Deutsche Redaktion

Und was, wenn Kaczyński Recht hatte?

09.03.2020 09:32
Die sich komplizierende Lage an den Außengrenzen der EU analysiert im Gespräch mit der Wochenzeitung Plus Minus der französische Politikwissenschaftler Dominique Moisi.
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RZECZPOSPOLITA: Und was, wenn Kaczyński Recht hatte?

Die angespannte Lage an der Grenze zwischen Griechenland und der Türkei ruft in Europa Unruhe hervor. Immer wieder werden parallelen zum Krisenjahr 2015 gezogen, als eine Flüchtlingswelle Europa erreichte. Vor wenigen Tagen öffnete die Türkei ihre Grenzen. Die EU wirft der Regierung in Ankara deshalb vor, die Migranten gegenüber Brüssel als Druckmittel zu missbrauchen. Die Türkei wiederum beschuldigt die EU, ihre Zusagen aus dem im März 2016 geschlossenen Flüchtlingsabkommen nicht einzuhalten. Am späten Nachmittag soll Erdogan heute in Brüssel EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen und EU-Ratschef Charles Michel zu Gesprächen treffen - Themen sind der Flüchtlingspakt und die Situation im Bürgerkriegsland Syrien.

Die sich komplizierende Lage an den Außengrenzen der EU analysiert im Gespräch mit der Wochenzeitung Plus Minus der französische Politikwissenschaftler Dominique Moisi. Die Franzosen seien ins Schwimmen geraten, meint er. Pessimismus verbreite sich überall. In einer solchen Situation werde die Versuchung immer größer, sich von Fremden abzugrenzen. Immer öfter werde die Frage geäußert, ob vielleicht dieser Orban und dieser Kaczyński nicht Recht hatten.

Auf die Frage was passieren würden, wenn die griechischen Grenzen den Druck nicht aushalten würden, und eine nächste Welle von Migranten nach Europa käme, antwortet Moisi, es wäre nicht nur eine Wiederholung der Situation aus dem Jahr 2015. Diesmal würde es Europa viel schlimmer erwischen. Die letzten fünf Jahre habe die Europäische Union vergeudet. In keiner Hinsicht sei Europa auf eine eventuelle Migrationskrise besser vorbereitet als im Jahr 2015. Dazu seien die Europäer tief gespalten. Sie hätten dazu noch Angst vor dem Coronavirus und einer neuen Wirtschaftskrise. Darüber hinaus gäbe es momentan in vielen europäischen Staaten konservativere Regierungen, die nur im begrenzten Masse eine Dialogbereitschaft zeigen würden. Ein gutes Beispiel sei Griechenland – die Regierung in Athen habe trotz EU-Vereinbarungen die Aufnahme von Asylanträgen eingestellt dafür aber das Militär an die Grenzen geschickt, sagt der Politikwissenschaftler Dominique Moisi im Gespräch mit der Wochenzeitschrift Plus Minus.

 

 

DZIENNIK/GAZETA PRAWNA: Warnung vor Massenveranstaltungen 

Der polnische Sanitätsdienst GIS appelliert an Organisatoren, diese mögen die Durchführung von Massenveranstaltungen verzichten, informiert die Tageszeitung Dziennik/Gazeta Prawna. Gemeint seien Veranstaltungen mit über einem Tausend Teilnehmern, die in geschlossenen Räumen stattfinden sollen. Man habe diese Empfehlung nach einer Analyse der aktuellen Lage in Bezug auf die Epidemie von Coronavirus ausgearbeitet.

Um eine Ausbreitung der Krankheit zu verhindern, führe Polen darüber hinaus an der Autobahn A4 bei Görlitz Kontrollen für Busreisende aus Richtung Deutschland ein. Die Stichproben-Kontrollen sollen heute beginnen. Man ziehe damit die Konsequenzen aus dem ersten in Polen nachgewiesenen Fall einer Covid-19-Erkrankung.

RZECZPOSPOLITA: First Lady mit Charakter 

Die Ehefrau des Bauernpartei-Politikers und Präsidentschaftskandidaten Włądysław Kasiniak-Kamysz sagte bei ihrem ersten öffentlichen Auftritt, sie würde sich nicht wie die aktuelle First Lady im Präsidentenpalast verstecken. Die Gattin eines Präsidenten müsste doch Charakter aufweisen, sagte Paulina Kosiniak-Kamysz. Auf diese Aussage reagiert in ihrem Feuilleton die Publizistin Katarzyna Sadło. Schon bei ihrem Debüt zeigte die Frau des Kandidaten wie wenig sie die Rolle verdiene, die sie anstrebe. Es sei nämlich eine Rolle, die das Minimum an Stil und Klasse erfordert. Der Auftritt habe den Gegnern des Amtsinhabers Duda zwar sehr gut gefallen, nur hätten sie vergessen, dass die Entscheidung wie sie ihre Rolle erfüllen wolle, der Präsidentengattin gehöre und man sollte ihre Wahl, solange keine Kontroversen auftreten, respektieren.

Ein kurzer Vergleich zeige übrigens, wie eine First Lady mit Charakter funktionieren könne. Sie meine hier die Gattin des postkommunistischen Präsidenten Aleksander Kwaśniewski, schreibt Sadło weiter. Angefangen habe Jolanta Kwaśniewska mit einer öffentlich geäußerten Lüge, sie habe das Diplom ihre Ehemannes gesehen. Nur habe Kwaśniewski keinen Hochschulabschluß gehabt. Ähnlich wie die jetzige Präsidentengattin setzte sich auch Jolanta Kwaśniewska in Wohltätigkeitsaktionen ein. Sie habe sogar eine eigene Stiftung gegründet. Das Funktionieren dieser Stiftung führte nach und nach zum Verdacht, dass es einen Zusammenhang zwischen den Spenden und den Entscheidungen des Präsidenten gäbe. Wie viel Wahrheit in den Verdächtigungen gesteckt habe, konnte sogar eine parlamentarische Untersuchungskommission nicht klären, da Jolanta Kwaśniewska die Listen der Spender nicht bakannt geben wollte.

Ihre Karriere als First Lady habe sie als ein Star in TV-Lifestyle-Shows beendet. In der Tat habe Jalanta Kwaśniewska Charakter gezeigt. Im Gegensatz zu der Ehefrau des aktuellen Präsidenten. Vielleicht liege eben hier das Problem, stellt Sadło abschließend fest – es gäbe keine Kontroversen, über die man berichten kann.

 

Jakub Kukla