Deutsche Redaktion

"Polen gibt über 80 Milliarden Złoty für Schuldzinsen aus"

22.05.2025 11:52
Fliegen den Polen die Staatsschulden bald um die Ohren? Halten sich die Präsidentschaftskandidaten deswegen mit Wahlversprechen zurück? Und: Will Deutschland den Wahlkampf beeinflussen?`Interview in Do Rzeczy liefert Vorgeschmack auf Ton der Kampagne vor der Stichwahl. Mehr dazu in der Presseschau.
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У Польшчы расце зарплата.Фота: Sheviakova Kateryna/Shutterstock

Rzeczpospolita: Ökonomen fordern Kurswechsel in der Finanzpolitik

Fliegen den Polen die Staatsschulden bald über die Ohren? 2024 habe der polnische Staat rund 80,2 Milliarden Złoty allein für Zinszahlungen auf Staatsanleihen aufgewendet – 13 Prozent mehr als im Vorjahr und zweieinhalb Mal so viel wie vor der Pandemie oder dem Krieg in der Ukraine, warnt die konservativ-liberale Rzeczpospolita in ihrem heutigen Aufmacher.

Der sprunghafte Anstieg sei vor allem auf das rapide Wachstum der Staatsverschuldung zurückzuführen, die Ende 2024 erstmals die Marke von 2 Billionen Złoty überschritten habe. Gründe dafür seien laut Piotr Bujak, Chefökonom der PKO BP, die hohen Ausgaben für Verteidigung, Energiekrisenbekämpfung, die Nutzung von EU-Fördermitteln sowie die anhaltende Wahlkampfsituation im Land. Zusätzlich hätten gestiegene Zinsen – aktuell rund 5,5 Prozent für zehnjährige Anleihen – die Kosten der Schuldenaufnahme deutlich erhöht.

Besorgniserregend sei laut dem Blatt zudem, dass Polen gemessen am Bruttoinlandsprodukt zu den zehn EU-Staaten mit den höchsten Schuldendienstkosten zähle. 2024 habe dieser Anteil 2,2 Prozent des BIP betragen – mehr als etwa in Frankreich oder Italien, obwohl deren Schuldenquote höher sei. Dies deute darauf hin, dass Polen seine Schulden relativ teuer finanziere.

Während Finanzminister Andrzej Domański die Stabilität der öffentlichen Finanzen betone, fordern Experten wie Rafał Benecki von ING Bank Śląski ein Umdenken: Entweder müsse Polen massive Ausgaben für Sicherheit tragen oder soziale Programme finanzieren – beides zugleich sei nicht möglich. „Schon heute muss man Alarm schlagen, denn weder Politik noch Gesellschaft zeigen in der Wahlkampagne Bereitschaft zur Verantwortung“, so Benecki.

Auch die Gesellschaft der polnischen Wirtschaftswissenschaftler ruft die Präsidentschaftskandidaten und die Regierung auf, die Sanierung der Staatsfinanzen zur Priorität zu erklären. Bei einem anhaltend hohen Defizit von zuletzt 6,6 Prozent des BIP und absehbarem Überschreiten der in der Verfassung verankerten 60-Prozent-Schuldenquote sei sonst die fiskalische Glaubwürdigkeit Polens in Gefahr. „Noch nie wurde die verfassungsrechtliche Grenze tatsächlich überschritten – aber wenn der Staat immer neue Bestandteile aus der Schuldenberechnung ausklammert, verliert der Grenzwert seine Bedeutung“, warnt die Rzeczpospolita.

Rzeczpospolita: Ende der Märchen - die Schulden beginnen, eine ernsthafte Belastung zu sein

Die politische Klasse scheine sich der wachsenden Schuldenlast inzwischen bewusst geworden zu sein, schreibt der Wirtschaftsjournalist Krzysztof Adam Kowalczyk in seinem Kommentar zum Aufmacher der Rzeczpospolita. Denn, so der Autor, die Präsidentschaftskandidaten seien derzeit ungewohnt zurückhaltend in ihren Wahlversprechen. Statt wie früher mit milliardenschweren Sozialprogrammen zu werben, halte sich die politische Klasse auffallend bedeckt.

Na same odsetki od długu publicznego wydajemy już 2,5 x więcej niż przed pandemią czy przed wybuchem wojny w Ukrainie. Moja redakcyjna koleżanka pyta ekonomistów, czy to już czas bić na alarm? www.rp.pl/dane-gospoda...

