Gazeta Wyborcza: Ein Abkommen beendet den Krieg nicht
Ich befürchte, dass Trumps Autorität nicht ausreichen wird, um die katastrophale Logik der Nahostpolitik zu überwinden, schreibt Bartosz T. Wieliński in der liberalen Gazeta Wyborcza.
Ein Abkommen über die Einstellung der Kämpfe im Gazastreifen und den Austausch israelischer Geiseln, ist lediglich eine Atempause. Beide Seiten haben bereits mehrfach Vereinbarungen gebrochen, woraufhin die Kämpfe erneut ausbrachen. In der Geschichte der Region waren es US-Politiker wie Jimmy Carter, George Bush senior oder Bill Clinton, denen es gelungen war, zu vorübergehenden oder sogar dauerhaften Friedenslösungen zwischen Israel und seinen palästinensischen Nachbarn zu führen.
Damals wollten beide Seiten einen Kompromiss finden und ihr Leben mit einem schwierigen Nachbarn gestalten. Heute will die Hamas keineswegs auf die Zerstörung Israels verzichten, sie will nicht den Terror aufgeben und ausschließlich auf Diplomatie und Politik setzen. Der israelische Premierminister Benjamin Netanjahu wiederum will keinen palästinensischen Staat im Gazastreifen und – noch weniger – eine palästinensische Autonomie im Westjordanland tolerieren, meint der Autor.
Wenn die Hamas tatsächlich alle israelischen Geiseln freilässt und sich Israel zurückzieht, wäre es nur eine Frage der Zeit, bis die nächste Runde der Kämpfe ausbricht. Beide Seiten hassen sich zutiefst, beide führen erbittert Krieg gegeneinander, und beide Seiten sind auch für Kriegsverbrechen verantwortlich.
Die Entscheidung über das Abkommen wurde mit Euphorie aufgenommen. Nun ja, in dieser tragischen Region bedeutet jede Pause im Töten schon viel. Es ist schwer, den Eindruck zu vermeiden, dass diese Freude erzwungen und zur Schau gestellt ist. Die zivilisierte Welt ist des Konflikts müde, sie wünscht sich Frieden, doch es gibt keinen Grund zu der Annahme, dass Präsident Trump genügend Autorität besitzt, um die katastrophale Logik der Nahostpolitik zu durchbrechen. Die Frage ist also, ob diese Vereinbarung überhaupt eine große Bedeutung hat.
Man sagt, dass die Waffenruhe zwischen Indien und Pakistan, die seit fast 80 Jahren anhält, als Modell dienen könne. Doch das ist nicht vergleichbar.
Und wenn Trump eines Tages verkünden sollte, dass er in Gaza ein Resort mit einem „Trump Tower“ bauen will – dann wäre das der einzige „Friedensplan“, den er wirklich umsetzen könnte, schreibt Bartosz T. Wieliński in der Gazeta Wyborcza.
Rzeczpospolita: Hoffnung für Gaza – und für Trump?
US-Präsident Donald Trump verfügt bereits über fast alles: Macht, Geld, Aufmerksamkeit und Einfluss. Doch eines fehlt ihm – die Auszeichnung mit dem Friedensnobelpreis. Würde er diesen erhalten, stünde ihm nichts mehr im Wege. Der Preis würde es ihm ermöglichen, sein Bild als Friedensstifter zu festigen – ein Bild, das er besonders im aktuellen Präsidentschaftswahlkampf nutzen könnte, schreibt Jerzy Haszczyński in der Rzeczpospolita.
Öffentlich äußert Trump jedoch Skepsis. Er erklärte zuletzt, er glaube nicht, den Preis zu bekommen, und fügte hinzu, er würde ihn „jemand anderem geben, aber nicht mir selbst“. Beobachter deuten diese Aussagen auch als kalkulierte Provokation – ein Versuch, das Komitee zu überraschen oder zu beeinflussen. Und siehe da, so der Autor: Nur wenige Tage vor der Entscheidung des norwegischen Nobelkomitees spricht die ganze Welt von dem Friedensabkommen zwischen Israel und der Hamas. Trump selbst verkündete am Donnerstag auf seiner Plattform Truth Social, ein historischer Waffenstillstand sei erreicht worden.
