Deutsche Redaktion

"Wiedergutmachung zu Recht aber unausführbar"

01.09.2022 12:01
In einer Meinungsumfrage hat die Tageszeitung Dziennik/Gazeta Prawna Polen gefragt, ob die Forderungen der Regierung gegenüber Deutschland zu Recht erhoben werden und ob es möglich sei, Reparationen zu erhalten. 
Deutsche Soldaten brechen den polnischen Schlagbaum bei Sopot am 1. September 1939
Deutsche Soldaten brechen den polnischen Schlagbaum bei Sopot am 1. September 1939 Hans Sönnke/Wikimedia Commons

DGP: Wiedergutmachung zu Recht aber unausführbar 

In einer Meinungsumfrage hat die Tageszeitung Dziennik/Gazeta Prawna Polen gefragt, ob die Forderungen der Regierung gegenüber Deutschland zu Recht erhoben werden und ob es möglich sei, Reparationen zu erhalten. Die Mehrheit der Befragten (47 Prozent) sei der Meinung, dass Reparationen zu Recht erhoben werden. Mehr als die Hälfte darunter glaube jedoch nicht, dass diese von Deutschland zurückgefordert werden können. Der Prozentsatz der Befragten, die glauben, dass das Thema zu Unrecht aufgeworfen werde, liege bei knapp 37 Prozent.

Am höchsten sei der Anteil jener, die das Thema für legitim halten, unter den Wählern der regierenden Partei Recht und Gerechtigkeit - insgesamt 83 Prozent. Am anderen Ende der Skala seien die Wähler der oppositionellen bürgerlichen Koalition. 81 Prozent von ihnen sollen es für einen Fehler halten, darüber überhaupt zu diskutieren.

Wenn weniger als die Hälfte der Polen die Forderung nach Reparationen für richtig halte, so glaube der Abgeordnete für Recht und Gerechtigkeit Arkadiusz Mularczyk, der den Bericht verfasst habe und das Institut für Kriegsverluste leite, sei dies das Ergebnis, das den Sieg der deutschen Narrative zeige. Das Ziel sei heute deshalb der Weltöffentlichkeit zu zeigen, dass Polen die höchsten Verluste unter den Ländern hatte, die am Zweiten Weltkrieg teilgenommen haben. Der Bericht soll die geschätzten Kriegsverluste Polens aufzeigen, aber auch die Tatsache, lesen wir, dass sich Polen ohne diese Verluste auf einem anderen Entwicklungsniveau befinden würde.

Geht es nach Professor Stanisław Żerko, einem Historiker und Experten für deutsch-polnische Beziehungen seien drei Themen wichtig: die Wiedergutmachung, Entschädigung der Opfer und materielle Wiedergutmachung für Polen. Die Frage der Wiedergutmachung mit juristischen Mitteln sei ihm nach abgeschlossen, schreibt das Blatt. Seiner Ansicht nach sollte die polnische Regierung keine Reparationen, sondern Entschädigungen anstreben. Eine an Berlin gerichtete Note, die an das polnische Unrechtsbewusstsein appelliere und zumindest eine materielle Wiedergutmachung für die überlebenden Opfer des Zweiten Weltkriegs postuliere, würde Prof. Żerko nach genügen.

Auch Professor Władysław Teofil Bartoszewski, Mitglied der Bauernpartei PSL, weise darauf hin, so die DGP, dass es in der Angelegenheit drei Aspekte gebe: einen rechtlichen, einen moralischen und einen politischen. Aus rechtlicher Sicht gebe es keine Möglichkeit, diese Entschädigungen durchzusetzen. Aus moralischer Sicht verdiene Polen eine Art Entschädigung. Es müssten nicht unbedingt Reparationen sein, aber eine Art Wiedergutmachung für den schrecklichen materiellen Schaden, den Polen durch Deutschland während des Zweiten Weltkriegs erlitten hat.

Die Frage der Wiedergutmachung, heißt es am Schluss in der Tageszeitung, tauche in der Erzählung der konservativen Regierungspartei vor allem im Wahlkampf auf. Offiziell seien die Forderungen gegenüber Deutschland bisher aber noch nicht erhoben worden.

PAP: Reparationen sind der richtige Weg zur Beendigung der Feindseligkeiten 

Kriegsreparationen seien für die Verursacher und die Leidtragenden der richtige Weg, um die Feindseligkeiten zu beenden und weiterzugehen, erklärt indes Dr. Luke Moffett von der Queen's University Belfast gegenüber der polnischen Nachrichtenagentur PAP. Der Forschungsschwerpunkt des Gelehrten liege auf Kriegsreparationen. Das Interview wird am Donnerstag von diversen polnischen Medien aufgegriffen.

In Bezug auf die polnischen Ansprüche gegenüber Deutschland sei Moffett der Ansicht, dass die Bemühungen um deren Durchsetzung von parallelem diplomatischem Druck und einem rechtlichen Weg begleitet werden sollten. Der Forscher betone, dass ein solcher Druck erfolgreich sein könne, wie das Beispiel Namibias zeige. Deutschland habe im vergangenen Jahr nach mehrjährigen Verhandlungen zugestimmt, Namibia Reparationen für den Völkermord an den Herero und Nama in den Jahren 1905-08 zu zahlen, erinnert Dr. Moffett. Dies sei geschehen, obwohl die Völkermordkonvention zu dem Zeitpunkt des Verbrechens noch nicht ins Leben gerufen wurde. Es habe somit keine formale Rechtsgrundlage für eine Entschädigung für das Verbrechen gegeben.

Auch Griechenland erhebe seit Jahren Ansprüche. Deutschland - ebenso wie das Vereinigte Königreich - wolle allerdings grundsätzlich nicht, dass vergangene Fälle durch Reparationen abgedeckt werden, erklärt der Historiker abschließend. Dies könnte nämlich einen Präzedenzfall schaffen, der andere dazu ermutigen würde, ähnliche Forderungen zu stellen.


Piotr Siemiński