Deutsche Redaktion

"Scholz glaubt nicht an eine Niederlage Russlands"

31.05.2022 13:11
Enttäuschender Ringtausch, ambivalente Äußerungen zu Russland, Gespräche mit Putin hinter dem Rücken der NATO-Verbündeten - in den heutigen Pressekommentaren hagelt es Kritik an der deutschen, aber auch der französischen Politik gegenüber Russland und der Ukraine. 
Niemieckie media: w sprawie broni dla Ukrainy Olaf Scholz rujnuje reputację polityki RFN
Niemieckie media: w sprawie broni dla Ukrainy Olaf Scholz rujnuje reputację polityki RFNShutterstock/Gints Ivuskans

Rzeczpospolita: Scholz glaubt nicht an eine Niederlage Russlands

Die bisherigen Sanktionen haben den Import der EU aus Russland um nur 20 Prozent gesenkt. Anfangs hat das zu einem Schock für die russische Wirtschaft geführt, aber heute beginnt ihre Stabilisierung, warnt in einem Interview für die konserativ-liberale Rzeczpospolita Polens Vize-Außenminister Szymon Szynkowski vel Sęk. Und zeigt sich vor allem besorgt über die weiterhin ambivalente Haltung Deutschlands im Krieg. Nur ein Beispiel dafür sei Deutschlands Ringtausch-Angebot an Polen, in dessen Rahmen die von Polen an die Ukraine gelieferten schweren Waffen aus Bundeswehrbeständen ersetzt werden sollten. Als man zu Konkreten überging, so der Vize-Außenminister, habe sich herausgestellt, dass Berlin extrem veraltete Technologie anbieten wollte, die die Ausstattung der polnischen Armee im Vergleich zu dem, worüber sie noch vor der Lieferung an die Ukraine verfügte verschlechtern würde. Er, so Szynkowski vel Sęk, wolle an diesem Punkt ganz klar sagen, dass es nicht stimme, dass Polen im Rahmen des Ringtausches Ausrüstung erwartet habe, die sich nicht im Besitz der Bundeswehr befinde. Im Gegenteil. Es sei von Waffen die Rede gewesen, die in der Bundeswehr zum Standard gehören. Er wolle keine Details nennen, da dies sensible Informationen seien. Tatsache sei aber, dass Deutschland nur Ausrüstung angeboten habe, die technologisch älter sei, als das, was Polen der Ukraine übergeben habe. Daran sei Polen natürlich nicht interessiert und daher drücke die Regierung auch offen ihre große Enttäuschung aus. Es habe einfach an gutem Willen von deutscher Seite gefehlt. Nun hoffe er, dass es doch noch zu einer Selbstreflexion auf deutscher Seite komme und dass Deutschland, wenn es sehe, dass andere NATO-Partner bereit seien, Polen reale Hilfe zu leisten, erneut mit gutem Willen an den Verhandlungstisch zurückkehre. 

Auf die Frage, ob Berlin nicht daran interessiert sei, die polnische Armee und damit auch seine eigene Sicherheit zu stärken, antwortet der Vize-Außenminister mit einer Gegenfrage. Wie anders, so Szynkowski vel Sęk, könne man die Tatsache interpretieren, dass Bundeskanzler Scholz etwa die Formulierung vermeide, dass die Ukraine diesen Krieg gewinnen muss? Laut vielen Kommentatoren sei dies ein Ausdruck der fehlenden Überzeugung auf Seiten des Bundeskanzlers, dass die Ukraine die russische Invasion stoppen sollte. Überhaupt seien in Westeuropa immer häufiger Stimmen zu vernehmen, laut denen man einen Frieden auf Kosten der Ukraine anstreben und Russland die Möglichkeit geben sollte, das Gesicht zu wahren. Dies seien inakzeptable Thesen, ein Echo der alten Politik gegenüber Russland, die sich völlig kompromittiert habe. Leider hätten wir jedoch eigentlich jeden Tag neue Beweise für Deutschlands Unwillen, der Ukraine reale Hilfe zu leisten. Dies sei unheimlich frustrierend für Kiew. Aber auch Polen sei konsterniert. Denn aus polnischer Sicht würde auf Deutschland eben eine besondere Verantwortung für die Konsequenzen der im Rahmen der Ostpolitik begangenen Fehler lasten, wie etwa der Blockade des NATO-Beitrittsprozesses der Ukraine 2008 in Bukarest. Sei Deutschland zu einer realen Abrechnung mit diesen Fehlern bereit, wenn sich Bundeskanzler Scholz bis heute nicht einmal zu einer Reise nach Kiew entschieden habe, fragt Szynkowski vel Sęk in der Rzeczpospolita. 

Dziennik/Gazeta Prawna: Scholz und Macron hirntot?

Kritisch zur aktuellen deutschen und französischen Politik gegenüber Russland äußert sich in der heutigen Ausgabe auch das Wirtschaftsblatt Dziennik/Gazeta Prawna. Der Anlass: Während Russland ein Massaker in Sewerodonezk verübt, lesen wir, würden Frankreichs Staatspräsident und der Bundeskanzler mit Wladimir Putin über die Entblockierung von Odessa und die Verhinderung einer Nahrungskrise diskutieren. Aus der vom Elysee-Palast veröffentlichten Transkription der Gespräche gehe hervor, dass Macron und Scholz sich zwar an die westliche politische Korrektheit halten, wenn sie über den Krieg sprechen. Andererseits würden sie jedoch über Odessa so debattieren, als ob die Stadt schon in russischen Händen wäre und ihr Schicksal von Russland abhängen würde. Die baltischen Staaten und Polen, so die Zeitung, würden vehement gegen Gespräche mit Moskau über solche Themen, und dass noch auf solche Weise und ohne Absprache mit den Verbündeten, protestieren. Ihrer Ansicht nach sei dies eine zur EU und NATO alternative Diplomatie, die nur zu noch mehr Krieg führen werde. Der Chef des Verteidigungsausschusses des estnischen Parlaments Marko Mihkelson habe, in Anspielung an das berühmte Interview Macrons für “The Economist” direkt gefragt, ob sich der französische Präsident und der deutsche Bundeskanzler “im Zustand eines Hirntodes” befinden würden.

Kommentatoren, lesen wir, würden zunehmend eine Wiederholung einer Situation, wie im August 2008, während des Kriegs in Georgien befürchten. Damals sei der französische Präsident Sarkozy mit einem Friedensplan nach Tbilisi gefahren, der in Gänze von Russlands Außenminister Sergej Lawrow geschrieben worden sei. Damit sei es Russland gelungen, den Konflikt für viele Jahre einzufrieren und Georgien einen Teil seiner Souveränität zu rauben, so Dziennik/Gazeta Prawna. 

Autor: Adam de Nisau