Deutsche Redaktion

„Blockiert der Streit zwischen Tusk und Nawrocki den Staat?"

16.12.2025 12:15
Der Konflikt zwischen Premierminister Donald Tusk und Präsident Karol Nawrocki wird von den meisten Polen als hemmender Faktor für Reformen und als destabilisierend für das Funktionieren des Staates wahrgenommen. Von den europäischen Träumen strategischer Eigenständigkeit ist nur noch der Status eines orientierungslosen Vasallen übrig, den man solange ausnutzen kann, wie es geht. Was beneidet Deutschland laut dem Botschafter an Polen? Mehr dazu in der Presseschau.
Das Tagesblatt Rz befasst sich mit den Streitigkeiten zwischen Polens beiden wichtigsten Politikern. Ihre gegenseitige Antipathie scheine immer greren Einfluss auf die Auen- und Innenpolitik des Landes zu nehmen.
Das Tagesblatt Rz befasst sich mit den Streitigkeiten zwischen Polens beiden wichtigsten Politikern. Ihre gegenseitige Antipathie scheine immer größeren Einfluss auf die Außen- und Innenpolitik des Landes zu nehmen. Tomasz Jastrzebowski/REPORTER/EAST NEWS

Rzeczpospolita: Blockiert der Streit zwischen Tusk und Nawrocki den Staat? 

Das Tagesblatt Rz befasst sich mit den Streitigkeiten zwischen Polens beiden wichtigsten Politikern. Ihre gegenseitige Antipathie scheine immer größeren Einfluss auf die Außen- und Innenpolitik des Landes zu nehmen. Wie wir lesen hatte Präsident Karol Nawrocki Premierminister Donald Tusk bereits im Präsidentschaftswahlkampf scharf kritisiert. Er habe den Regierungschef unter anderem als „Schädling der polnischen Politik“ und als „gefährlichsten Politiker seit 1989“ bezeichnet. Tusk habe seinerseits angekündigt, dort mit dem Staatshaupt zusammenzuarbeiten, wo der neue Präsident helfen wolle. Wo dieser jedoch blockiere, werde die Regierung  notfalls kompromisslos sein. Bereits in einer im August, noch vor der Vereidigung Nawrockis, durchgeführten Umfrage hätten viele Polen angegeben, die Zusammenarbeit des Präsident mit der Regierung werde nicht gut verlaufen. Wie wir lesen, habe Nawrocki nun seit seiner Vereidigung am 6. August schon oftmals von seinem Vetorecht Gebrauch gemacht und 17 Gesetze zur erneuten Beratung an das Parlament zurückverwiesen.

Der Konflikt zwischen Premier und Präsident beschränke sich jedoch nicht nur auf den Gesetzgebungsprozess, heißt es weiter. Gegenseitige Vorwürfe und ein Kompetenzstreit seien zu einem festen Bestandteil der öffentlichen Debatte geworden. Nach Darstellung der Regierung lähme dies auch die Außenpolitik, unter anderem bei der Ernennung von Botschaftern. Donald Tusk werfe dem Präsidenten vor, Reformen zu blockieren und parteipolitische Interessen über die Staatsräson zu stellen. Karol Nawrocki kontere mit dem Vorwurf, die Regierung versuche, den Staat „per Handsteuerung“ zu führen und dabei die verfassungsmäßigen Kontrollmechanismen der Exekutive zu umgehen.

Die Zeitung hat somit die Polen befragt, wie sie den Umgang des Präsidenten mit seinem Vetorecht bewerten. Eine der Fragen lautete, ob der Streit zwischen Premier und Präsident ihrer Ansicht nach den Staat lähme und notwendige Reformen verhindere. Insgesamt sollen dieser Sichtweise 76 Prozent der Befragten zustimmen. Knapp 19 Prozent seien gegenteiliger Meinung.

Am kritischsten sollen den Konflikt die Wähler der Parteien der Regierungskoalition (Bürgerkoalition, Dritter Weg, Linke) beurteilen. In dieser Gruppe seien 86 Prozent der Ansicht, dass der Streit zwischen Premier und Präsident das Funktionieren des Staates blockiere. Anderer Meinung seien 9 Prozent der Wähler des Regierungslagers. Unter den Anhängern der Opposition (PiS und Konföderation) sollen 72 Prozent ähnlich denken. 23 Prozent der Befragten aus dieser Gruppe seien anderer Meinung. Unter Wählern ohne konkrete politische Zugehörigkeit, lesen wir am Schluss, sollen in diesem Duell zwischen Karol Nawrocki und Donald Tusk 63 Prozent der Befragten an eine Lähmung des Staates glauben. 

