Niezalezna.pl: „Das KPO ist das Ende der Bürgerplattform”
Die Affäre sei „das Ende der Bürgerplattform“, urteilt der Wirtschaftsanalyst und frühere Orlen-Finanzvize Janusz Szewczak im Gespräch mit dem nationalkonservativen Portal niezalezna.pl; der Vergabeskandal um HoReCa-Mittel stelle die Regierung in das schlechtestmögliche Licht. Die Analyse der KPO-Zuschüsse für den Hotel- und Gastrosektor, so niezalezna.pl, habe eine Reihe „aufsehenerregender“ Entscheidungen offengelegt. Gelder aus einem Kredit, den die Polen bis 2058 bedienen müssten, seien teils in mobile Kaffeemaschinen, Solarien, Eisverkauf in Pizzerien oder gar ein „Kartoffelmuseum“ auf Warschaus Ursynów geflossen. In dem Artikel ist auch von Käufen Dutzender Luxusautos und Jachten sowie dem Bau von Hausbooten oder „ökologischen Ferienhäuschen“ die Rede. In mehreren Fällen hätten von Zuschüssen Personen profitiert, die familiär, politisch oder geschäftlich mit Politikern der „Koalition vom 13. Dezember“ verbunden seien (wie die Opposition die Regierungskoalition in Anspielung auf den Kriegszustand vom 13. Dezember 1981 nennt).
Szewczak spricht von einem „Gefühl der Straflosigkeit“ der Regierenden. “Da der Premierminister dieses Teams offen sagen kann, dass er das Gesetz brechen wird, ob es einem gefällt oder nicht, wird hier sozusagen "nur" das Gesetz gebogen. Wenn sich jemand in einer so kleinen Angelegenheit als so unehrlich und unzuverlässig erweist, was wird dann erst bei größeren Finanzthemen oder Finanzentscheidungen passieren?”, fragt der Wirtschaftsexperte. Für den „durchschnittlichen Kowalski“, so Szewczak weiter, sei die Affäre greifbarer als die sich abzeichnende Schieflage der Staatsfinanzen; der Haushalt 2026 müsse „dramatisch“ aussehen. “Sollen wir auf ein Defizit in Höhe von 400–500 Milliarden Złoty rechnen?”, fragt Szewczak.
Die Zuwendungen, lesen wir weiter, kämen überwiegend Wohlhabenden zugute. Wäre der Bestand der Koalition nicht gefährdet, hätte Tusk wohl bereits eine Alleinschuldige benannt, nämlich Ministerin Katarzyna Pełczyńska-Nałęcz. Dafür gebe es aber kein grünes Licht, daher werde man stattdessen PR-Lösungen suchen. „Das ist die erste so offensichtliche, aber ganz sicher nicht die letzte Panne dieser Regierung. Ich denke, dass uns eine Reihe weiterer bevorstehen“, resümiert Janusz Szewczak im Gespräch mit Niezalezna.pl.
Gazeta Wyborcza: „Demagogische Vorwürfe, aufgeblasene Pseudoaffäre”
Die Vorwürfe seien demagogisch, die Affäre aufgeblasen – er verstehe nicht, worin die „angeblichen Affäre“ um KPO-Mittel für HoReCa bestehen solle, schreibt indes in seinem Leitkommentar für die linksliberale Gazeta Wyborcza der Publizist Wojciech Maziarski. Wie der Autor erinnert, habe die Branche in der Pandemie „große Verluste“ erlitten: Cafés, Restaurants, Pensionen und Ferienanlagen seien geschlossen gewesen. Viele von ihnen hätten Einzelunternehmer geführt, für deren Familien sie die einzige Einkommensquelle gewesen seien. Eine nie eröffnete, inzwischen zum Verkauf stehende Pizzeria in einem mit seinem Wohnort benachbarten Dorf sei dafür nur ein Beispiel. KPO-Gelder seien u. a. zur „Unterstützung und zum Wiederaufbau“ solcher Betriebe bestimmt.
Grzech pierworodny KPO dla turystyki to fundusze na dywersyfikację działalności. To umożliwiło na przykład zakup jachtów #Wyborcza
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— Gazeta Wyborcza (@wyborcza.pl) August 11, 2025 at 10:04 AM
Für die Empörung, dass auf den Listen Espressomaschinen, Miet-Ferienhäuschen, Sauna, Solarium oder Ausstattung einer Eisdiele stünden, so Maziarski, habe er kein Verständnis. Welche Ausgaben solle man in der Hotel- und Gastrobranche denn erwarten – „Computertomografen? Werkzeugmaschinen?“ Eine „große Aufregung“ habe das Mitfinanzieren einer Jacht ausgelöst; Details kenne er nicht – die Empörten aber ebenso wenig. Wenn jedoch jemand ein Ressort am See betreibe und zur Kundengewinnung Ausflugsfahrten anbieten wolle, warum nicht – „es ist ein sehr guter Einfall“, so der Autor.
