Deutsche Redaktion

"Putin auf dem Kriegspfad"

04.01.2022 13:20
Was hat der Konflikt um die Ukraine mit dem Taiwan zu tun? Wie wahrscheinlich ist eine offene Invasion der Ukraine? Und: Geht Putins Ultimatum nach hinten los? Ein wichtiges Thema in den Pressekommentaren bleibt weiterhin die angespannte Lage an der ukrainischen Grenze.
Irena Lasota przypomina, że kwestia  rzekomego bezpieczeństwa Rosjan jest dla Putina tylko wymówką
Irena Lasota przypomina, że kwestia rzekomego bezpieczeństwa Rosjan jest dla Putina tylko wymówką Shutterstock/Sasa Dzambic Photography

Do Rzeczy: Putin auf dem Kriegspfad

In der aktuellen Ausgabe der nationalkonservativen Wochenzeitung “Do Rzeczy” zeichnet der Publizist und Schriftsteller Rafał Ziemkiewicz düstere geopolitische Szenarien für die kommenden Monate. Wenn die Geschichte uns eines lehrt, so Ziemkiewicz, sei es, dass Menschen nichts aus der Geschichte lernen. Die Wahrheit dieses alten Prinzips, lesen wir, sei im vergangenen Jahr, wenigstens in Bezug auf westliche Politiker, auf eindrucksvolle Weise bestätigt worden. Das, was die USA und die EU in Bezug auf Russland gemacht hätten, erinnere sehr an “appeasement”, den Versuch von vor etwas über 80 Jahren, die Aggressivität von Adolf Hitler mit politischen Mitteln “zu mildern”. Man könne natürlich noch hoffen, dass er nicht genauso endet. Aber der Erfolg von Joe Biden und Angela Merkel in der Schaffung eines neuen Sicherheitssystems in Europa sei ebenso viel wert, wie “der Frieden unserer Zeit”, mit dem sich der britische Premierminister Chamberlain nach der Rückkehr aus München brüstete. Diesmal, so der Autor, habe man nicht einmal so lange warten müssen, wie damals. Den Vertrag, der die Bedingungen formalisiere, unter denen die USA die Fertigstellung von Nord Stream 2 akzeptieren, hätten die Anführer der USA und Deutschlands im Juli 2021 unterzeichnet. Ein paar Wochen später habe das Satelliten-Regime des Kremls unter Lukaschenka begonnen, den Migrationsdruck auf Litauen und Lettland und später auf Polen zu eskalieren. In dem wachsenden Chaos habe Russland seine Truppen an die Grenze zur Ukraine verlegt, um anschließend schrittweise die Soldatenzahl und die Zahl der schweren Waffen bis zu einem Punkt anzuheben, der die Intention einer Invasion nahelegt. In Reaktion darauf, habe der Westen ein ganzes System von Argumenten entwickelt, mit denen er sich selbst erklärt, dass Putin eine solch brutale Verletzung der internationalen Ordnung nicht wagen wird und der soeben geschlossene Vertrag mit den USA einen Angriff noch unwahrscheinlicher macht. 

Putin jedenfalls scheine die Perspektive des eventuellen Verlusts von Profiten aus Gasexporten nicht erschrocken zu haben, denn in den letzten Tagen habe sein Außenministerium ein 8-Punkte-Ultimatum publik gemacht, in dem es von der NATO außer der Verpflichtung, Gespräche mit der Ukraine und Georgien abzubrechen, auch die Liquidierung von Stützpunkten in ehemaligen Ostblockstaaten fordere. Diese acht Punkte seien, wie Russlands Vize-Außenminister Siergiej Rybakow betonte, kein Menü, aus dem man nach Belieben auswählen könne, sondern ein ganzheitlicher Vorschlag. 

Und wer die Politik des Kremls kenne, so Ziemkiewicz, den sollte diese Unverfrorenheit auch nicht wundern. Moskau schätze die Determination der USA, ihre Großmachtstellung beizubehalten, derzeit eben als die niedrigste seit Carter ein. Und sei entschieden, die Schwäche der aktuellen US-Administration sowie die internen Spannungen in den USA für sich zu nutzen. Analytiker Andrew Michta, schreibt Ziemkiewicz, habe in einem neulichen Artikel für “The Wall Street Journal” zudem darauf aufmerksam gemacht, dass besonders schwächelnde Imperien die Lösung für interne Probleme oft in externer Expansion suchen. In diesem Sinne, so Ziemkiewicz, sei Russland heute besonders gefährlich. Und die Schaffung von Bedingungen, in denen der Kreml sein externes Imperium aus UDSSR-Zeiten wieder aufbauen könne, könne sich als einer der größten Fehler erweisen, den der Westen seit vielen Jahren begangen habe. Besonders, beobachtet der Publizist, da viele Analytiker in naher Zukunft eine militärische Konfrontation zwischen China und den USA um Taiwan prophezeien. Und wenn China die militärischen Kräfte der USA auf dem Pazyfik bindet, wer werde dann die “grünen Männchen” von Putin stoppen können? Das auf eine Allianz mit ihm um jeden Preis (und eine Zusammenarbeit mit China) ausgerichtete Deutschland? Polen? Lettland und Litauen?, fragt Rafał Ziemkiewicz rhetorisch in seiner Analyse für “Do Rzeczy”.