Wprost: Europa setzt auf „Daddy's" Rückendeckung 

Wenn es in der EU jemanden überrascht habe, dass Donald Trump Europa wie ein lahmes Pferd zureiten wolle, dann spreche das eher für ihn: Möglicherweise seien die europäischen Führungskräfte tatsächlich schwach, schreibt Jakub Mielnik im Wochenblatt Wprost. Ihm zufolge sei von den europäischen Träumen strategischer Eigenständigkeit nur noch der Status eines orientierungslosen Vasallen geblieben, den man melken sollte, solange es sich lohne. Vor allem, zumal ohnehin niemand beabsichtige, Europa im Falle eines Krieges mit Russland von seinen Pflichten zu entlasten.

Ein wenig komisch, lesen wir, zugleich aber auch beunruhigend sei dieses Festival der Empörung über Trump nach der Vorstellung der neuen amerikanischen Strategie der nationalen Sicherheit. Die Trump-feindliche und anti-amerikanische Zuspitzung zeige, dass die europäischen Eliten immer noch all ihre Hoffnung auf fremde Rückendeckung setzen. Ihr Glaube lebe fort, der große Bruder jenseits des Atlantiks – „Daddy“, wie Trump zufolge europäische Politiker ihn nennen sollen – werde all seine hellen und dunklen Interessen beiseiteschieben und dem von Moskau bedrohten Europa zu Hilfe eilen. Und das selbstverständlich ungeachtet ständiger Pilgerfahrten europäischer Spitzenpolitiker nach China, heißt es. Oder der immer neuen, folgenlosen Debatten darüber, was mit fast 200 Milliarden russischer Dollar geschehen sollte, die immer noch in Belgien blockiert seien, schreibt Jakub Mielnik für Wprost.

Fakt: Deutscher Botschafter nennt Polens größte Pluspunkte 

„In Deutschland sind wir alle beeindruckt vom enormen Erfolg Polens", sagt indes der deutsche Botschafter in Warschau, Miguel Berger, in einem Gespräch mit dem Boulevardblatt Fakt. Die Handelsbeziehungen zu Polen seien für die deutsche Wirtschaft von zentraler Bedeutung. Zugleich stelle Berger klar, dass es in den bilateralen Beziehungen keinerlei Überlegenheitsdenken seitens des westlichen Nachbarn gebe. Auf die Frage, was er Polen sagen würde, die befürchten, Deutschland betrachte ihr Land weiterhin als Juniorpartner, antwortet der Botschafter, dies sei eine überholte Sichtweise. Polen sei ein erfolgreiches Land. Von Polens Digitalisierung könne Deutschland lernen. In diesem Bereich sei Polen deutlich weiter. Ihm zufolge würde das wirtschaftliche Wachstum die Beziehungen hin zu vollständig gleichberechtigten Partnerschaften verändern.

Wenn Berger die Europäische Union betrachte, so denke er, Polen zähle zu den größten Erfolgsgeschichten der EU-Mitgliedschaft und sei inzwischen die 20. größte Volkswirtschaft der Welt. In den letzten 20 Jahren habe der heutige Botschafter Polen oftmals zu Geschäftstreffen besucht. Er sei für ihn absolut beeindruckend, die Dynamik der polnischen Wirtschaft in allen Städten zu beobachten. Wie der Diplomat weiter erklärt, hätten sich auch die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen beiden Ländern verändert. Heute würden demnach 40 Prozent der Unternehmen in der Deutschen Handelskammer aus Polen stammen. Immer mehr polnische Start-ups würden in Deutschland investieren. Diese Beziehung sei daher sehr dynamisch und von grundlegender Bedeutung. Berger erkläre deshalb deutschen Delegationen stets, dass Deutschland mehr nach Polen exportiere als nach China. Polen sei Berlins viertgrößter Handelspartner. Wie der deutsche Gesandte am Schluss im Interview mit Fakt erklärt, seien die Beziehungen zwischen beiden Ländern aber auch in Wissenschaft und vielen anderen Bereichen sehr gute und eng.


Autor: Piotr Siemiński