Deutsche Redaktion

Außenminister Czaputowicz: Polen wurde in diesem Prozess diskriminiert

19.08.2019 09:24
Kurz vor dem 80. Jahrestag des Beginns des Zweiten Weltkriegs hat Polen eine deutliche Benachteiligung bei den deutschen Reparationszahlungen beklagt.
Auenminister Jacek Czaputowicz
Außenminister Jacek Czaputowiczwikipedia.org/Kancelaria Premiera/Public Domain

Kurz vor dem 80. Jahrestag des Beginns des Zweiten Weltkriegs hat Polen eine deutliche Benachteiligung bei den deutschen Reparationszahlungen beklagt. Der polnische Außenminister Jacek Czaputowicz sagte in einem Interview der Deutschen Presse-Agentur, bei der Entschädigung der von Deutschland angegriffenen Länder habe es "einen Mangel an grundsätzlicher Fairness" gegeben: "Polen wurde in diesem Prozess diskriminiert."

Obwohl Polen besonders stark unter den Angreifern und Besatzern des Nazi-Regimes gelitten habe, sei der Anteil an den Entschädigungszahlungen "minimal" gewesen. "Es gibt Länder, die ein Vielfaches weniger verloren haben, aber mehr Kompensation bekommen haben. Ist das in Ordnung?", fragte Czaputowicz. "Die zentrale Frage ist, ob Polen im Vergleich zu anderen Staaten fair behandelt wurde." Ausdrücklich nannte er Frankreich und die Niederlande.

Polen hatte im Zweiten Weltkrieg gemessen an der Gesamtbevölkerung so viele Tote zu beklagen wie kein anderes Land. Fünf bis sechs Millionen Polen kamen ums Leben - und damit etwa jeder Sechste. Auch der Grad der Zerstörung war vergleichsweise hoch. Die Hauptstadt Warschau wurde vor dem Rückzug der Wehrmacht fast komplett dem Erdboden gleich gemacht.

Reparationen werden nicht verjähren

Polens Beauftragter für Reparationszahlungen, Arkadiusz Mularczyk, denkt nicht daran, auf Ansprüche gegenüber Deutschland zu verzichten. Polen könne seine Entschädigungsforderungen für den Zweiten Weltkrieg „bis in alle Ewigkeit“ vorantreiben, sagte der Abgeordnete der Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit PiS im polnischen Rundfunk.

Die Ansprüche seines Landes würden nicht verjähren, sagte Mularczyk, der in Polen einen Parlamentsausschuss leitet, der die Ansprüche gegenüber Berlin untersucht. Aus Polen waren seit 2017 wiederholt Forderungen nach Entschädigungszahlungen aus Deutschland laut geworden. Offizielle Forderungen der Warschauer Regierung gab es bisher aber nicht.

"Polen hat nie auf Reparationen von Deutschland verzichtet", meinte Mularczyk weiter. Die deutsche Regierung hatte die Forderungen Polens mit Hinweis auf einen mehrfach bestätigten polnischen Verzicht auf solche Zahlungen zurückgewiesen. Polnische Regierungsmitglieder argumentieren jedoch, eine solche Erklärung aus dem Jahr 1953 sei verfassungswidrig gewesen und nur auf Druck der Sowjetunion erfolgt.

Mularczyk kritisierte, Deutschland fühle sich moralisch verantwortlich, wolle aber nicht bezahlen. Deutschland müsse sich mit dem Thema ernsthaft auseinandersetzen. "Ansonsten zeigt es (Deutschland), dass es Polen nicht ernst nimmt."

Milliarden Euro Enschädigungen

Im August dieses Jahres haben Experten der parlamentarischen Arbeitsgruppe für Reparationen, die 2017 von der Regierungspartei PiS berufen wurde, vorläufige Berechnungen für die Verluste Polens vorgelegt. Demnach habe Polen infolge des Zweiten Weltkriegs von Seiten Deutschlands mehr als 5 Mio. polnischer Bürger verloren und die Zerstörung der Städte und Infrastruktur belaufe sich auf über 13 Mrd. Euro, von denen fast 9 Mrd. Euro allein die Hauptstadt Warschau betreffen.


IAR/afp/apa/jc