Deutsche Redaktion

Präsident, spiele nicht mit dem Coronavirus!

17.03.2020 13:19
Die Präsidentschaftswahlen sollten aufgrund der Krise verschoben werden, appellieren mit einer Stimme in den heutigen Ausgaben Michał Szułdrzyński von der konservativen Rzeczpospolita und Dominika Wielowieyska von der Gazeta Wyborcza. Ein Überblick über die wichtigsten Argumente in der Presseschau.
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Zdjęcie ilustracyjneShutterstock.com / corgarashu

Gazeta Wyborcza: Droht auch Polen eine Rezession?

Steht auch Polen vor dem Hintergrund der Coronavirus-Pandemie eine Rezession bevor? Dieser Frage geht in ihrem heutigen Aufmacher die linksliberale Tageszeitung Gazeta Wyborcza nach. Schon heute, lesen wir im Blatt, sei sicher, dass das Wachstumstempo viel niedriger sein wird, als das, das Experten noch vor ein paar Wochen vorausgesagt hatten. Im Haushaltsprojekt, so die Zeitung, sei die Regierung davon ausgegangen, dass die Wirtschaft in diesem Jahr um 3,7 Prozent wachsen werde. Vor einer Woche habe man noch meinen können, dass zwei Prozent eine gemäßigt optimistische Prognose seien. Am Montag habe die Bank Citi Handlowy jedoch bekanntgegeben, dass sie ihre Prognose auf 0,9 Prozent verringert, Credit Agricole habe seine Prognose auf 1,2 Prozent korrigiert. Die EU-Kommission schließlich gehe davon aus, dass die Wirtschaft der EU in diesem Jahr um 1 Prozent schrumpfen wird.

Und auch in Bezug auf diese Prognosen, so das Blatt, sei schwer vorherzusehen, wie lange sie noch aktuell bleiben würden. Denn nicht nur die polnische Wirtschaft sei in Bedrängnis. Es würden auch Befürchtungen vor einer Rezession in der Eurozone und den USA wachsen. So habe die amerikanische Federal Reserve die Zinssätze auf Null verringert. Dies sei das niedrigste Niveau in der Geschichte und das Gleiche, wie das, das nach der Krise 2008 angeordnet worden war. Und trotzdem würden die panischen Ausverkäufe auf den Finanzmärkten weiter anhalten. Die polnische Regierung bereite zwar derzeit Sonderlösungen für Unternehmer und Kreditnehmer vor. Diese müssten jedoch radikal ausfallen, um die anstehende Welle von Konkursmeldungen von Unternehmen, denen die Regierung den Betrieb untersagt hat zu stoppen, so Gazeta Wyborcza. 

 

Rzeczpospolita: Behinderte Wahlen 

Die Präsidentschaftswahlen sollten aufgrund der Krise verschoben werden, appellieren mit einer Stimme in den heutigen Ausgaben Michał Szułdrzyński von der konservativen Rzeczpospolita und Dominika Wielowieyska von der Gazeta Wyborcza.

Es gebe derzeit keine Gründe, um über eine Verlegung der Wahlen zu sprechen, habe zwar neulich PiS-Politiker Krzysztof Sobolewski versichert. Doch er irre sich, betont Michał Szułdrzyński. Die Führung einer Wahlkampagne, so der Autor, sei derzeit unmöglich geworden. Die meisten Gegenkandidaten von Amtsinhaber Andrzej Duda seien den Aufrufen der Regierung gefolgt und hätten ihre politische Aktivität auf ein Minimum beschränkt. Der Präsident sei indes in einer ganz anderen Situation. Er habe die Möglichkeit, Krankenhäuser zu besuchen und sich mit den Diensten zu treffen und mache von dieser auch Gebrauch. Wenn die Konkurrenten von Duda Pressekonferenzen mit Ärzten organisieren würden, würden alle - und das zu Recht - feststellen, dass sie von der derzeit wichtigsten Aufgabe, also vom Kampf gegen die Epidemie ablenken.

Es sei keine gute Zeit für eine Wahlkampagne und für einen Wettstreit der Visionen, Programme und Persönlichkeiten. Wenn die Opposition nun die Regierung beim Kampf gegen das Coronavirus unterstütze, werde sie bei den Wahlen keine Chancen haben. Wenn sie es dagegen nicht tun würde, wäre dies unverantwortliches Verhalten, das die Wähler zweifellos bestrafen würden. Die Hände der Konkurrenz von Duda seien daher derzeit gebunden.

Aber auch der Präsident könne nicht darauf zählen, dass das Virus ihn politisch nur stärken werde. Denn die Geduld der Bürger könne sehr schnell enden und die Emotionen können sich gegen die Regierenden wenden. Eigentlich, so der Autor, sollte in den nächsten Tagen die ganze Wahlmaschine mit Volldampf starten. Doch das sei unter gegebenen Umständen unmöglich. Daher appelliere er an die Regierung und Opposition um Dialog. Es sei eine gemeinsame Entscheidung notwendig, um politische Konflikte, die vom Kampf gegen die Epidemie ablenken würden, möglichst zu vermeiden, so Michał Szułdrzyński. 

 

Gazeta Wyborcza: Präsident, spiele nicht mit dem Coronavirus! 

Auch Dominika Wielowieyska hebt die ungleichen Chancen der Oppositionskandidaten und des vom Regierungsfernsehen ständig exponierten Amtsinhabers hervor. Und erinnert an die neulichen Kommunalwahlen in Frankreich. Die Frequenz, so die Autorin, sei so niedrig gewesen, dass nun darüber diskutiert wird, ob die ganzen Wahlen nicht annulliert und wiederholt werden sollten. Ist das tatsächlich etwas, dass wir auch in Polen wollen, fragt die Autorin? Die Regierung, lesen wir weiter, zähle darauf, dass die Bürger in unsicheren Zeiten auf Kontinuität in der Politik setzen werden und dass ihr Kandidat im ersten Wahlgang gewinnen werde. Der Herbst indes sei für die PiS riskant, denn dann würden schon die ersten Effekte der wirtschaftlichen Verlangsamung zu spüren sein. Doch Andrzej Duda müsse sich doch auch bewusst sein, dass die Durchführung der Wahlen und die Verletzung der Regeln des Fair Play später Anlass geben können, das Wahlergebnis anzufechten. Und sein solcher Konflikt wäre, vor dem Hintergrund der drohenden Wirtschaftskrise, kein gutes Szenario für Polen, so Dominika Wielowieyska in der Gazeta Wyborcza. 

Autor: Adam de Nisau