Do Rzeczy: “Offene Invasion wenig wahrscheinlich”

Eine offene Invasion halte sie für wenig wahrscheinlich, sagt, ebenfalls im Gespräch mit “Do Rzeczy”, Anna Maria Dyner vom Polnischen Institut für Internationale Angelegenheiten. Erstens, so die Expertin, sei die Ukraine militärisch weitaus stärker als 2014. Die Armee sei in ständiger Kampfbereitschaft und verfüge über Waffen, die eventuellen Aggressoren beträchtliche Probleme bereiten könnten. Eine Invasion wäre also nicht nur finanziell teuer, sondern würde auch viele Todesopfer bedeuten, was Putins Popularität eher nicht gut tun würde. Zweitens müsste der Westen im Falle einer Invasion harte Sanktionen einführen und die Verhandlungen mit dem Kreml abbrechen. Drittens würde Russland die Ukraine zwar erobern können, würde dann jedoch den viel härteren Kampf gegen Partisanen und den Widerstand der Gesellschaft fortsetzen müssen. Daher, so die Expertin, sei für Putin die aktuelle Situation am bequemsten. Indem er eine Invasion vortäusche, zwinge er Kiew, die Armee in ständiger Kampfbereitschaft zu halten und andere Bereiche sowie Reformen zu vernachlässigen, was den Staat anfälliger für außermilitärische Operationen mache. Es sei einfacher, die Ukraine von außen zu destabilisieren, als sie zu erobern und dann für den Unterhalt eines Staats mit 44 Millionen Bürgern sorgen zu müssen. Schließlich: wenn Russland angreife, dann könne es nicht mehr damit drohen, dass es angreifen werde, wenn der Westen sich nicht beuge, so Anna Maria Dyner im Gespräch mit Do Rzeczy.

Rzeczpospolita: Putin hat Finnland erschrocken

In der Zwischenzeit scheint Putin mit seiner Strategie zunächst das Gegenteil dessen zu erreichen, was er sich vom Ultimatum erhofft hat, beobachtet in der aktuellen Ausgabe die konservativ-liberale Rzeczpospolita. Der Grund: In seiner Neujahrsansprache habe der finnische Staatspräsident angekündigt, dass sein Land sich das Recht vorbehält, der NATO beizutreten. “Das ist ein immanenter Teil unserer Souveränität. Die Zeiten von Einflusszonen sind vorbei”, so Sauli Niinisto. Die Deklaration, lesen wir, gehe genau in die entgegengesetzte Richtung, als die, die Putin mit seinen Bedingungen skizziert habe. Falls diese nicht erfüllt werden, erinnert die Zeitung, könnte Russland innerhalb von wenigen Wochen einen Angriff auf die Ukraine starten. Gespräche zu dem Thema zwischen den USA und Russland sollen schon am 10. Januar in Genf starten. Die Erklärung des finnischen Staatspräsidenten habe den Kreml allerdings offenbar überrascht. Denn seine Drohungen habe er eben vor allem mit Blick auf die Ukraine formuliert. Ein NATO-Beitritt Finnlands würde jedoch die seit dem zweiten Weltkrieg anhaltenden Politik der Neutralität beenden, was auch eine grundlegende Änderung der Kräfteverhältnisse an der Ostsee nach sich ziehen würde. Besonders, da derzeit auch in Schweden eine Debatte über einen NATO-Beitritt laufe. Zwar, so das Blatt, seien immer noch 51 Prozent der Finnen gegen einen NATO-Beitritt (24 Prozent seien dafür). Doch noch vor zwei Jahren hätten sich 64 Prozent und vor der Krimannexion 2014 70 Prozent gegen eine Mitgliedschaft im nordatlantischen Pakt ausgesprochen. Helsinki würde auch harte Sanktionen für Russland im Falle einer Invasion befürworten, so Rzeczpospolita.

 

Autor: Adam de Nisau