Deutsche Redaktion

"100 Tage der Regierung Tusk. 100 Tage schwacher Opposition"

22.03.2024 14:06
Die tatsächlich umgesetzten Maßnahmen würden in einem dürftigen Verhältnis zu den vollmundigen Ankündigungen stehen, sagt Politikwissenschaftler Dr. Maciej Onasz. Aber auch die Opposition gebe keine gute Figur ab, so der Experte. Außerdem: Die Äußerung von Rolf Mützenich über ein "Einfrieren" des Konlikts in der Ukraine nährt das Misstrauen polnischer Kommentatoren in Bezug auf die Absichten Berlins. Und: Anstatt dankbar zu sein, hat Russland den Chef des Olympischen Komitees metaphorisch in die Hand gebissen. Die Einzelheiten in der Presseschau.
Polish Prime Minister Donald Tusk
Polish Prime Minister Donald TuskPhoto: PAP/Radek Pietruszka

Dziennik: 100 Tage der Regierung Tusk. 100 Tage schwacher Opposition

Heute markiert den 100. Tag von Donald Tusks Amtszeit. Während des Wahlkampfes hatte der Vorsitzende der Bürgerplattform 100 spezifische Vorhaben benannt, die seine Regierung in dieser Zeitspanne realisieren wollte. Nun, nach 100 Tagen der Koalitionsregierung aus Linken und dem Dritten Weg, wird deutlich, dass nur ein Bruchteil dieser Aufgaben vollständig erfüllt wurde. Viele andere befinden sich noch in der Warteschleife, berichtet das Online-Portal dziennik.pl. Laut Dr. Maciej Onasz, Politikwissenschaftler an der Universität Łódź, gibt es wenig Grund für eine triumphale Feier. Die tatsächlich umgesetzten Maßnahmen würden in einem dürftigen Verhältnis zu den vollmundigen Ankündigungen stehen. Diese Themen hätten während des Wahlkampfes ohnehin kaum die öffentliche Aufmerksamkeit erregt. Die emotional am stärksten aufgeladenen Angelegenheiten würden sich entweder noch in der Planungsphase befinden oder seien auf unbestimmte Zeit zurückgestellt. Onasz kritisiert die Regierung daher scharf.

Auf die Frage nach seiner allgemeinen Einschätzung der Koalition antwortet der Akademiker mit der Metapher einer „Wiederholung der Show". Die Stärke der vorherigen Regierung habe in der Schwäche der Opposition gelegen, doch nun scheine Jarosław Kaczyńskis Partei entschlossen, sich mit demselben Mittel zu revanchieren. Die Opposition zeige sich instabil und unfähig, sich auf die neue politische Lage einzustellen. Sie sei intern zunehmend zerstritten. Dadurch übersehe sie Konfliktpunkte innerhalb der Koalition wie etwa in der Abtreibungspolitik oder bei Privilegien für Unternehmer. Indem sie mit internen Konflikten beschäftigt sei, verpasse die Opposition die Gelegenheit, schwache Momente der Regierungskoalition auszunutzen. Nach der Wahl habe die Opposition damit gerechnet, dass die bunte Koalition aufgrund ihrer Unfähigkeit, sich auf wichtige Themen zu einigen, schnell an Kraft verlieren würde. Stattdessen sei es die PiS, die sich zunehmend in interne Streitigkeiten und Machtkämpfe verwickelt, so das Fazit von Onasz in Dziennik.

Wprost: Kurs auf "Einfrieren" des Konflikts mit Russland

Das Wochenmagazin Wprost berichtet über die Initiative der Verteidigungsminister Polens und Deutschlands, eine sogenannte Panzerkoalition zur Unterstützung der Ukraine zu bilden. Trotz des hohen Risikos einer militärischen Zusammenarbeit mit einem Land wie Deutschland, das möglicherweise von russischen Agenten infiltriert ist, betrachtet der Kommentator Jakub Mielnik diesen Schritt als klugen PR-Zug. Die Pläne könnten auf der Suche nach deutscher Führungsstärke im Bereich der europäischen Verteidigung, wo ein deutlicher Mangel herrscht, von Nutzen sein. Allerdings, so Mielnik, entpuppe sich der Vorschlag Berlins letztlich als üblicher Propaganda-Trick. Die deutsche Unterstützung für die Ukraine scheine hauptsächlich dazu zu dienen, Berlin vor der Vorstellung eines ernsthaften Sieges über Russland zu schützen.

