Deutsche Redaktion

Sechzig Jahre nach dem historischen Briefwechsel: "Polen und Deutschland können sich nur gemeinsam schützen"

18.11.2025 10:24
Der von Wladimir Putin entfesselte Krieg rückt uns heute enger zusammen. Denn nur gemeinsam können wir uns verteidigen – schreibt für die Wochenzeitschrift Tygodnik Powszechny der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Georg Bätzing. Außerdem: Empörung über NS-Dokumente in deutschen Auktionen. Und: Staatspräsident Nawrocki signalisiert Solidarität mit Fußball-Ultras. Mehr dazu in der Presseschau.
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Bild:Shutterstock/Grabowski

TYGODNIK POWSZECHNY: Sechzig Jahre nach dem historischen Briefwechsel

Zum 60. Jahrestag des Briefwechsels zwischen den polnischen und deutschen Bischöfen aus dem Jahr 1965 stehen wir erneut vor einer großen Herausforderung: Der von Wladimir Putin entfesselte Krieg rückt uns heute enger zusammen. Denn nur gemeinsam können wir uns verteidigen – schreibt für die Wochenzeitschrift Tygodnik Powszechny der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Georg Bätzing, der seit 2020 das Amt innehat und die Diözese Limburg leitet.



„Mit brüderlichem Respekt nehmen wir die ausgestreckten Hände entgegen“ – mit diesen Worten antworteten die Bischöfe aus beiden Teilen Deutschlands am 5. Dezember 1965 auf den mutigen und bewegenden Brief ihrer polnischen Amtsbrüder vom 18. November 1965. Gegen Ende des Zweiten Vatikanischen Konzils angestoßen, setzte dieser Brief einen vorsichtigen, aber folgenreichen Prozess in Gang, dessen Wirkung bis heute spürbar ist.
In den darauffolgenden Jahren half dieser Austausch, Vertrauen aufzubauen und Beziehungen zu knüpfen. Trotz des Eisernen Vorhangs, später auch des Kriegsrechts in Polen, tauschten Christen beider Seiten Erfahrungen aus und unterstützten einander. Begegnungen bauten Vorurteile ab und ließen neues Vertrauen wachsen. Bis heute treffen sich polnische und deutsche Bischöfe jährlich; zahlreiche Gemeinden pflegen lebendige Kontakte über Oder und Neiße hinweg.

Jeder Friedensprozess braucht Menschen, die die Hand ausstrecken und „Vergebung gewähren und um Vergebung bitten“. Ein solcher Schritt verlangt Mut und Vertrauen – zueinander und zu Gott. Er braucht Zeit, Ausdauer und die Bereitschaft, traumatische Erinnerungen zu verarbeiten und Trennendes offen zu benennen. Rückschläge gehören dazu. Heute stellt uns der Krieg Putins vor Augen: Polen und Deutschland können sich nur gemeinsam schützen, lesen wir in Tygodnik Powszechny.

TYGODNIK POWSZECHNY: Wen stört der Versöhnungsbrief?

Der polnische Bischofsbrief von 1965 gilt bis heute als Musterbeispiel, wie sich Brücken zwischen einstigen Feinden bauen lassen. Nach den Erfahrungen der deutschen Besatzung sahen viele Polen in den Deutschen ein Volk von Tätern; Deutsche wiederum – geprägt von nationalistischer und rassistischer Ideologie – betrachteten Polen als minderwertig.

Das Hirtenwort zielte daher vor allem auf eines: die Denkweisen beider Seiten zu verändern. Es erinnerte die Deutschen an den Beitrag Polens zur europäischen Geschichte und die Polen an die friedlichen Impulse Deutschlands für die Entwicklung ihres Landes. Nach dem Fall des Kommunismus wurde der Brief überwiegend positiv bewertet.



In den letzten Jahren hat sich dies jedoch gewandelt, vor allem aufgrund scharfer Kritik am Prozess der polnisch-deutschen Versöhnung, die insbesondere rechtskonservative Kreise in Polen formulieren. Das Lager um die PiS verweist etwa auf unzureichende Entschädigungen, eine als unvollständig empfundene Aufarbeitung deutscher Verbrechen sowie auf eine geringe Bekanntheit der polnischen Opfergeschichte in Deutschland.

