-Chefin Witek musste sich anhören, wie sie vier Jahre lang die Regeln des Sejm gebrochen habe, indem sie die Wiederholung von Abstimmungen angeordnet und Oppositionspolitiker geknebelt habe.

In der Debatte über die Kandidaten für das Amt des Sejmmarschalls trat auch Grzegorz Braun von der rechtsradikalen Konföderation auf. Witek hatte ihn oftmals aus dem Plenarsaal geworfen, weil er sich weigerte, während der Pandemie eine Maske zu tragen. Jetzt schüttete dieser all seine Beschwerden über die ehemalige Sejmmarschallin aus und beschuldigte sie sogar der Kriegstreiberei angesichts des Konflikts in der Ukraine. Die Oppositionsfraktionen hätte sein Auftritt jedoch nicht sonderlich beeindruckt, lesen wir.

In der zweiten Abstimmung über die Kandidaten für den stellvertretenden Sejmmarschall, heißt es weiter, wurden alle Kandidaten reibungslos gewählt: von der oppositionellen KO (zwei), der Volkspartei PSL, Neuen Linken und sogar der Konföderation. Nur die Kandidatur von Witek wurde abgelehnt, obwohl der Präsident dazu aufgerufen hatte, dass jeder Klub selbst einen Kandidaten für dieses Amt vorschlagen dürfe. Nach der Abstimmung über die Kandidatur von Witek sei sogar auf den Bänken der Oppositionsfraktionen Jubel zu hören gewesen. Am Abend traf das gleiche Schicksal Marek Pęk, obwohl er dieses Amt bereits in der vorherigen Legislaturperiode im Senat innehatte. Wie das Blatt am Schluss schreibt, bedeute dies, dass die Abrechnung mit der konservativen Partei Recht und Gerechtigkeit somit begonnen habe. 

Dziennik/ Gazeta Prawna: Nicht alle Ideen der scheidenden Regierungspartei waren schlecht 

Wie Dziennik/Gazeta Prawna schreibt, habe Donald Tusk die Absage für die Funktion der Vize-Sejmmarschallin an Elżbieta Witek als die neuen „Fundamente" bezeichnet. Alle oppositionellen Fraktionen im Sejm hätten ähnliche Vorstellungen zur Abrechnung mit der ehemaligen Regierungspartei und der von ihr eingeführten Standards. Ein solches Fundament soll auch eine vollständige Änderung der Europapolitik sein. Wie wir lesen, habe diese Politik der Partei Recht und Gerechtigkeit zu Polens katastrophaler Position in der EU beigetragen. Die Ursache: Bis heute könne Polen nicht von den Milliarden Euro aus dem Wiederaufbaufonds der Gemeinschaft profitieren.

Die Auszahlung der Gelder sei natürlich nur eines der ersten Ziele von Tusk. Vieles deute darauf hin, dass dies relativ schnell erreicht werde. Von dort aus sei es nur noch ein Schritt bis zur Anerkennung, dass Polen in Europa seinen rechtmäßigen Platz am gemeinsamen Tisch wieder eingenommen habe, heißt es. Der Weg zur dauerhaften Wiederherstellung der Position Polens in der EU werde jedoch viel länger sein. Es lohne sich deshalb nicht, im Rahmen fundamentaler Veränderungen alles, was mit der PiS zu tun habe, in den Müll zu werfen, fährt das Blatt fort.

Dazu gehöre, dem Blatt nach, die Verlegung des EU-Ministerbereichs vom Außenministerium direkt in das Büro des Premierministers. Wie wir lesen, werde die Europapolitik immer komplexer. Indem der Regierungschef den Europaminister direkt an seiner Seite habe, könne er die Beziehungen zur EU besser gestalten.

Ein weiteres, nützliches Element, das von den PiS-Regierungen eingeführt wurde, war die regionale Zusammenarbeit, heißt es weiter. Entgegen aller Beschwörungen stehe Polen heute nicht in einer Reihe mit Ländern wie Deutschland, Frankreich oder Italien. Polen könne deshalb ohne die Unterstützung der Länder in der Region nicht zu einem führenden Partner in der EU werden. Die Opposition habe der PiS vorgeworfen, mit der Unterstützung der V4-Gruppe, der Drei-Meeres-Initiative oder der Bukarester Neun (B9) eine Alternative zur Zusammenarbeit mit der EU schaffen zu wollen. Erst die positive Aufnahme dieser Konzepte durch die US-Regierung habe gezeigt, dass die Richtung der PiS nicht immer falsch gewesen sei. Geht es nach dem Blatt, sei nur die Umsetzung und die Sprache ihrer Diplomatie verkehrt gewesen.

Und gerade in den letzten beiden Bereichen sollte ein kompletter Reset stattfinden, schreibt DGP. Beleidigungen der Partner in der EU, die Verwendung des Wortes „deutsch" als Schimpfwort, die ständige Drohung mit einem Veto gegen weitere EU-Entscheidungen müssten enden. Belehrungen von Ländern und politischen Anführern aus der Position eines Ausgestoßenen könnten schließlich nur Gelächter oder Mitleid hervorrufen, so das Blatt.

Neben dem Stil der Diplomatie müsse sich auch die polnische Führungsrolle in Brüssel ändern. Abgesehen von der Abdichtung des Steuersystems und der Bekämpfung von Steueroasen soll Polen nämlich kaum echte Ideen zur Verbesserung der Funktionsweise der Union beigetragen haben. Für eines der größten Länder des Kontinents sei dies absolut inakzeptabel. Jeder Monat des Nichtstuns beraube Polen nicht nur seiner Handlungsfähigkeit, sondern auch seiner Ernsthaftigkeit auf dem internationalen Spielfeld, heißt es am Schluss.

 

 

Autor: Piotr Siemiński