Rzeczpospolita: Nächstes Jahr in Mariupol?
Vor einem Monat hat Ukraines Staatspräsident Wolodymyr Selenskyj erklärt, dass er alles tun wird, damit der Eurovision Song Contest im nächsten Jahr in einem freien und friedlichen Mariupol stattfinden kann, erinnert dazu Jerzy Haszczyński in der Rzeczpospolita. In der Hoffnung, dass nach dem diesjährigen ESC-Sieg der Ukraine die Veranstaltung im kommenden Jahr in Mariupol ausgetragen werden könnte, so der Autor, habe der ukrainische Präsident das Ziel seines Landes zum Ausdruck gebracht: die Wiedererlangung der territorialen Integrität und das Ende der russischen Besatzung.
Derzeit, so Haszczyński, bleibe Mariupol jedoch den Händen des Kremls. Die Stadt werde einer beschleunigten und brutalen Russifizierung unterzogen. Um das zu ändern, würden die Ukrainer große militärische Unterstützung von ihren westlichen Verbündeten brauchen. Die bisherige Hilfe sei zu schwach und zu langsam. Besonders von Deutschland seien die Ukrainer, und nicht nur sie, im Stich gelassen worden.
Könne sich all dies nach dem Besuch der Anführer Deutschlands, Frankreichs, Italiens und Rumäniens in Kiew ändern? Vielleicht. Man, so der Publizist, sollte sich jedoch mit übertriebenem Optimismus zurückhalten. Positiv sei auf jeden Fall die klare Unterstützung für den EU-Kandidatenstatus für die Ukraine, sowie die Ankündigung von Macron, dass Frankreich keinen Druck auf die Kiew ausüben werden, den Krieg um jeden Preis zu beenden. In Bezug auf weitere Waffenlieferungen seien die Aussagen der westlichen Anführer in Kiew, von der Ankündigung Macrons zu weiteren Artilleriesystemen vielleicht mal abgesehen, jedoch nicht besonders detailliert und im Falle von Scholz sogar sehr spärlich gewesen.
Fazit: Der Besuch von Draghi, Iohannis, Macron und Scholz habe die Ukrainer vielleicht mit Hoffnung und Stolz gefüllt. Er habe zweifellos auch das Interesse an dem Krieg neu entfacht, das in letzter Zeit vor dem Hintergrund der wachsenden wirtschaftlichen Probleme Westeuropas etwas abgeflaut sei. Ob er jedoch ein Durchbruch gewesen sei? So wäre es, so Haszczyński, wenn man den Eindruck hätte, dass die Eurovision im kommenden Jahr tatsächlich in einem freien Mariupol stattfinden wird. Es bleibe offen, ob die am Donnerstag angekündigte Hilfe dafür ausreichen werde, um die besetzten Gebiete zurückzuobern. Zumal Bundeskanzler Bundeskanzler Scholz, der Chef des wichtigsten europäischen Staates, nur von Waffen zur Abwehr russischer Angriffe gesprochen habe. Über die Vertreibung der Russen aus der Ukraine sei nicht die Rede gewesen, beobachtet Jerzy Haszczyński in der Rzeczpospolita.
PAP: Immer mehr Menschen fliehen aus Belarus
In den letzten Monaten habe die Auswanderung in Weißrussland stark zugenommen, sagt der Sprecher des Ministers für die Koordination der Geheimdienste Stanisław Żaryn im Gespräch mit der Polnischen Presseagentur PAP. Wie PAP unter Berufung auf Eurostat berichtet, seien seit 2020 bereits mehr als 60.000 Menschen aus Weißrussland geflohen. Die große Mehrheit nach Polen. Aber auch Litauen, Deutschland, Tschechien und Georgien hätten viele der Geflüchteten aufgenommen.
Grund für den Exodus seien laut Żaryn die massiven Repressionen des Regimes und die schrecklichen Lebensbedingungen im Land. Auch Angst vor einer Beteiligung Weißrusslands am Krieg gegen die Ukraine spiele eine Rolle. Vor allem die Jungen seien sich bewußt, in welche Richtung Lukaschenka Weißrussland treibe und wie sehr er das Land von Russland abhängig gemacht habe.
Minsk würde in Reaktion auf die Auswanderung mit allen Mitteln versuchen, seinen Bürgern die Ausreise zu erschweren. So sollen Jugendliche etwa während des Unterrichts gezwungen werden, eine Loyalitätserklärung zu unterschreiben, in der sie sich verpflichten, das Land nicht zu verlassen. Die Geheimdienste würden indes Personen mit spezieller Ausbildung oder umfangreicher Erfahrung abfangen, bevor diese aus Belarus fliehen können.
Seiner Ansicht nach werde Lukaschenka mit der Verschärfung der Repressionen das Gegenteil bewirken und eine noch größere Abwanderung verursachen, so Stanisław Żaryn im Gespräch mit PAP.
Autor: Piotr Siemiński
Anmerkung der Redaktion: Inzwischen hat die European Broadcasting Union bekanntgegeben, dass das ESC-Finale 2023 nicht in der Ukraine ausgetragen werden kann. Als Organisator sei stattdessen Großbritannien im Gespräch, so EBU.