Deutsche Redaktion

Festival des Populismus

26.08.2025 06:57
Das Veto von Polens Präsident Karol Nawrocki gegen eine Gesetzesänderung zur Unterstützung ukrainischer Bürger sorgt für hitzige Debatten. Während Nawrocki argumentiert, dass Sozialleistungen wie das Kindergeld „800 Plus“ nur arbeitenden Ukrainern zustehen sollten, werfen Kritiker ihm populistische Motive und gefährliche Signalwirkung vor – gerade angesichts des russischen Angriffskriegs.
Karol Nawrocki
Karol NawrockiPAP/Leszek Szymański

DO RZECZY: Präsident blockiert Gesetzesänderung zur Ukraine-Hilfe 

Präsident Karol Nawrocki gab gestern bekannt, dass er das Gesetz über die Hilfe für Bürger der Ukraine nicht unterzeichnet hat. Er begründete seine Entscheidung unter anderem damit, dass das Kindergeld 800 Plus nur denjenigen Ukrainern zustehen sollte, die in Polen arbeiten, berichtet die Wochenzeitung Do Rzeczy. Die Gesetzesänderung, über die zuvor öffentlich debattiert wurde, sieht diese Einschränkung jedoch nicht vor.

Während des Wahlkampfs hatte auch Warschaus Bürgermeister und Präsidentschaftskandidat der regierenden Bürgerkoalition, Rafał Trzaskowski, eine Einschränkung des Programms 800 Plus für ukrainische Staatsbürger gefordert. Im Januar appellierte er an die Regierung von Donald Tusk, an einer entsprechenden Gesetzesänderung zu arbeiten, damit Leistungen wie das Kindergeld nur an Ukrainer gezahlt werden, die in Polen leben, arbeiten und Steuern zahlen. Ministerpräsident Tusk kündigte damals an, den Vorschlag Trzaskowskis „dringend” prüfen zu lassen. Er fügte auch hinzu, dass er dafür sei.

Der ehemalige Ministerpräsident Leszek Miller kommentierte das Veto Nawrockis überraschend positiv: „Der bisherige Mechanismus, den die Regierung nicht geändert hat, begünstigte massive Missbräuche, die bei Kontrollen der Sozialversicherungsanstalt und der Kommunalverwaltungen aufgedeckt wurden. Der Bericht der Obersten Kontrollkammer NIK aus dem Jahr 2023 wies auf fehlende Überprüfungsinstrumente und Verzögerungen beim Datenaustausch mit der Ukraine hin.”

Miller lobte Nawrocki dafür, etwas getan zu haben, wozu andere den Mut nicht hatten – vor allem gegenüber ukrainischen Bürgern. „Er hat die Gelddruckmaschine gestoppt und gezeigt, dass Sozialpolitik nicht nur ein Festival der Empathie auf Kosten anderer sein darf. Ich hoffe, dass dies dauerhaft wird”, so Miller in Do Rzeczy. 

DZIENNIK/GAZETA PRAWNA: Festival des Populismus 

In der neuen Ausgabe von Dziennik/Gazeta Prawna bewertet Michał Potocki das gestrige Veto von Präsident Karol Nawrocki in einem deutlich anderen Ton. Angesichts der anhaltenden russischen Aggression und der wachsenden Ambitionen des Kremls, schreibt Potocki, liefere uns Präsident Nawrocki gemeinsam mit der Regierung von Donald Tusk ein „Festival des antiukrainischen Populismus”. „Das ist, als würde man den Ast absägen, auf dem wir alle sitzen. Die langfristigen Folgen können schlecht oder noch schlimmer sein”, lesen wir.