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— Krzysztof Adam Kowalczyk (@kakowalczyk.bsky.social) May 22, 2025 at 10:13 AM

Wie der Autor erinnert, hätten die großen Parteien noch vor wenigen Jahren mit dem Programm 500+ und dessen Erweiterung auf 800+ um die Wählergunst gerungen. Auch Rentner seien traditionell ein bevorzugtes Ziel von Wahlgeschenken gewesen – mit der 13. und 14. Monatsrente sowie utopischen Versprechen wie den „24 Rentenzahlungen pro Jahr“, wie sie einst Präsident Andrzej Duda ins Spiel brachte. Heute hingegen bleibe es still um solche „märchenhaften“ Vorschläge – vielleicht, weil man erkannt habe, dass diese das Rentensystem demolieren.

Ausgaben von 5 Prozent des BIP für Verteidigung, so der Autor, seien zwar notwendig. Man wolle schließlich nicht Teil von Putins Reich werden. In Konsequenz bedeute das aber, dass an anderer Stelle gespart oder Steuern erhöht werden müssten. Angesichts der aktuellen fiskalischen Lage – inklusive Schuldendienst, der allein mehr koste als das gesamte 800+-Programm – müssten Politiker den Bürgern die Wahrheit zumuten, auch wenn diese bitter sei, fordert Krzysztof Adam Kowalczyk in der Rzeczpospolita.

Do Rzeczy: Investigativ-Journalist Witold Gadowski warnt vor Provokation deutscher Geheimdienste

Einen Vorgeschmack darauf, mit welchen Mitteln in der kurzen Kampagne vor der Stichwahl der Präsidentschaftswahlen gekämpft wird, liefert unter anderem das Interview mit dem Investigativ-Journalisten und Kriegsberichterstatter Witold Gadowski, das auf dem Online-Portal des nationalkonservativen Wochenblatts Do Rzeczy erschienen ist. Darin warnt Gadowski vor mutmaßlichen Eingriffen in den polnischen Präsidentschaftswahlkampf durch die Regierung, die Mainstream-Medien und deutsche Geheimdienste. Geht es nach Gadowski, sind die Mainstream-Medien ein Orchester, das ausschließlich in einem Hinterhof spielt - dem deutsch-liberalen Hinterhof. Es sei offensichtlich, dass sie systematisch Skandale verschweigen, die das Regierungslager belasteten – etwa im Zusammenhang mit dem IT-Zentrum NASK oder der Schleusung illegaler Migranten durch Polen. Es sei natürlich ein Riesenskandal, denn es handle sich um Wahlmanipulation.

 Geht es nach Gadowski, würden Informationen über unter geheimnisvollen Umständen verschwundene Wahlzettel und verschwundene Stimmen konservativer Kandidaten wie Grzegorz Braun auftauchen. Es sei ein Versuch einer breit angelegten Manipulation. Für die kommenden Tage, so Gadowski, rechne er mit gezielten Provokationen deutscher Geheimdienste, die ihren Medien Informationen zustecken könnten, die Karol Nawrocki – offenbar der von ihm favorisierte Kandidat – diskreditieren. „Es könnten sogar Versuche physischen Drucks erfolgen, damit nur für den von Tusk unterstützten Kandidaten gestimmt wird“, so Gadowski.

Der neue Präsident müsse laut Gadowski unverzüglich eine neue Verfassung vorbereiten und ein Referendum darüber einleiten sowie ein Gesetz vorlegen, das eine strafrechtliche Verfolgung aller Regierungsmitglieder ermögliche, die während der bisherigen Amtszeit Donald Tusks Gesetze gebrochen hätten. Die aktuelle Regierung verstoße ständig gegen das Recht, weshalb sofortige Verhaftungen und Prozesse folgen müssten, so der Kommentator.

Auch Tusks Pläne für eine Kabinettsumbildung, einschließlich einer möglichen Berufung von Adrian Zandberg, kommentiert Gadowski mit Skepsis. Der Linksaußenpolitiker solle sich nicht auf Tusks „verzweifelte Lügen“ einlassen. „Tusk weiß, was ihm droht. Er ist ein Verbrecher“, so Witold Gadowski im Interview mit “Do Rzeczy”.

Autor: Adam de Nisau

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