Deutsche Redaktion

Landsbergis: "Lange Liste europäischer Politiker, die in Moskau gedemütigt wurden"

09.02.2021 12:26
Die konservativ-liberale Tageszeitung Rzeczpospolita hat mit dem litauischen Außenminister und Chef der regierenden Konservativen, Gabrielius Landsbergis, gesprochen. Hauptthema war der Besuch des EU-Chefdiplomaten Josep Borrell in Moskau.
Gabrielius Landsbergis
Gabrielius LandsbergisTwitter/European Parliament @Europarl_EN

Rzeczposplita: Lange Liste europäischer Politiker, die in Moskau gedemütigt wurden

Die konservativ-liberale Tageszeitung Rzeczpospolita hat mit dem litauischen Außenminister und Chef der regierenden Konservativen, Gabrielius Landsbergis, gesprochen. Hauptthema war der Besuch des EU-Chefdiplomaten Josep Borrell in Moskau. Der litauische Diplomat, erinnert das Blatt einleitend, habe den Besuch schon zuvor als eine verpasste Chance bezeichnet. Wenn die EU nach dieser Niederlage vereinter gegenüber Russland auftreten und neuen Sanktionen leichter zustimmen würde, dann könnte diese Erfahrung vielleicht zum Vorteil genutzt werden. Denn es sei nicht nur Borrell, der in Moskau gedemütigt wurde, sondern die gesamte EU. Und das, obwohl Diplomaten Borrell davor gewarnt haben, direkt nach der Verurteilung des Hauptkritikers des Kremls nach Moskau zu reisen.

Putin, heißt es weiter, habe bereits viel getan, um die Union zu vereinen. Im Jahr 2007, erinnert der litauische Diplomat, sei die Rede von einem Kontinent von Lissabon bis Wladiwostok gewesen. Dann aber kam 2008 der Überfall auf Georgien und 2014 auf die Ukraine und dieses Konzept sei schnell wieder verschwunden. Man erlebe zwar immer noch ein Auf und Ab der Gefühle für Russland, trotzdem aber gebe es dort immer noch Verstöße gegen das Völkerrecht, die Krim ist immer noch besetzt und der Krieg in der Ostukraine dauert an. Hinzu komme jetzt der Fall Nawalny.

Eine Entspannung in den Verhältnissen zu Moskau werde jedoch leider sowieso wieder eintreten. Die Liste derer, die in Moskau gedemütigt wurden, sei lang. Aber die Nachfolger wollen es trotzdem immer wieder aufs Neue versuchen. Dem Litauer nach, stecke dahinter sowohl Kalkül als auch Naivität. Einige sollen denken, dass man mehr gewinne, wenn man mit Russland rede. Die Naiven sollen glauben, dass es eine Chance gebe, Russland zum Besseren zu verändern. Aber es sei Russland, das uns letztendlich verändere, stellt Landsbergis abschließend fest. Wegen Politikern wie Gerhard Schröder fange Europa an, das Brechen der Regeln als normal zu betrachten, lautet sein Fazit in der Rzeczpospolita am Dienstag.

Dziennik: Die blinde Liebe der Opposition für die EU

In dem Blatt Dziennik indes, schreibt Andrzej Krajewski, dass viele PiS-Wähler die Nase von ihrer Partei voll haben sollen, trotzdem aber nach einem Blick auf die Opposition die Zähne zusammenbeißen und wie gewohnt ihr Lager wählen. Dem Autor nach, sei dies der einzige Grund, warum die Vereinigte Rechte in den Umfragen weiterhin triumphiere. Seit 2015, sei die Hauptbeschäftigung der Oppositionsparteien die Auseinandersetzung mit der Logik, und zwar so heroisch, dass man den Verdacht habe, dass diese Leute den gesunden Menschenverstand wirklich hassen. Dies habe vor allem die Impfstoffkrise bewiesen und die bigotte Haltung der Opposition gegenüber der Europäischen Union. Sie ähnele meist einer frommen Anbetung. Jede Kritik an der EU hingegen provoziere hysterisches Geschrei und den Vorwurf des sog. Polexits. Das größte Problem mit der EU sei indes, stellt Krajewski fest, dass es eine ziemlich aussichtslose Angelegenheit sei, normale Wähler (einschließlich aufrichtiger Euro-Enthusiasten) davon zu überzeugen, dass sie ihr eine heißblütige, aber geistlose Liebe, zeigen müssen.

Im Alltag sei die Union aufgrund ihrer Organisationsstruktur und ihrer Entscheidungsverfahren ein dysfunktionaler Organismus, der nicht in der Lage sei, schnell und effektiv auf eine größere Krise zu reagieren. Diese Schwäche, überzeugt der Autor, werde durch die verhängnisvolle Angewohnheit verstärkt, die höchsten Positionen in Brüssel an "politisch abgenutzte Kader" zu vergeben. Wenn dann eine Krise eintrete: eine Finanz-, Wirtschafts-, Migrations-, Seuchen- oder wie jetzt Impfstoffkrise, dann sei die Union wie gelähmt. Die  Probleme indes werden von den Nationalstaaten gelöst. Bei dieser Gelegenheit, bemerkt Krajewski, nehmen die Regierungen einen großen Teil der Verantwortung von ihren Schultern und beschuldigen Brüssel für alle Versäumnisse. Darin werden sie sogar von der Opposition unterstützt. Aber nicht in Polen, heißt es abschließend in Dziennik. Hier vollziehe die Opposition einen öffentlichen Ritus der blinden Anbetung der Union.


Piotr Siemiński