In der „großen Masse“ der Anträge könnten natürlich missglückte oder zweifelhafte Vorhaben durchgerutscht sein; man könne dies prüfen und in Extremfällen die Förderung zurücknehmen. Das pauschale Verdammen sämtlicher Ausgaben für „HoReCa“ sei jedoch Ausdruck populistischer Demagogie und schlichter Dummheit“. Demagogie würden PiS-Politiker wie Dominik Tarczyński und Janusz Kowalski betreiben. Kommentatoren, die sich der Kampagne „gedankenlos anschließen”, würden als „nützliche Idioten” der PiS auftreten. Polen habe schon einmal mit der “Tintenfisch-Affäre” eine „aufgeblasene Pseudoaffäre” erlebt. Und wir können uns gut erinnern, welchen Preis die polnische Demokratie dafür gezahlt hat, so Wojciech Maziarski in der Gazeta Wyborcza.
Rzeczpospolita: „KPO ist ein Erfolg. Nichts wird das ändern”
Auch Piotr Skwirowski von der konservativ-liberalen Rzeczpospolita mahnt zur Mäßigung. Der Wiederaufbaufonds sei ein Erfolg – und die HoReCa-Affäre ändere daran nichts, so Skwirowski in seiner Analyse. Wie der Autor erinnert, sei der KPO ein von EU-Mitteln finanziertes Großprogramm zur Erneuerung der polnischen Wirtschaft nach der Pandemie; knapp 270 Mrd. Zł stünden für die Modernisierung von Energie und Netzen, von Bahnlinien und Straßen, die Stärkung des Gesundheitswesens, den Ausbau von Krippen, den Zugang zum Internet sowie für Digitalisierung und Robotisierung von Unternehmen bereit; hinzu kämen Klimaprojekte, bessere Luftqualität und vieles mehr. Polen diskutiere seit Tagen jedoch „nur“ über Jachten, Solarien, Golfschläger und einen Swingerclub – die Debatte habe die gebotenen Proportionen längst überschritten, so Skwirowski.
Wie der Autor betont, habe die Regierung schwerwiegende Fehler in der Kommunikation entdeckter Unregelmäßigkeiten begangen. Man habe diese und die Abberufung der Behördenchefin stillschweigend vollzogen, statt offen zu zeigen, dass der Staat die Vergabe überwacht und Fehler zügig korrigiert. Damit habe man der Opposition Munition geliefert. Absurd sei, dass die Opposition, die in ihrer Regierungszeit in Unregelmäßigkeiten im Wert von hunderten Millionen oder gar mehreren Milliarden Złoty verwickelt gewesen sei - um nur an den Justizfonds, das Programm „Villa Plus“, fehlerhafte Respiratoren von einem Ski-Trainer, die Briefwahl-Episode, die zwei Türme in Ostrołęka oder den Lotos-Verkauf erinnern – nun so einen Aufstand wegen ein paar Segelbooten und Golfschlägern macht, die im Falle von Hotels gar nicht so abwegig sind. Noch brisanter: In einigen Fällen hätten über einzelne Zuschüsse Personen entschieden, die der PiS angehörten oder ihr nahestünden, so der Autor. Alles frei nach dem Motto: Der Dieb ruft “haltet den Dieb”.
“Natürlich, die Unregelmäßigkeiten müssen durchleuchtet werden. Aber wahret die Proportionen, meine Herrschaften”, so Skwirowski. Nach Regierungsangaben seien bislang gut 1.500 Verträge mit HoReCa-Firmen über rund 110 Millionen Złoty geschlossen worden. Das sei keine geringe Summe, doch der allergrößte Teil der Vorhaben sei sachlich begründet, der Anteil an Scheinprojekten „vermutlich sehr gering“. Problematische Fälle müsse man prüfen und notfalls die Förderung zurückfordern – so wie etwa, als zu PiS-Zeiten während der Pandemie zig Milliarden an Unternehmen flossen, auch aus der Hotelbranche. Es seien weitaus größere Summen gewesen, als heute aus dem Wiederaufbauplan. Und ein Teil sei nach Kontrollen rückabgewickelt worden. Die damalige Opposition habe das nicht kommentiert.
Die Empörung über Posten wie Jachten oder Kaffeemaschinen sei daher absurd: Was sollten Hoteliers und Gastronomen denn kaufen – „Bagger, Raumschiffe oder gar Hadronenbeschleuniger?“, argumentiert Skwirowski. In diesem Fall jage eine Absurdität die andere. Die Regierung habe immer noch nicht gelernt, wie man solche Brände löscht. Es sei kein Wunder, dass die derzeitige Opposition jede Gelegenheit nutzt, um rücksichtslos anzugreifen. Es sei höchste Zeit, Fachleute zu engagieren, vielleicht für viel Geld, um diesen Schlamassel jeden Tag, von morgens bis abends, aufzuräumen. Schließlich sei der Wiederaufbaufonds eine Erfolgsgeschichte. Ein Programm, das das Antlitz unseres Landes verändert. Es werde unser Leben besser, bequemer und sicherer machen. Und das ist das Bild, das den Polen vermittelt werden muss und von dem sie überzeugt werden müssen, so Piotr Skwirowski in der Rzeczpospolita.
Autor: Adam de Nisau