TYGODNIK POWSZECHNY: Die Route der Betrogenen
Belarus verteidige die östliche Grenze der Europäischen Union – eine solche These würde in der Rhetorik des belarussischen Präsidenten Alexander Lukaschenko seit vielen Jahren immer wieder zurückkehren, schreibt in ihrer politischen Analyse die Wochenzeitschrift Tygodnik Powszechny. Damit habe der Politiker seine Stellung in den Kontakten mit der EU gestärkt. Seine Taktik habe sich übrigens sehr gut bewährt: in den vergangenen 20 Jahren habe Minsk über 85 Millionen Euro europäischer Hilfsgelder für die Stärkung der Grenze und die Modernisierung der Grenzinfrastruktur erhalten. Nach den gefälschten Wahlen und den darauffolgenden Protesten der belarussischen Gesellschaft im vergangenen Jahr seien die Kontakte zwischen Minsk und Brüssel in eine tiefe Krise geraten, schreibt das Blatt. Während die EU-Sanktionen gegen Belarus angekündigt habe, habe der belarusissche Außenminister festgestellt, dass sein Land nun die Zusammenarbeit mit der EU in Bezug auf die Bekämpfung der illegalen Migration nicht mehr fortführen wolle.
Den Worten seien rasch Taten gefolgt, stellt die Wochenzeitschrift weiter fest. Bald seien auf dem belarussisch-litauischen Grenzübergang in nur wenigen Wochen etwa 500 Migranten aufgetaucht. Zum Vergleich: im Jahr zuvor hätten die litauischen Grenzschützer nur 81 illegale Migranten festgenommen. Im August sei klar geworden, dass Belarus die Route von Litauen nach Polen verschieben wolle. Bald hätten polnische Grenzschützer von mehreren hundert Versuchen einer illegalen Grenzüberschreitung täglich berichtet.
Man sollte momentan nicht davon ausgehen, schreibt die Wochenzeitschrift weiter, dass sich die Krise an der östlichen Grenze Polens schnell lösen lassen werde. Ganz im Gegenteil: man könne sogar annehmen, dass sich die Lage weiterhin verschlechtern werde. Flugzeuge aus dem Nahen Osten würden weiterhin auf dem Flughafen in Minsk landen. Die Aktivitäten der polnischen Diplomatie seien nicht ausreichend, um die Situation bedeutend zu verbessern. Darüber hinaus hebe Belarus morgen die Visumspflicht für ägyptische, jordanische und iranische Bürger auf. Der nahende Winter verursache, dass sich bald Tausende vom Lukaschenko betrogene Menschen aus dem Nahen Osten in einer äußerst schwierigen Lage befinden werden. Allem Anschein nach, versuche der belarussische Präsident eine humanitäre Krise an der Grenze zur EU auszulösen, um die Staatengemeinschaft unter Druck zu setzen. Die Verantwortung für die dramatischen Zwischenfälle, die es bald geben werde, werde er wohl versuchen, Polen und Litauen in die Schuhe zu schieben. Man sollte dies in Erinnerung behalten, wenn die Medien bald von weiteren Opfern an der Grenze berichten werde, schreibt die Wochenzeitschrift Tygodnik Powszechny.
DZIENNIK/GAZETA PRAWNA: Erpressung, die zu erwarten war
Die Tageszeitung Dziennik/Gazeta Prawna zitiert in der neuen Ausgabe einen Kommentator aus „Der Zeit”. Der Text bezieht sich auf den Gashandel zwischen Russland und der EU. Grüne und FDP sollten Scholz in den Koalitionsverhandlungen dazu drängen, sich von der Anbiederungspolitik gegenüber Moskau zu befreien, heißt es.
Die EU träume gerne davon, wenigstens im eigenen Umfeld als Ordnungsmacht aufzutreten. Stattdessen würden die Europäer nicht nur erleben, wie Moskau weiter auf eklatante Weise internationales Recht breche und die Friedensordnung Europas bedrohe. Die Europäer würden gleichzeitig kurz vor dem Winteranfang die eigene Machtlosigkeit und Abhängigkeit von russischen Energielieferungen vorgeführt bekommen.
Die derzeitigen exorbitanten Gaspreise hätten viele Gründe, sie seien aber auch das Ergebnis einer russischen Verknappungspolitik, lesen wir weiter. Und immer offenherziger mache Moskau deutlich, dass es Europas Gasprobleme lösen könnte – wenn die EU ihre Außenpolitik gegenüber dem Land neu ausrichte. Das ist genau die Art von Erpressung, vor der die Kritiker der Gaspipeline Nord Stream 2 immer gewarnt hätten, stellt der Publizist fest. So peinlich, dass „Schröderisierung“ inzwischen schon zu einem geflügelten Wort in der europäischen Politik geworden sei, um zu beschreiben, wie sich autoritäre Regime Einfluss in unseren Demokratien erkaufen würden, lesen wir in Dziennik/Gazeta Prawna.
RZECZPOSPOLITA: Kaczyński geht
Der Vizepremier und Chef der regierenden Partei Recht und Gerechtigkeit Jarosław Kaczyński wede in Kürze die Regierung verlassen, schreibt die Tageszeitung Rzeczpospolia in ihrem Politikteil. Seine Entscheidung soll der Politiker bei dem gestrigen (Mittwoch) Treffen der Parteiführung angekündigt haben. Kaczyński bekomme es nicht hin, die Pflichten eines Regierungsmietglieds mit der Arbeit des Parteiführers zu verbinden: im Parteisitz lasse sich der Politiker nur einmal in der Woche blicken.
Die Medien würden bei dieser Gelegenheit spekulieren, ob es zu einer Regierungsumbildung kommen werde. Wenn, dann könne man mit eventuellen Korrekturen im Oktober rechnen, antwortet der Regierungssprecher Piotr Müller. Momentan habe Vizepremier Kaczyński seine Arbeit in der Regierung nach einem kurzen Urlaub wiederaufgenommen. Ob er tatsächlich gehen werde, wolle der Sprecher nicht bestätigen. Wenn, dann werde es seine autonome Entscheidung sein, antwortet Müller kurz und bündig.
Autor: Jakub Kukla