Deutsche Redaktion

"Letzter Moment für eine Einigung"

04.11.2021 11:24
Ursula von der Leyen übernimmt Verantwortung für Lösung des Konflikts mit Polen, die Zeit für eine Einigung läuft jedoch davon. Außerdem: Größte Anhebung der Zinssätze seit 20 Jahren und Neuinfektionen stellen Schulen und Kindergärten vor schwierige Entscheidungen. Die Einzelheiten in der Presseschau.
Premier Mateusz Morawiecki i przewodnicząca Komisji Europejskiej Ursulą von der Leyen podczas szczytu przywódców UE w Brukseli
Premier Mateusz Morawiecki i przewodnicząca Komisji Europejskiej Ursulą von der Leyen podczas szczytu przywódców UE w BrukseliPOOL/FORUM

Rzeczpospolita: Letzter Moment für eine Einigung

Diejenigen, die sich an die Bataillen der PiS mit dem EU-Kommissar für Rechtsstaatlichkeit Frans Timmermans erinnern, werden aufatmen, schreibt in ihrem Aufmacher die konservativ-liberale Rzeczpospolita. Der Grund: Ursula von der Leyen habe, wie das Blatt unter Berufung auf Quellen in Brüssel berichtet, die volle Verantwortung für den Konflikt mit Polen übernommen. Die Entscheidung, ob die Mittel für den Nationalen Wiederaufbaufonds entsperrt werden, werde die EU-Kommissionschefin also persönlich treffen. “Ihre Rekommendation muss das Kolleg der Europäischen Union absegnen, das ist aber eine Formalität. Von der Formulierung der Rekommendation sind radikale EU-Kommissare, wie Didier Reynders, Vera Jourova, Margrethe Vesteger, Thierry Breton, Paolo Gentiloni oder Frans Timmermans ausgeschlossen worden”, zitiert Rzeczpospolita einen Informanten aus Brüssel. Von der Leyen habe sich für diesen Schritt nach dem Wortgefecht zwischen Polens Regierungschef Mateusz Morawiecki und den EU-Deputierten am 19. Oktober und einer ebenso emotionalen Debatte des Premierministers mit den EU-Staatschefs drei Tage später entschieden. Der Konflikt sei so angeschwollen, urteilt das Blatt, dass von seiner Lösung nun die Karriere von von der Leyen abhänge. 

Auch Angela Merkel appelliere um eine politische Lösung, die über die Urteile des EU-Gerichtshofs hinausreiche. Einer der Effekte dieser Appelle seien die relativ versöhnlichen Bedingungen für eine Aktivierung des Nationalen Wiederaufbauplans, die die EU-Kommissionschefin vorgestellt habe: die Verpflichtung der Regierung in Warschau zur Liquidierung der kontroversen Disziplinarkammer des Obersten Gerichtshofs, eine Beendigung oder Reform des Disziplinar-Regimes und der Beginn der Wiederzulassung von Richtern zum Urteilen. 

Der Vorschlag bleibe jedoch, wie das Blatt beobachtet, nur noch bis Mitte November auf dem Tisch. Wenn bis dahin keine positive Entscheidung falle, dann werde eine Auszahlung der ersten Tranche von 5 Milliarden Euro in diesem Jahr nicht mehr möglich sein. Ebenso kurz werde voraussichtlich auch das Kabinett Merkel noch an der Macht sein. Und die neue Bundesregierung werde eine viel prinzipiellere Haltung gegenüber Polen einnehmen, wovon unter anderem die Attacken von Europaabgeordneten der SPD, der Grünen und der FDP bei der Debatte mit Morawiecki zeugen, lesen wir in der Rzeczpospolita. 

Dziennik/Gazeta Prawna: Zinssätze höher als erwartet

Alle Zeitungen machen auf die gestrige Entscheidung des Rats für Monetärpolitik aufmerksam, die Zinssätze von 0,5 Prozent auf 1,25 Prozent anzuheben. Wie das Wirtschaftsblatt Dziennik/Gazeta Prawna beobachtet, handelt es sich dabei um die größte Anhebung der Zinssätze seit 21 Jahren. Es sei eine Antwort auf die Inflation, die im Oktober 6,8 Prozent betrug und sich damit ebenfalls auf dem höchsten Niveau seit 20 Jahren befindet. 

Wie die Nationalbank in ihrem Kommunique betonte, würden für die hohe Inflation vor allem externe Faktoren verantwortlich sein, wie die hohen Rohstoff- und Lebensmittelpreise auf den globalen Märkten, die Anstiege der Preise für Energie und Müllabfuhr sowie Turbulenzen im Transport und den Versorgungsketten. Zudem sei die Inflation in den Staaten höher, die eine Rezession verhindert hätten und wirtschaftlich schnell wachsen würden. Derzeit habe man es zudem noch nicht mit einer Spirale von Preisen und Löhnen zu tun. Das Risiko einer solchen Spirale sei aber vorhanden. Daher wolle die Nationalbank alles tun, um die Inflation mittelfristig erneut auf 2,5 Prozent zu senken, so Dziennik/Gazeta Prawna. 

Dziennik/Gazeta Prawna/Gazeta Wyborcza: Schulen werden von Tag zu Tag leerer

Dziennik/Gazeta Prawna macht auf seiner Titelseite auch auf den raschen Anstieg von Infektionen mit dem Coronavirus in Schulen und Kindergärten aufmerksam. Das Bildungsministerium, lesen wir, betone zwar, dass die Zahl der Schulen, die im Fern- beziehungsweise Hybridmodus arbeiten müssen, statistisch nicht relevant sei. Doch die Direktoren würden auf einen schnellen Anstieg von Infektionen unter Schülern und Lehrern aufmerksam machen. Die Sanitär- und Epidemiologiebehörden würden diese Einschätzung bestätigen, so das Blatt.  

Und die widersprüchlichen Signale aus der Regierung würden unter den Lehrern, wie die linksliberale Gazeta Wyborcza in einem Artikel zum selben Thema beobachtet, für enormen Frust sorgen. Einerseits würden die Zahlen der Neuinfektionen ständig steigen, andererseits würde der Gesundheitsminister verkünden, dass er keinen Fernunterricht für alle anordnen wird. “Vielleicht sollte er es tun, dann wüssten wir wenigstens, wo wir stehen”, sagt eine Grundschullehrerin aus Łódź dem Blatt. Und fügt hinzu, dass es derzeit schwer ist, den Schein der Normalität in der Schule zu wahren. Die Zahl der Klassentests, die in kurzer Zeit organisiert würden, nur um so viele Noten zu sammeln, wie möglich, sei erdrückend. Die Schüler seien überfordert, aber auch die Lehrer würden durch das Programm rasen, aus Angst vor Online-Unterricht, bei dem die Effektivität der Schüler drastisch sinke, zitiert Gazeta Wyborcza die Grundschulpädagogin.

Autor: Adam de Nisau