Gleichzeitig scheut die polnische Rechte jedoch davor zurück, die Botschaft der Bischöfe direkt anzugreifen – schließlich wurde sie von späteren Heiligen und Seligen unterzeichnet: von Johannes Paul II. und Stefan Wyszyński, schreibt Tygodnik Powszechny.

DZIENNIK/GAZETA PRAWNA: Empörung über NS-Dokumente in deutschen Auktionen

Wie Dziennik/Gazeta Prawna berichtet, steht das polnische Kulturministerium in engem Kontakt mit dem polnischen Botschafter, um detaillierte Informationen über Objekte einzuholen, die vom Auktionshaus Felzmann angeboten werden. Auf Grundlage dieser Daten soll die Herkunft geklärt und gegebenenfalls die Rückgabe gefordert werden. Eigentum des polnischen Staates sind alle Objekte, die Teil der Ausstattung oder Dokumentation von Lagern waren oder illegal aus Polen ausgeführt wurden.

Zu den angebotenen Stücken zählen unter anderem ein früh nummerierter Brief eines Auschwitz-Häftlings mit dem Startpreis von 500 Euro, ein Davidstern aus dem Lager Buchenwald oder ein Brief mit Aquarell des polnischen Olympiateilnehmers Bronisław Czech, der in Auschwitz ermordet wurde.
Das Museum Majdanek meldete zudem über 20 Dokumente zu Lagerhäftlingen, und der polnischen Veteranenbehörde zufolge sollten auch Erinnerungsstücke an Opfer von Katyń versteigert werden – darunter ein Telegramm aus dem Lager Starobielsk und ein Briefumschlag aus Ostaszków, lesen wir.



Der EU-Abgeordnete und ehemalige Vizeminister Arkadiusz Mularczyk kommentierte, dass Polen aktiv für die Wahrheit kämpfen und Gerechtigkeit einfordern müsse. Sonst würden die Polen erleben, wie Kinder und Enkel deutscher Verbrecher geraubte Gegenstände im Internet versteigerten. Das Auktionshaus erklärte gegenüber der „FAZ“, private Sammler betrieben intensive Forschung und trügen zur Vertiefung des historischen Wissens bei. Ihr Handeln diene der Bewahrung des Gedenkens, nicht dem Handel mit Leid.

DO RZECZY: Politische Symbolik und Fußball

Wie das Magazin Do Rzeczy berichtet, wurde die Fassade des Präsidentenpalasts in Warschau mit einer ungewöhnlichen Illumination versehen – ein Signal der Solidarität von Präsident Karol Nawrocki an die polnischen Fußballfans, aus deren Umfeld er selbst stammt.


Hintergrund ist ein Vorfall beim Länderspiel Polen gegen die Niederlande (1:1). Ultras hatten Pyrotechnik auf das Spielfeld geworfen, nachdem ihre vorbereitete Choreografie nicht ins Stadion durfte. Fankreise behaupteten, die Sicherheitsdienste hätten auf Anordnung des Innenministers Marcin Kierwiński und von Premierminister Donald Tusk gehandelt.

Tags darauf wurde die verbotene Choreografie auf der Fassade des Präsidentenpalasts projiziert. Das Bild zeigte einen weißen Adler mit Krone und ausgebreiteten Schwingen sowie den Slogan „Do boju, Polsko“ („Auf in den Kampf, Polen“).

Autor: Jakub Kukla


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Nach heftiger Kritik aus Polen ist eine in Neuss geplante Auktion von mehr als 600 Gegenständen und Dokumenten aus deutschen Konzentrationslagern kurzfristig abgesagt worden. Das Auktionshaus Felzmann hatte Objekte angeboten, die Häftlingen der nationalsozialistischen Lager gehörten oder deren Schicksal dokumentierten. Das polnische Außenministerium forderte, die Stücke an das Museum Auschwitz zu übergeben.

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