Die Bürgerkoalition sollte dem Präsidenten danken, ironisiert Potocki, dass er ihr hilft, die Versprechen ihres Kandidaten Trzaskowski umzusetzen. Gemeinsam verschieben sie den Diskurs nach rechts und treffen bald die Schwächsten: Frauen mit Kindern, die vor dem Krieg geflohen sind und nicht arbeiten können. Noch vor wenigen Jahren herrschte breite Einigkeit darüber, dass ukrainische Migranten kulturell nahestehen, Sprachbarrieren schnell überwinden, sich gut in den Arbeitsmarkt integrieren und kein besonderes Sicherheitsrisiko darstellen. Besonders Studenten galten als Gewinn für das Land – sie würden bleiben, zum BIP beitragen und das Rentensystem stützen.

Ukrainer zahlen schon jetzt ein Vielfaches an Steuern und Sozialabgaben im Vergleich zu den Sozialleistungen, die sie erhalten, führt der Publizist fort. Doch irgendwann beschlossen Politiker, ein Problem zu schaffen, das es vorher nicht gab. Unter dem Druck von Hetzkampagnen im Netz und im Alltag wird ein Teil der ukrainischen Diaspora in den Westen auswandern, ein anderer Teil könnte anti-polnische Vorurteile entwickeln, die bisher kaum sichtbar waren. Davon profitieren die extremistischen Parteien.

Auch die Mainstream-Parteien sieht er kritisch: „Sie greifen längst Elemente der rechten Konfederacja auf. Die einstige Partei Recht und Gerechtigkeit – die von Lech Kaczyński, Andrzej Duda oder Michał Dworczyk geprägt wurde – existiert in dieser Form nicht mehr. An ihre Stelle treten nun Nawrocki, ein Konföderierter im Sinne von Steuersenkungsfetischismus und Antiukrainismus. Dass die Liberalen der KO mit ihnen konkurrieren würden, war schwer vorhersehbar – doch sie reden sich ein, es geschehe im Namen der Demokratie. Am Ende verschieben alle den Schwerpunkt so weit nach rechts, dass sich der Wähler fragt: Warum nicht gleich das Original, die Konföderation, wählen?”

 

MONEY.PL: Starlink-Kosten und mögliche Folgen

Die Entscheidung von Präsident Karol Nawrocki, das Gesetz zur Unterstützung ukrainischer Bürger in Polen zu blockieren, könnte Warschau mindestens 10 Millionen Zloty kosten, berichtet indes money.pl. Betroffen ist auch die Finanzierung des Starlink-Systems, das die Kommunikation in der kriegsgebeutelten Ukraine aufrechterhält. Ein Ende der polnischen Unterstützung könnte die Rückführung der Geräte notwendig machen – mit erheblichen Zusatzkosten.

Laut dem Portal könnte das Veto die Hilfe für Ukrainer in mehreren Bereichen erschweren. Besonders betroffen wäre die Sozialleistung 800 Plus, auf die Ukrainer ohne Arbeit in Polen künftig keinen Anspruch hätten. Doch das sei nicht alles, betont money.pl. Der stellvertretende Ministerpräsident und Digitalisierungsminister Krzysztof Gawkowski warnte, das Veto könne „das Ende der polnischen Finanzierung von Starlink bedeuten”. Eine Abschaltung des Satelliteninternets wäre „ein Geschenk für Putins Armee”.

Seit Beginn der russischen Invasion hat Polen fast 30.000 Starlink-Terminals bereitgestellt und die Abonnements bezahlt – insgesamt rund 300 Millionen Zloty in den Jahren 2022 bis 2024. Angesichts russischer Angriffe auf die ukrainische Telekommunikationsinfrastruktur sei Starlink unverzichtbar geworden. Wie money.pl berichtet, wäre es nun eine Herausforderung, die Terminals zurückzuholen. Der Vertrag mit der Ukraine sieht vor, dass die Geräte nur geliehen sind und nach Ende der Nutzung zurückgegeben werden müssen. Laut Ministerium für Digitalisierung könnten allein die Transportkosten nach Polen rund 10 Millionen Zloty betragen.


Autor: Jakub Kukla