Diese defensiven Haltungen seien tief in den deutschen Machtzentren verankert. Ein Beweis für deren Verfestigung sei die Position des Vorsitzenden der Sozialdemokraten im Bundestag, Rolf Mützenich, der kürzlich ein "Einfrieren" des Konflikts in der Ukraine forderte. Laut Mielnik dient dieser "deutsche Schutzpanzer" in erster Linie den Interessen Deutschlands und in der Konsequenz auch Russlands. Ein Einfrieren des Krieges wäre ein erheblicher Erfolg für Moskau, was die deutschen Sozialisten keineswegs störe. Dies würde es ihnen ermöglichen, erneut Geschäftsbeziehungen mit Russland aufzunehmen, die wirtschaftliche Situation zu verbessern und so ihre Machtstellung in Berlin zu sichern, urteilt Jakub Mielnik in Wprost. 

Rzeczpospolita: Russland führt Krieg gegen das Olympische Komitee

Die konservativ-liberale Rzeczpospolita schreibt über die Folgen der Entscheidung des Leiters des Internationalen Olympischen Komitees, russischen Athleten die Teilnahme an den diesjährigen Olympischen Spielen in Paris zu gestatten. Eigentlich, so das Blatt, hätte Thomas Bach für diese Geste Dankbarkeit von Russland und Wladimir Putin erwarten können. Diese Erwartung sei jedoch enttäuscht worden. 

Seit dem Dopingskandal während der Spiele in Sotschi 2014 habe Bach den russischen Sportlern die Teilnahme an den Olympischen Spielen erlaubt, allerdings ohne Flagge und Hymne. Dies habe Putin nicht davon abgehalten, seine Athleten zu feiern. Auch der Krieg in der Ukraine habe an dieser Praxis nichts geändert.

Wie das Blatt erinnert, dürfen russische Athleten an den Wettkämpfen in Paris nur unter der Bedingung teilnehmen, dass sie keine Verbindungen zum Kreml aufweisen und sich nicht öffentlich für den Krieg aussprechen. Diese Bedingung, so Rzeczpospolita, sei jedoch von Beginn an ein doppelter Betrug gewesen. Es sei nahezu unmöglich, in Russland einen Sportler zu finden, der diesen Kriterien entspreche, geschweige denn, dies zuverlässig zu überprüfen. Die Verantwortung hierfür sei auf die internationalen Verbände abgewälzt worden. Doch auch das sei lediglich eine Ausflucht. Viele dieser Verbände seien stark von Putin beeinflusst; in einigen hätten die Russen fast direkte Entscheidungsgewalt.

Für Polen und andere Länder, die sich vom imperialistischen Russland bedroht fühlen, sei Bach somit ein sogenannter „nützlicher Idiot". Noch schlimmer – er werde als Zyniker beschrieben, der möglicherweise, ähnlich wie sein Landsmann und ehemaliger Bundeskanzler Gerhard Schröder, darauf hoffe, nach seiner Zeit im Olympischen Dienst einen Posten im Vorstand von Gazprom oder Rosneft zu erhalten.

Allerdings sei bereits jetzt klar, dass dies nicht eintreten wird. Russland wird mit jedem weiteren Kriegsmonat dreister. Anstatt dankbar zu sein, habe es Bach metaphorisch in die Hand gebissen. Ein Wendepunkt sei Putins Entscheidung gewesen, im September in Moskau und Jekaterinburg eigene Olympische Spiele zu veranstalten. Er habe nicht nur seine Verbündeten, sondern die ganze Sportwelt eingeladen, mit dem Versprechen, dass seine Olympischen Spiele ein wahrhaft universeller Wettkampf sein würden.

Dies stelle eine echte Bedrohung dar, so die Zeitung zum Abschluss. Das Olympische Komitee sei sich bewusst, dass Russland auf die Unterstützung von China, Indien sowie zahlreichen afrikanischen, asiatischen und südamerikanischen Ländern zählen kann. Im Westen führe der israelisch-palästinensische Konflikt zudem dazu, dass die öffentliche Meinung zunehmend der Ansicht ist, sollten die Spiele in Paris ohne Russland stattfinden, müssten sie ebenfalls ohne Israel durchgeführt werden, so die Rzeczpospolita.

Autor: Piotr Siemiński