Die Beratungen des norwegischen Nobelkomitees bleiben streng geheim, doch historisch zeigt sich, dass politische Überlegungen stets eine Rolle spielen. Als Beispiel wird Barack Obama genannt, der 2009 schon im ersten Amtsjahr den Friedensnobelpreis erhielt – begründet mit seinen „außergewöhnlichen Bemühungen zur Stärkung der internationalen Diplomatie“. Trump könnte sich ähnliche Verdienste zuschreiben, sollte er tatsächlich zur Beendigung aktueller Kriege beitragen.
Gleichzeitig betont der Autor, dass der Friedensnobelpreis heute so wenig politische Wirkung habe wie selten zuvor. Selbst eine Vergabe an Trump könnte die globale Politik kaum beeinflussen. Dennoch ist nicht auszuschließen, dass er den Preis in den kommenden Jahren erhalten könnte – vor allem, wenn er bei der Beilegung der Kriege in der Ukraine und im Nahen Osten eine Schlüsselrolle spielte.
Ein Misserfolg in diesem Jahr würde Trump zwar nicht entscheidend treffen, schmerzhaft könnte für ihn jedoch sein, wenn der Preis an eine Person oder Institution verliehen würde, die seine Politik und Rhetorik in Frage stellt – etwa an eine Migrantin aus einem Land, das er öffentlich abwertete, oder an internationale Organisationen, die er scharf kritisierte oder sanktionierte, wie den Internationalen Strafgerichtshof.
Laut Haszczyński wäre der Friedensnobelpreis für Trump mehr als nur eine Auszeichnung: nämlich ein Mittel, seine eigene Rolle in der Weltgeschichte festzuschreiben und politischen Nutzen daraus zu ziehen.
Plus Minus: Wir brauchen ein stärkeres Deutschland
Europa steht sicherheitspolitisch an einem Wendepunkt. Die USA ziehen sich zunehmend zurück, Russland bleibt eine akute Bedrohung – und nur Deutschland hat die wirtschaftliche Stärke, um langfristig die Verteidigung Europas zu tragen. Doch ob Berlin diese Rolle wirklich übernehmen kann und will, ist offen, meint Justyna Gotkowska, stellvertretende Direktorin des Zentrums für Oststudien, im Magazin Plus Minus.
Deutschland kündigt an, seine Verteidigungsausgaben bis 2026 dauerhaft auf zwei Prozent des BIP zu erhöhen. Der reguläre Haushalt reicht nicht aus, um die Bundeswehr nachhaltig zu modernisieren. Hinzu kommen zwei gravierende Probleme: ein massiver Mangel an Soldaten und große Defizite bei Waffen, Munition, Fahrzeugen und Flugzeugen. Bis 2031 will Berlin sechs voll ausgestattete Landdivisionen aufbauen – ein ambitioniertes Versprechen, das jedoch noch weit von der Realität entfernt ist, meint die Expertin.
Ein weiteres Hindernis ist die politische Kultur in Deutschland. Trotz des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine, der die Sicherheitswahrnehmung in der Bevölkerung verändert hat, bleibt die Bundesregierung zögerlich. Das historische Selbstverständnis „nie wieder Krieg, nie wieder Militarismus“ erschwert es, militärische Verantwortung zu übernehmen.
Frankreich ist militärisch zu schwach, Polen hat zwar eine schlagkräftige Armee, aber eine vergleichsweise schwache Wirtschaft. Damit bleibt nur Deutschland als Land, das stark genug wäre, die europäische Verteidigung langfristig zu sichern. Doch bislang übernimmt Berlin diese Führungsrolle nur unter Druck – vor allem von den USA und den östlichen NATO-Partnern.
Laut Gotkowska hängt für Polen und die baltischen Staaten die eigene Sicherheit eng mit der Stärke Deutschlands zusammen. Sollte sich die US-Präsenz in Europa weiter verringern, bleibt Europa kaum eine andere Wahl, als sich auf Deutschland zu stützen. Polen selbst könnte unmittelbar von einer starken Bundeswehr profitieren, denn die Sicherheit beider Länder ist eng miteinander verbunden.
Fazit: Deutschland muss stärker werden – nicht nur aus Sicht der NATO, sondern auch für die Sicherheit Europas insgesamt. Die Herausforderungen sind groß: Personalmangel, schleppende Modernisierung und eine zögerliche politische Kultur. Doch ohne ein stärkeres Deutschland wird es keine stabile Sicherheitsordnung in Europa geben, glaubt Justyna Gotkowska, stellvertretende Direktorin des Zentrums für Oststudien, im Magazin Plus Minus.
Autor: Joachim Ciecierski